Endgültig geklärt: Lungenkrebs-Screening bei Rauchern hilft
Eine wichtige medizinische Frage scheint endgültig geklärt zu sein: Regelmäßige Low-Dose-Computertomografie-Untersuchungen bei schweren Rauchern und Ex-Rauchern reduzieren die Sterblichkeit durch Lungenkrebs um ein Viertel, bei Frauen sogar um ein Drittel. Das hat nunmehr die zweite große internationale Studie (NELSON-Untersuchung) zu diesem Thema mit 15.789 Teilnehmen ergeben.
Die wissenschaftliche Arbeit von belgischen und niederländischen Wissenschaftern ist Ende vergangener Woche im New England Journal of Medicine publiziert worden. Die Resultate bestätigen ähnliche Ergebnisse einer US-Wissenschaftergruppe (mehr als 20.000 Teilnehmer, Mortalitätsreduktion um minus 20 Prozent durch Screening) vor einigen Jahren und sprechen deutlich für die Etablierung von Lungenkarzinom-Screeningprogrammen für schwere Raucher und Ex-Raucher mit vielen "Pack Years" im Alter ab etwa 50 Jahren.
In die NELSON-Studie flossen die Daten von 15.789 Probanden ein. Es handelte sich um 13.195 Männer und 2.594 Frauen. Die Probanden waren langjährige Raucher (50 bis 74 Jahre, mehr als zehn Zigaretten täglich über 30 Jahre hinweg oder mehr als 15 Zigaretten täglich für 25 Jahre bzw. Rauchstopp innerhalb der vorangegangenen zehn Jahre). Die eine Hälfte wurde zu Beginn, nach einem, drei und 5,5 Jahren zu CT-Untersuchungen auf verdächtige Veränderungen in der Lunge einberufen, die andere Hälfte nicht.
Früherkennung rettet Leben
Das sind die Ergebnisse aus der neuen Studie: "Die kumulative Todesrate durch Lungenkrebs nach zehn Jahren lag in der Screening-Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe beim Faktor 0,76, ähnlich auch wie nach acht und neun Jahren. Unter den Frauen lag die Rate beim Faktor 0,67 (...)", schrieben die Autoren im New England Journal of Medicine. Das bedeutet, dass die Früherkennung bei den Untersuchten insgesamt die Häufigkeit eines Todes durch ein Lungenkarzinom um 24 Prozent und in der Gruppe der Frauen de facto um ein Drittel reduzierte. Nur 16 Prozent der Probanden waren Frauen. Rechnet man die Resultate auf eine repräsentative Bevölkerungsgruppe von langjährigen Rauchern um, könnte sich eine erreichbare Verringerung der Lungenkrebsmortalität um 33 bis 44 Prozent ergeben. Das wären für Österreich deutlich mehr als 1.000 gerettete Menschenleben jährlich.
In der Studie gab es über die gesamte Laufzeit hinweg eine Häufigkeit von verdächtigen Lungenveränderungen von 2,1 Prozent. Bei 9,2 Prozent wurde eine zusätzliche CT-Untersuchung wegen unklarer Befunde durchgeführt. Für den Erfolg und die Genauigkeit dürfte auch der Umstand beigetragen haben, dass bei den Probanden mit CT-Untersuchung auch jeweils das Volumen von möglichen "Herden" bestimmt und wiederholt gemessen wurde.
Bei weltweit enormen Erkrankungs- und Todeszahlen durch das zu 90 Prozent durch das Rauchen bedingte Lungenkarzinom wäre eine Frühest-Erkennung noch symptomloser Erkrankungen extrem wichtig. "Wir hatten 2017 weltweit 1,9 Millionen Tode durch das Lungenkarzinom. Das war im Vergleich zu 2007 eine Steigerung um 29 Prozent. In Europa starben zuletzt pro Jahr 388.000 Menschen an Lungenkrebs", sagte Florian Huemer (Otto Wagner Spital/Wien) im vergangenen Dezember bei einer Tagung in Wien. Die Tendenz zeigt überall nach oben, auch in Österreich: Bis zum Jahr 2030 wird in Österreich bei Frauen und Männern ein Plus der Lungenkrebserkrankungen von 91 Prozent gegenüber dem Jahr 2014 prognostiziert.
Über 4.000 Lungenkrebstote
In Österreich gab es 2018 laut Statistik Austria 4.053 Lungenkrebstote. Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Entdeckung eines Lungenkarzinoms im Stadium I liegt bei 77 bis 91 Prozent, im Stadium IV nur noch bei fünf Prozent. In Österreich werden derzeit ohne etabliertes Screening 76 Prozent der Lungenkarzinome im Stadium III oder IV entdeckt, das bedeutet eine Fünf-Jahres-Überlebensrate von zehn bzw. drei Prozent.
Das Institut für Höhere Studien (IHS) hat die jährlichen Kosten durch das Rauchen in Österreich mit 2,41 Milliarden Euro berechnet. Für ein Lungenkarzinom-Screening kämen derzeit - wenn man die Personencharakteristika der NELSON-Studie für die Auswahl heranzieht - rund 384.000 Menschen infrage. Entscheidend ist, dass ausschließlich Personen mit hohem Risiko im Rahmen eines solchen Programms zu den CT-Untersuchungen verwiesen werden. Ablauf und Qualitätssicherheit müssten geklärt werden. In Tirol soll bis Ende dieses Jahres ein Pilotprojekt etabliert werden.
Kommentare