Fleischallergie, Borreliose, FSME: Wie gefährlich sind Zecken?
Die derzeitigen Wetterbedingungen sind für Zecken ideal: Sie lieben Feuchtigkeit und Wärme, nach Regentagen im Sommer sind sie besonders aktiv. Die Parasiten sind aber nicht nur lästig, sondern können Krankheitserreger übertragen, wie das FSME-Virus (Frühsommer-Meningoenzephalitis), das lebensbedrohliche Gehirnhautentzündungen auslösen kann. Kürzlich warnte die amerikanische Gesundheitsbehörde von einer Zunahme von Fleischallergien durch Zeckenstiche. Was hat es damit auf sich und wie entfernt man Zecken richtig? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.
Spricht man bei einer Zecke von einem Biss oder einem Stich?
Der "Zeckenbiss" ist eigentlich ein Stich. Zecken haben einen Stechrüssel, den sie in die Haut des Wirts schieben. Von einem Biss durch ein Insekt spricht man in der Biologie dann, wenn die Haut durch sich aufeinander bewegende Mundwerkzeuge verletzt wird. Ein Parasit, der beißt und nicht sticht, ist etwa die Bremse.
Wie entfernt man eine Zecke richtig? Was ist zu tun, wenn ein Teil in der Haut bleibt?
Zeckenstiche bleiben häufig eine Zeit lang unbemerkt, da sich die Tierchen meist Stellen suchen, die man nicht so gut im Blick hat: in den Kniekehlen, unter den Armen und im Nacken, am Haaransatz und im Intimbereich. Den Stich selbst spürt man meist nicht, weshalb gründliches Absuchen nach einem Aufenthalt im Freien sehr wichtig ist.
Entdeckt man eine Zecke, sollte sie so schnell wie möglich mit einer Pinzette oder einem Zeckenentferner herausgezogen werden. Auch, wenn dabei ein Teil des Kopfes oder des Mundwerkzeugs in der Haut bleibt, bestehe kein Grund zur Sorge, da keine Infektionsgefahr davon ausgehe, heißt es in einer Aussendung des Salzburger Uniklinikums, in das derzeit einige Menschen mit diesem Problem kommen. Bleibt ein Teil der Zecke in der Haut, sei das jedoch kein Notfall – die Teile werden in Kürze vom Körper selbst abgestoßen. Einen Arzt aufzusuchen ist nur bei Entzündung nötig oder wenn eine kreisrunde Rötung auftritt, die Borreliose anzeigen kann.
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Welche Krankheiten werden noch von Zecken übertragen? Welche Rolle spielt der Zeitpunkt der Entfernung?
Zecken können eine Vielzahl von Infektionskrankheiten auf den Menschen übertragen, am häufigsten ist in Österreich die Borreliose. Jede dritte Zecke trägt Borrelien in sich, jährlich erkranken bis zu 70.000 Menschen. Weniger häufig, aber mitunter gefährlicher ist FSME. "Wir haben heuer bereits 56 Fälle, die im Krankenhaus behandelt werden mussten, darunter vier Kinder unter 14 Jahre mit Gehirnhautentzündung. Etwa die Hälfte der Behandelten hatte schwere Symptome, die das Zentralnervensystem betreffen", sagt Virologin Judith Aberle von der MedUni Wien.
Während bei FSME bereits innerhalb kurzer Zeit nach dem Stich eine Übertragung erfolgt, dauert es bei Borrelien einen Tag bis hin zu 36 Stunden. Aberle: "Je schneller man die Zecke entfernt, desto besser ist es. Das gilt für alle durch Zecken übertragene Erkrankungen."
Ist es sinnvoll, sich jetzt im laufenden Sommer noch FSME-impfen zu lassen?
Auf jeden Fall, meint Aberle. "Auffrischungsimpfungen sollte man machen, wenn sie fällig oder auch überfällig sind. Auch wenn noch keine Grundimmunisierung stattfand, lohnt es sich, jetzt zu beginnen. Die Zeckensaison geht noch weit in den Spätherbst hinein, FSME-Fälle diagnostizieren wir bis in den November, denn bei milderen Temperaturen sind Zecken auch länger aktiv."
