Angst vorm Autofahren: "Hinter Fahrangst steckt oft eine Sozialphobie"
Als Penélope Cruz (49) ihre Rolle in dem Film "Ferrari" angeboten bekam, fragte sie als erstes: "Muss ich einen Ferrari fahren?"
Die spanische Schauspielerin leidet an Amaxophobie, der Angst vor dem Autofahren.
Mittlere bis starke Fahrangst
Ein Unfall ihrer Schwester, die von einem Auto angefahren wurde und kurzzeitig das Bewusstsein verlor, hält Cruz davon ab, sich selbst hinters Steuer zu setzen, wie sie kürzlich in Interviews verriet.
Damit ist die Schauspielerin nicht allein. Studien zeigen, dass 17 bis 20 Prozent der Menschen leichte Fahrangst haben, sich also beim Autofahren oder in bestimmten Verkehrssituationen unwohl fühlen. Vier bis sechs Prozent leiden unter mittlerer bis starker Fahrangst. Sie vermeiden häufig oder immer das Autofahren. Frauen häufiger als Männer. Die Gründe dafür sind unterschiedlich.
Viele Gründe für Fahrangst
Am häufigsten tritt Fahrangst als Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung (z.B. nach einem Verkehrsunfall) oder in Kombination mit Panikattacken oder anderen Angststörungen auf." Hinter Fahrangst steckt oft eine Sozialphobie", erklärt die Psychotherapeutin und Verkehrspsychologin Carola Strobl-Unterweger im KURIER-Gespräch.
Die Betroffenen fürchten sich vor der Bewertung durch andere. "Wenn man zum Beispiel einmal angehupt wurde oder einen Vogel gezeigt bekommen hat, kann das im Zuge der sozialen Angst so überfordern, dass jemand nicht mehr Auto fährt."
Auch Menschen mit einem starken Kontrollbedürfnis oder perfektionistischen Tendenzen können betroffen sein: "Wer sich selbst gegenüber sehr fehlerunfreundlich ist, kann Angst vor der Verantwortung beim Autofahren entwickeln."
Häufig nach längerer Fahrpause
Ein weiterer häufiger Grund ist der Wiedereinstieg ins Autofahren nach längerer Pause, etwa nach einem Umzug in eine ländliche Region oder einem Jobwechsel.
Auch bestimmte Verkehrssituationen können Ängste schüren, ergänzt die Verkehrspsychologin Bettina Schützhofer. Autobahn, Stau und Tunnel sind die drei häufigsten Angstmacher. "Weil die Geschwindigkeit höher ist und damit die Angst steigt, selbst die Kontrolle zu verlieren oder dass andere die Kontrolle verlieren." Wer die Führerscheinprüfung nicht auf Anhieb bestanden hat, hat tendenziell ebenfalls häufiger Angst.
Dass Frauen häufiger das Autofahren fürchten, liegt daran, dass sie generell häufiger von Angststörungen betroffen sind. Auch klassische Rollenbilder spielen hier eine Rolle, so Schützhofer.
Risikobereite Männer werden in unserer Gesellschaft positiv bewertet, risikobereite Frauen weniger. Und auch in der Erziehung wird vorsichtiges Verhalten bei Mädchen eher bestärkt, was in weiterer Folge zu mehr Angst führt."
Der Verkehrspsychologin ist wichtig zu betonen, dass Angst tatsächlich das Fahrverhalten beeinflusst: "Es gibt einen positiven Zusammenhang zwischen Angst und Fahrfehlern.
Die kognitive Leistungsfähigkeit wird beeinträchtigt - das kennt man zum Beispiel von Prüfungen: Wer zu entspannt ist, bringt nicht die volle Leistung, wer zu angespannt ist, hat vielleicht ein Blackout und bringt auch nicht die optimale Leistung."
Wie arbeitet man mit den Menschen?
In der Arbeit mit den Klientinnen und Klienten versuchen die Expertinnen zunächst, die Ursache der Fahrangst herauszufinden.
Schützhofer: "Ist es nur eine leichte Angst oder eine starke Phobie? Ist es eine Reaktion auf ein bestimmtes Erlebnis oder Teil einer Angststörung? Oder muss jemand, der lange nicht Auto gefahren ist, einfach wieder Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gewinnen?"
Auch die Psychoedukation spielt eine Rolle: "Man muss verstehen, warum es zu einer erhöhten Erregung kommt, damit man dagegen arbeiten kann."
Die Konfrontation erfolgt schrittweise
Ist die Fahrangst Folge einer posttraumatischen Belastungsstörung, wird eine gezielte Traumatherapie zur Aufarbeitung eingesetzt.
Bei Panikattacken werden Bewältigungsstrategien erprobt, um das akute Stressniveau zu senken, zum Beispiel mit Entspannungstrainings oder in Form einer kognitiven Verhaltenstherapie. Strobl-Unterweger: "Man setzt sich mit der angstauslösenden Situation auseinander und lernt, sich selbst zu beruhigen."
Die Konfrontation erfolgt schrittweise. "Zuerst wird das Autofahren in der Vorstellung geübt, dann im wirklichen Leben mit den in der Therapie erlernten Strategien. Es passiert aber jedenfalls nichts, wozu der Klient oder die Klientin noch nicht bereit ist."
Sicher unterwegs
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Verkehrspsychologin Carola Strobl-Unterweger
strobl-unterweger.at
Phobius Phobiezentrum
phobius.at
Schambelastetes Thema
Die Psychotherapeutin plädiert für einen offenen Umgang mit der Angst - und dafür, sich rechtzeitig Hilfe zu holen. "Das Thema ist immer noch total schambesetzt. Viele wollen nicht einmal im Freundeskreis darüber reden. Dabei wird es umso schwieriger, je chronischer die Angst wird."
Das Schlimmste, was man in einer solchen Situation tun kann, ist, die angstauslösende Situation zu vermeiden, so die Expertin. "Nach einem Unfall ist es normal, dass man zunächst unsicher ist. Man sollte aber relativ schnell wieder mit dem Autofahren beginnen, damit sich die Angst verstärkt."
Penélope Cruz hat auch heute noch, rund 40 Jahre nach dem Unfall ihrer Schwester, damit zu kämpfen. Die Interviews für ihren neuen Film gibt sie vom Schreibtisch aus - und nicht, wie von einer Redakteurin vorgeschlagen, am Steuer eines Ferrari Spider.
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