Pfanne bis Kinderwagen: Wie Ewigkeitschemikalien Körper und Umwelt schaden
Ob Bettwäsche, Backformen oder Zahnseide – sogenannte Ewigkeitschemikalien sind in einer Vielzahl von Produkten enthalten, die wir täglich nutzen. Allerdings sind die mehr als 10.000 Stoffe über Jahrzehnte haltbar, reichern sich in Umwelt und Körper an und können negativ auf die Gesundheit wirken. Einzelne Stoffe wurden in der EU verboten, für andere gibt es Richtwerte, dennoch werden wir ihr Verschwinden nicht mehr erleben, meint Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Med Uni Wien. Warum das so ist, wie die Chemikalien auf den Menschen wirken und warum es fast unmöglich ist, sich vor ihnen zu schützen.
Was sind Ewigkeitschemikalien? Wo sind sie enthalten?
Gemeint ist eine Stoffgruppe, die seit den späten 1940er Jahren hergestellt wird. Bei den organischen Verbindungen mit der chemischen Bezeichnung Per- und Polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, sind die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt. Dadurch sind sie extrem stabil, wasser-, fett- und schmutzabweisend – Eigenschaften, die sich die Industrie in einer Vielzahl von Produkten zu Nutze macht: Kosmetika, Textilien wie Bettwäsche oder Outdoor-Kleidung, Kochgeschirr wie Pfannen, Papierbeschichtungen etwa bei Verpackungen von Fast Food, Feuerlöschmittel, Farben, Elektrogeräte, Kinderwagen, Ski-Wachs oder Pestiziden.
Inwiefern sind die Stoffe problematisch?
"Die Chemikalien sind für ihre Anwendungen technisch gesehen optimal, sie sind wegen ihrer hohen Stabilität nur schwer abbaubar, lassen sich praktisch kaum wieder entfernen, gelangen daher aber leicht in die Umwelt und weiter in Tier und Mensch. Wir können sie praktisch überall nachweisen, im Boden, im Wasser, in der Luft bis hin in uns selbst und das weltweit", betont Hutter. Internationale Analysen zeigten auf, dass PFAS selbst in den entlegensten Gebieten der Erde, auch in unbesiedelten wie den Polarregionen und in der Tiefsee, nachweisbar sind. Die lange Halbwertszeit hat ihnen die Bezeichnung Ewigkeitschemikalien eingebracht. Ihre Beseitigung und die Sanierung belasteter Böden und von Grundwasser seien sehr aufwändig und dadurch teuer, meint Hutter. Vollständig zerstört werden sie nur bei sehr hohen Temperaturen in Sonderabfallverbrennungsanlagen, die allerdings nicht ausreichend vorhanden sind, heißt es beim deutschen Umweltministerium.
Auswertungen zeigen zwar, dass die Belastung mit PFAS seit den 1980er Jahren abgenommen hat. "Gleichzeitig wissen wir aber immer mehr darüber, dass schon bei sehr geringen Konzentrationen Effekte auf Mensch und Umwelt sichtbar werden. Einzelne Stoffe der Gruppe sind inzwischen schon länger in der EU verboten, man kann sie aber nach wie vor nachweisen", sagt Mediziner Hutter. Bei der Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit wurde die allgegenwärtige Belastung von Kindern und Jugendlichen mit PFAS bestätigt. Die Blutkonzentration lag im Mittel über alle Studien bei 15 Prozent über der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmemenge (TWI), in einzelnen Studien bei 20 Prozent darüber.
Was weiß man über die Wirkung von PFAS im menschlichen Körper?
In den Körper gelangen die Stoffe hauptsächlich über Trinkwasser und Lebensmittel, aber auch über die Atemwege und über die Haut. Am häufigsten nachweisbar sind sie laut der österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) in Fisch, Obst, Eiern und Eiprodukten. "Über den Magen-Darm-Trakt werden sie fast vollständig aufgenommen, gelangen ins Blut und in die inneren Organe, etwa in Leber und Nieren. Die akute Toxizität (schädliche Wirkungen innerhalb von 24 Stunden, Anm.) ist sehr gering und betrifft eher Personen, die beruflich mit PFAS zu tun haben. Sie reichern sich aber im Körper an und können langfristige Auswirkungen auf die Gesundheit haben“, erklärt Hutter. PFAS wurden etwa im Blut, im Harn und in Muttermilch nachgewiesen. Je nach Stoff kann die Halbwertszeit im menschlichen Organismus bis zu mehrere Jahre betragen.
