Erstmals in Österreich Herz nach Stillstand für Transplantation reanimiert
Österreich ist das erst fünfte Land weltweit – und das erste im deutschsprachigen Raum – in dem ein Herz nach dem Tod durch einen Herz-Kreislauf-Stillstand beim Patienten für eine Transplantation verwendet werden konnte - es wurde sozusagen reanimiert und wieder zum Schlagen gebracht. Das sagte Andreas Zuckermann, Leiter des Herztransplantationsprogramms von AKH/MedUni Wien, am Montag zum KURIER. Geleitet und durchgeführt wurde der Eingriff in der vergangenen Woche von seiner Stellvertreterin, der Herzchirurgin Arezu Aliabadi. Sie war am Montag bereits wieder im Operationssaal im Einsatz.
"Die Amerikaner waren als viertes Land nur 24 Stunden vor uns", sagte Zuckermann. Australien, England und Belgien waren zuvor die einzigen Länder gewesen, die derartige Organentnahmen durchgeführt hatten. Die Kronen Zeitung hatte zuvor über den Fall berichtet.
2017 kaufte das AKH auf Initiative von Günther Laufer, dem Leiter der Herzchirurgie am Wiener AKH / MedUni Wien, ein sogenanntes "Organ Care System" der Firma TransMedics an: Dabei handelt es sich um eine Herz-Lungen-Maschine im Kleinformat: "Sobald ein stillstehendes Herz in dieser Maschine mit sauerstoffreichem Blut und Nährstoffen durchspült wird, beginnt es von selbst zu schlagen." Der Fachbegriff lautet „Donation after Circulatory Death“ (Organspende nach Kreislauftod, im Unterschied zu "Donation after Brain Death", Organspende nach Hirntod) und wird bereits bei anderen Organen angewandt.
Transplantationen bei Herzstillstand bisher nicht möglich
Normalerweise wird bei einer Transplantation nach der Diagnose des Hirntodes des Spenders sein Kreislauf durch intensivmedizinische Maßnahmen solange aufrecht erhalten, bis das Herz entnommen wird. Deshalb schlägt es auch bis unmittelbar vor der Entnahme.
Dadurch können die Herzchirurgen das Herz vor der Entnahme auch untersuchen, ob es tatsächlich für die Transplantation geeignet ist. "Hat das Herz aufgehört zu schlagen, konnten wir das bisher nicht testen", sagt Zuckermann. Deshalb konnten Organe nach einem Herzstillstand bisher nicht für Transplantationen genützt werden.
In dem konkreten Fall war es bei dem Organspender nicht möglich, den Hirntod zu diagnostizieren. Da es für den Patienten aber keine Therapiemöglichkeit und keine Überlebenschance mehr gab, entschieden die Ärzte des behandelnden Spitals in Übereinstimmung mit der Familie des Patienten, die Therapie einzustellen – ganz unabhängig vom Thema einer möglichen Organspende. Danach wurde mit der Familie besprochen, ob es eine Bereitschaft zur Organspende gibt. Und es wurde das Widerspruchsregister befragt, ob es einen Widerspruch zu einer Organspende gibt.
Nachdem die behandelnden Ärzte und die Familie das Therapieende beschlossen hatten, wurde die künstliche Beatmung gestoppt und die Therapie beendet. "Es hat rund zehn Minuten gedauert, bis das Herz aufgehört hat zu schlagen." Nach Einsetzen des Herzstillstandes muss gesetzlich zehn Minuten gewartet werden, ob der Herzstillstand tatsächlich unumkehrbar ist. In vielen anderen Ländern beträgt diese Frist nur fünf Minuten. Nach den zehn Minuten stellten die Anästhesisten den Kreislauftod fest.
"Anschließend dauerte es weitere drei Minuten, bis die Herzchirurgin Arezu Aliabadi das Herz zuerst mit einer Kühllösung durchspülen, entnehmen und an die Maschine anhängen konnte", erläutert Zuckermann.
"Begann sofort zu schlagen"
In dieser wurde es folglich mit sauerstoffreichem Blut und Nährstoffen durchspült: "Es begann sofort zu schlagen und hat sich überraschend rasch erholt. Das war auch für uns faszinierend zu sehen." Erst als die Ärzte sahen, wie gut sich das Herz erholte und dass die Pumpleistung ausreichend war, wurde die Entscheidung getroffen, es für eine Transplantation zu verwenden. Beim Transport in einer Kühlbox, wie bisher üblich, wäre es nicht möglich gewesen, die Herzfunktion zu überprüfen.
Empfänger ist ein 61-jähriger Patient am Wiener AKH aus Niederösterreich. Er hat den Eingriff gut überstanden.
Zuvor hatten die Ärzte des Wiener AKH das System an drei hirntoten Spendern getestet – bei ihnen hatte das Herz aber noch geschlagen.
Die Herzchirurgen hoffen, mit dieser Technik die Zahl der verfügbaren Organe für Herztransplantationen um 25 bis 30 Prozent steigern zu können - "wir hoffen auf rund 15 Organe mehr pro Jahr", sagt Günther Laufer, Chef der Herzchirurgie.
Längere Transportmöglichkeiten
Für das neue System gibt es aber auch noch einen zweiten Einsatzbereich: In einer Kühlbox kann ein Spenderherz rund vier Stunden aufbewahrt werden – mit dem neuen System deutlich länger. Bereits 2007 wurden im Rahmen einer Studie in Wien einige Transporte damit durchgeführt. Die längste Zeit, die ein Herz in Wien in dieser Maschine war, betrug rund sechs bis sieben Stunden.
Österreich zählt zu den ersten Ländern, die dieses System in größerem Rahmen einsetzen werden. "Wir bekommen immer wieder Organe aus dem Ausland angeboten, die wir bisher wegen einer zu langen Transportzeit ablehnen mussten. Mit dem neuen System können wir den Pool an potenziellen Spendern ausweiten und Organe akzeptieren, deren Annahme wir uns bisher nicht getraut haben."
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