Die im Vergleich zur Borreliose niedrigere Zahl an FSME-Erkrankungen sei kein Argument gegen die Impfung. "In Österreich gab es vor Beginn der Impfaktionen bis zu 700 FSME-Fälle jährlich. Durch die hohe Durchimpfungsrate – 80 Prozent haben zumindest eine Impfung, 60 Prozent sind vollständig geimpft – sind es deutlich weniger", sagt Aberle. FSME ist in ganz Österreich verbreitet, die meisten Fälle heuer traten in Oberösterreich und Tirol auf.
Was hat es mit der durch Zecken übertragenen Fleischallergie auf sich?
Bei manchen Menschen kann es nach dem Stich einer Zecke zu einer allergischen Reaktion, zum sogenannten Alpha-Gal-Syndrom, kommen. Dieses tritt hauptsächlich nach dem Stich einer bestimmten in den USA verbreiteten Zeckenart, der Lone-Star-Zecke, auf. Betroffene reagieren nach dem Zeckenstich allergisch auf ein bestimmtes Zuckermolekül, das in den meisten Säugetieren vorkommt und sich in Fleisch und Fleischprodukten befinden kann.
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Anders als bei anderen Nahrungsmittelallergien, etwa gegen Erdnüsse, wo es innerhalb von Minuten zu Symptomen kommt, treten die Alpha-Gal-Symptome zeitverzögert auf, weshalb nicht immer gleich ein Zusammenhang erkannt wird. Etwa drei bis sieben Stunden nach dem Verzehr von rotem Fleisch, Gelatine etc. kann es zu Symptomen wie Juckreiz am gesamten Körper, Hautausschlägen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen und Durchfall kommen – bis hin zu Atemnot, Blutdruckabfall und Ohnmacht. Es gibt keine Behandlung, außer rotes Fleisch zu meiden.
Gab es derartige Fälle in Österreich?
Ja. Laut AGES sind in Österreich erworbene Fälle des Alpha-Gal-Syndroms bekannt. Schätzungen zufolge treten jährlich 100 neue Fälle erworbener Fleischallergie auf. Welcher Mechanismus dahinter steht, ist nicht klar, eine mögliche Erklärung ist die Übertragung des Alpha-Gal-Moleküls durch Zeckenstiche. Hierzulande kann das Alpha-Gal-Molekül durch den gemeinen Holzbock in den Körper gelangen, der in Österreich für 93 Prozent aller Zeckenstiche verantwortlich ist. Der erste nachgewiesene Fall trat 2017 bei einem 51-jährigen Mann auf, bei dem sich innerhalb von 48 Stunden nach dem Zeckenstich die Haut rundherum entzündete. Etwa drei Monate später kam es nach dem Verzehr eines Steaks zu einer allergischen Reaktion, weitere folgten. Nachgewiesen wird es über einen Bluttest auf Nahrungsmittelallergien.
In den USA warnte kürzlich die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC, dass immer mehr Menschen eine solche Fleischallergie entwickeln. Zwischen 2010 und 2022 seien mehr als 110.000 Verdachtsfälle des Alpha-Gal-Syndroms identifiziert worden, da es aber häufig nicht erkannt werde, geht die Behörde von einer Dunkelziffer von um die 450.000 Betroffenen in den USA aus. Einzige Prävention ist Zeckenstichen vorzubeugen, etwa durch Insektenschutzmittel, lange und helle Kleidung, regelmäßiges Absuchen nach dem Aufenthalt im Freien sowie rasches Entfernen von Zecken.
In Deutschland und der Schweiz wurde das Alongshan-Virus in Zecken nachgewiesen. In Österreich auch?
Bisher wurde das Virus in Europa noch nicht im Menschen nachgewiesen, es wurde aber in einigen Ländern in Zecken sowie in Wild gefunden, in Österreich bislang noch nicht. Sein Name stammt von der chinesischen Stadt Alongshan, in der sich 2017 erstmals eine Frau mit dem Virus über einen Zeckenstich infizierte. Die Symptome ähneln jenen von FSME, sind jedoch milder. Die Frau sowie weitere 85 Patienten litten unter Fieber und Kopfschmerzen und erholten sich nach kurzer Zeit vollständig. "Es ist anzunehmen, dass Alongshan-Viren in Zukunft auch in anderen europäischen Ländern in Zecken gefunden werden. Bisher weiß man jedoch wenig über die Symptome, die es bei Menschen auslösen kann", so Virologin Aberle.
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