Laut Umweltbundesamt zeigten sich im Tierversuch lebertoxische, krebserregende und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften. So wurden etwa eine Erhöhung des Cholesterinspiegels und eine verminderte Immunantwort auf Standard-Impfungen bei Kindern im Sinne einer Schwächung des Immunsystems beobachtet.
Gibt es Grenzwerte oder andere Regulierungen der Stoffe?
Einzelne Stoffe wie die häufig nachweisbaren Verbindungen PFOS (Perfluoroctansulfonsäure), PFOA (Perfluoroctansäure) und PFHxS (Perfluorhexansulfonsäure) wurden in Europa in den vergangenen Jahren verboten oder ihre Verwendung und Herstellung eingeschränkt. Seit Anfang 2023 gelten in der EU Höchstgehalte für vier PFAS (PFOA, PFOS, PFNA; PFHxS) sowie deren Summe in Eiern, Fisch, Krebstieren und Muscheln, Fleisch und genießbaren Schlachtnebenerzeugnissen. Werden diese überschritten, dürfen die Lebensmittel nicht verkauft werden. Die wöchentlich tolerierbare Aufnahmemenge für die vier PFAS, die bei lebenslanger Aufnahme keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen erwarten lässt, wurde in den vergangenen Jahren auf Basis von Studien mehrfach sehr deutlich herabgesetzt.
2023 hat die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) zudem einen Vorschlag für ein Verbot der Herstellung, der Verwendung und des Inverkehrbringens von mindestens 10.000 PFAS veröffentlicht. "Das Ziel dieses Papiers ist praktisch für alle PFAS ein Verbot zu erwirken, ich kenne kein größeres, umfassenderes Verbot von Stoffen in Europa. Ich bin gespannt, ob es umgesetzt wird. Falls ja, wird es voraussichtlich Ausnahmeregelungen geben. Außerdem muss die Industrie sichere Alternativstoffe finden, was sehr schwierig ist. Erfahrungsgemäß ist jedenfalls mit Widerstand der Industrie zu rechnen", meint Hutter.
Problematisch bei Alternativen sei, dass auch diese umfassend getestet werden müssten, um nicht erneut vor demselben Problem zu stehen. Hutter: "Wenig bekannt ist, dass PFAS auch in Medikamenten enthalten sind, etwa in Augentropfen oder Asthmasprays. Es ist ein schwieriger Weg, einerseits die Umwelt und den Menschen zu schützen, andererseits muss es weiterhin Versorgungssicherheit bei diesen entsprechenden Arzneimitteln geben. Soweit sind wir aber noch nicht."
Kann man PFAS als Konsument meiden? Gibt es Kennzeichen bei Produkten?
Die Stoffe unterliegen keiner Kennzeichnungspflicht. Man kann in der Regel nicht erkennen, ob ein Produkt PFAS enthält. Wird von Herstellern mit "PFAS-frei" geworben, sollte tatsächlich keiner der Stoffe enthalten sein. Hinwies darauf, dass PFAS enthalten sind, bieten Bezeichnungen wie "Antihaftbeschichtung" bei Kochgeschirr, auch "wasserabweisend", "ölabweisend" oder "fleckenabweisend" können Hinweise geben, dass PFAS verwendet wurden. Generell rät Umweltmediziner Hutter dazu, möglichst nur das zu kaufen, was unbedingt nötig ist. "Die Begrenzung von PFAS einfach nur auf die Bevölkerung abzuwälzen ist fahrlässig. Es gibt seit mehr als 15 Jahren Bestrebungen, Ewigkeitschemikalien einzuschränken, viele Verbindungen wurden zwar schon verboten, aber wir wissen, dass sich die Industrie den Regulierungen gekonnt entzogen hat und daher die derzeitigen regulatorischen Maßnahmen nicht ausreichen, um die ökologischen und gesundheitlichen Risiken dieser Stoffgruppe ausreichend zu reduzieren", sagt Hutter.
Kommentare