„Angst ist immer ein Signal, aufmerksam zu sein“

„Angst ist immer ein Signal, aufmerksam zu sein“
Warum Furcht Sinn macht und welche Prozesse dabei im Gehirn ablaufen.

Psychologie. Es gibt Ängste, die berechtigt sind, sagt die Entwicklungspsychologin Stefanie Höhl. Die vom 10-Meter-Turm zu springen, ist so eine. Die Forscherin beschäftigt sich an der Universität Wien unter anderem mit dem Thema Furcht.

KURIER: Warum wird manchen Menschen schon beim Anblick eines 10-Meter-Turms schummrig, nur wenn sie daran denken, hinunterzuspringen?

Stefanie Höhl: Angst ist eine evolutionär sehr tief in uns verankerte Emotion, die überlebenswichtig ist. Sie ist für uns immer ein Signal aufmerksam zu sein und mehr auf die Umgebung zu achten. Schon der Gedanke an so etwas wie große Höhe – von der man fallen könnte –, kann einem daher stocken lassen.

„Angst ist immer ein Signal, aufmerksam zu sein“

Ist Angst gelernt?

Vermutlich ist es so, dass, wie gesagt, bestimmte Ängste evolutionär sehr tief in uns verankert sind, sodass wir sie nicht von Grund auf lernen müssen. Gefahren wie große Höhe, Feuer oder bestimmte Tiere wie Schlangen oder Spinnen können unser Leben bedrohen. Ihnen waren auch schon unsere Vorfahren vor Millionen von Jahren ausgesetzt. Messer oder Steckdosen sind moderne Gefahren: Kindern ist erstmals nicht bewusst, dass von einer Steckdose Gefahr ausgeht.

Soll man die Angst überwinden oder auf sie hören?

Es gibt Ängste, die berechtigt sind und intuitive Reaktionen hervorrufen, die völlig natürlich sind. Wenn ich mir vorstelle, vom 10-Meter-Turm hinunterzuspringen, und mir dann schummrig wird, das ist das ziemlich berechtigt. Zum Problem werden Ängste dann, wenn sie krankhaft sind und die Menschen in ihrem Alltag einschränken. Etwa: Wenn sich Menschen so vor Schlangen fürchten, dass sie keine Spaziergänge machen können.

Vom 10-Meter-Turm springen oder nicht? Irgendwann trifft man die Entscheidung. Welche Prozesse laufen im Gehirn ab?

Wir haben im Gehirn recht tief liegende Strukturen, die wir auch mit anderen Wirbeltieren teilen, die unsere Stressreaktion steuern: Gerade beim Thema Furcht ist die Amygdala, der Mandelkern, sehr prominent. Die Amygdala ist mit dem ganzen Gehirn vernetzt und wirkt sich darauf aus, ob Stresshormone ausgeschüttet werden. Sie reagiert schnell und intuitiv. Das heißt: Wenn ich hohe Erregung spüre, die Ausschüttung von Stresshormonen, dann läuft die Amygdala auf Hochtouren. Nun ist die Frage, ob höhere Areale aus der Gehirnrinde diese Erregung hinunterregulieren oder nicht. Man muss sich also selbst überwinden – gegen diese ureigene Reaktion.

Wie lange braucht man für die Entscheidung?

Es kommt auch auf die Person an, wie lange. Beim ersten Sprung vom 10-Meter-Turm dauert die Entscheidung sicher länger. Wenn man dann die Erfahrung gemacht hat, es geht mir gut, fällt es Zukunft leichter, sich für den Sprung zu entscheiden. Man erfährt, die Amygdala ist hoch aktiv, aber ich kann es bewältigen.

Werden Menschen im Erwachsenenalter ängstlicher?

Das Gehirn im Jugendalter durchläuft eine ganz besondere Phase. Am Klischee risikobereiter Jugendlicher ist tatsächlich auch etwas dran. Sie sind risikobereiter und sind darin auch von sozialen Einflüssen beeinflussbar. Etwa ob Gleichaltrige etwas cool finden. Grund dafür ist, dass in dieser Lebensphase, die Amygdala, aber auch das Belohnungssystem, übermäßig aktiv sind. Gleichzeitig ist der präfrontale Cortex, der alles kontrolliert, noch nicht ausgereift. Im Erwachsenenalter gibt es sicher große Unterschiede. Auch je nachdem, welche Erfahrungen man gemacht hat.

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