Hilfe, Telefonphobie! Wie sich die Angst ablegen lässt
Man braucht etwas im Job oder möchte einen neuen Kontakt aufbauen. Ist man effizient, nimmt man das Telefon zur Hand. Zumindest im Idealfall. Denn schlägt die Telefonphobie zu, sieht die Sache anders aus.
Alles Ausreden
Statt anzurufen, begibt man sich auf die Suche nach Ausreden, es nicht zu tun. „Die Wege sind äußerst kreativ“, sagt Kommunikationstrainer Jürgen Eisserer. Viele würden sich letztlich drücken und die schriftliche Nachricht wählen. Warum?
„Weil sie Angst vor Ablehnung haben“, erklärt Eisserer. Außerdem würden viele gar nicht genau wissen, was sie sagen wollen oder die Sorge haben, die Ansprüche des Gegenübers am Telefon nicht bedienen zu können. „Wir haben Angst, weil wir nicht wissen, wie die andere Person reagiert", sagt der Trainer. Die Befürchtung sei groß, mit einem Anruf sofort in die Intimsphäre einzudringen.
Deswegen schlage die Phobie auch nur in einer expliziten Telefon-Situation zu, nämlich „wirklich nur dann, wenn ich aktiv zum Hörer greife und anrufe“, sagt Eisserer. Erhält man den Anruf, könne man selbst entscheiden, ob und wann man abheben möchte. Insofern würden die Hemmungen sowohl bei interner als auch externer Kommunikation bestehen. Verzagen müsse man dennoch nicht, erklärt der Trainer.
Raus aus der Angst
Für ein gutes Telefonat brauche es Selbstvertrauen, Schlagfertigkeit und Routine, sagt Eisserer. Wie man all das erlangt? „Zunächst müsse man sich pragmatisch eingestehen, ein Problem mit dem Telefonieren zu haben und dann einen Nutzen daraus erkennen, es häufiger zu tun." Denn die Einstellung sei maßgeblich dafür, wie wir in ein Telefonat hineingehen.
Die konkrete Umsetzung erfolgt langsam und stetig (und kann mittels Telefontraining unterstützt werden). Ein praktischer Schritt sei, fixe Telefonzeiten zu wählen. „Das weckt im Gehirn eine Vertrautheit“, sagt Eisserer und die brauche es, um auch beim Telefonieren einen Komfort zu entwickeln.
Bedeutet: Man beschließt, die wichtigsten Telefonate täglich um eine fixe Uhrzeit "hinter sich zu bringen" und dabei eine Gewohnheit zu entwickeln. Schon in einem Monat soll sich Erleichterung einstellen, sofern man auch täglich trainiere. Dabei würden Anrufe nicht automatisch nach außen gehen müssen - es können auch die Kollegen ein paar Tische weiter sein, die man sonst via Chat kontaktiert hätte.
Fühlt man sich beim Telefonieren beobachtet, hilft der Rückzug: In Telefonboxen oder andere Räume. „Das ist mit Aufwand verbunden, aber trägt zur Gewohnheit bei“, so Eisserer. Um die eigene Schlagfertigkeit zu trainieren, sollte man sich außerdem fixe Formulierungen oder Nachfragen zurechtlegen, die jederzeit angewendet werden können.
"Die kann man in 100 verschiedenen Varianten stellen und damit das Gespräch am Laufen halten", erklärt Eisserer und nennt ein Beispiel: „Gibt es etwas, das Sie mir noch mitgeben möchten?“ Fragen wie diese würden auch beim telefonischen Härtefall - der Kaltakquise - Unterstützung bieten, ein gutes Gespräch zu führen.
Wovor Eisserer warnt, sind "Telefon-Partys", bei der ein Team, um sich gegenseitig zu motivieren, zeitgleich Telefonate abarbeitet. Eine Praxis, die im Verkauf gerne zum Einsatz kommt, aber mit Vorsicht zu genießen sei: „Wenn da einer oder zwei drinnen sind, die gut geübt sind, ist das gefährlich. Weil die verängstigte Person sieht, wie weit sie davon entfernt ist.“ Nur wenn das Team auf einer Ebene wäre, würde man auch aus Telefon-Partys etwas Gewinnbringendes für die Einzelnen ziehen können.
Das große No-Go
Was man keinesfalls tun sollte: Weiterhin nicht telefonieren - denn die Angst müsse desensibilisiert werden. "Hast du Angst vor Schlangen, musst du Schlangen berühren. Hast du Angst vor dem Telefonieren, musst du den Hörer in die Hand nehmen", sagt Eisserer. Das Worst-Case-Szenario wäre ohnehin, dass jemand auflegt, sagt Eisserer. „Und das hat keine unmittelbar gesundheitlichen Folgen.“
In anderen Worten: Es gibt Schlimmeres. Und hat jemand wirklich aufgelegt, könne man auch hier nachrufen. „Nicht unmittelbar, aber wenn die Emotionen abgeflaut sind,“ so der Keynote-Speaker. Passiert das in der telefonischen Kaltakquise oder im Vertrieb: Person von der Liste streichen und das Auflegen nicht persönlich nehmen.
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