Doktor Hund: Was die Vierbeiner im Gesundheitswesen leisten
„Fantasy for Ever“ erwies sich als Musterschülerin. In sechs Monaten lernte die Schäferhündin, Mund-Nasen-Schutz von Corona-Patienten von Masken Gesunder zu unterscheiden; ihre Treffsicherheit lag zuletzt bei mehr als 80 Prozent. Nun wird die Spürhündin umgeschult. Wie ihr Arbeitgeber, das Österreichische Bundesheer, kürzlich mitteilte, soll sie künftig das RS-Virus identifizieren; dieses verursacht vor allem bei Kindern gefährliche Atemwegserkrankungen.
Hunde riechen menschliche Spuren Meter gegen den Wind, unter Schutt und unter Schnee. Sie finden Falschgeld und Trüffel, Schmuggelware, Schimmel oder Schädlinge. Immer häufiger assistieren die Vierbeiner auch im medizinischen Bereich. Bei entsprechendem Training können insbesondere langschnauzige Rassen z. B. Lungenkrebs im Blut erkennen, Prostatakrebs im Urin, Gebärmutterhalskrebs an Damenbinden oder einen bedrohlichen Blutzuckerspiegel im Atem.
Geruchsmoleküle
„Hunde können alles erschnüffeln, was Geruchsmoleküle hinterlässt. Wir sehen die medical dogs trotzdem sehr kritisch“, sagt Karl Weissenbacher von der Vetmeduni Wien. Der Leiter der Prüf- und Koordinierungsstelle Assistenz- und Therapiebegleithunde führt denn ethische Bedenken an und stellt die Sinnhaftigkeit in Frage.
Geruchsarbeit ist enorm anstrengend
Prinzipiell sind Hunde die geborenen Nasenarbeiter. Zum einen ist die Schleimhaut in ihrer Nasenhöhle besonders groß. Zum anderen verwenden sie viel Hirn zum Einordnen von Gerüchen. Nicht zuletzt können die domestizierten Wölfe dreidimensional riechen, linkes und rechtes Nasenloch liefern dem Denkorgan unterschiedliche Duftinformationen. Etwa 200 Millionen Riechrezeptorzellenbefinden sich bei Hunden – je nach Rasse – in der Nasenschleimhaut. (Dagegen registrieren Menschen Düfte mit nur maximal zehn Millionen Geruchszellen.) Besonders gut für die Nasenarbeit eignen sich lange Schnauzen wie vom Schäferhund oder Golden Retriever. Diese anatomische Ausstattung qualifiziert Hunde zur medizinischen Ausbildung; ein reges, soziales Gemüt, ein ruhiger Charakter und ein ausgeprägter Beutetrieb sind ebenso zuträglich.
Fehleranfälliger als ein Laborgerät
Die Voraussetzungen garantieren trotzdem keinen guten Doc Dog. „Screening direkt am Menschen lehnen wir ab“, sagt Weissenbacher. Selbst mit Bestnoten kann die feine Nase Fehlalarm auslösen bzw. das Anzeigen vom Team-Kollegen missinterpretiert werden. Die Ungewissheit belastet den potenziellen Patienten in jedem Fall. Maschinell ausgewertete Proben dagegen liefern in der Regel verlässliche Ergebnisse.
Ineffektiv und teuer
Doch auch wo Labor-Technik fehlt, stößt der Arzt auf vier Pfoten an seine Grenzen. „In Afrika etwa erschöpft die Hitze die Hunde noch schneller. Außerdem gibt es dort eine andere Halterkultur“, sagt der Veterinärmediziner. Darüber hinaus ist die Ausbildung zum spezialisierten Spürhund aufwendig und teuer, die Arbeitszeit begrenzt. Nach spätestens zwanzig Minuten braucht die Spürnase Pause; das Schnüffeln ist extrem anstrengend. Das Pensionsantrittsalter liegt bei sieben, acht Jahren. Am Ende des Tages kommt eine technische Lösung günstiger.
Unübertroffen in der Therapie
In anderen Bereichen freilich sind die tierischen Hilfskräfte unersetzlich: „Mit Assistenz- und Therapiebegleithunden schafft man ganz andere Voraussetzungen“, sagt Weissenbacher in eigener Sache. Ein Fellfreund kann Therapeut für Körper und Seele sein.
Dem Hund zuliebe legen sich Patienten mehr ins Zeug. Körperbehinderte strengen sich grob- und feinmotorisch mehr an, Demente lassen sich besser zum Mitmachen motivieren. Sozial Isolierte knüpfen über den tierischen Begleiter – Streicheln nur nach Rücksprache mit dem Besitzer – Kontakte. „Ein Diabetikerwarnhund kann gerade bei Kindern Imbalancen schneller erkennen“, nennt der Experte am Messerli Forschungsinstitut eine Exklusivleistung. Die Ausbildung, die nach demselben Prinzip wie bei Spürhunden über positive Verstärkung von gewünschtem Verhalten abläuft, zahlt sich jedenfalls aus.
Auch „Fantasy for Ever vom Seetalblick“ leistet hervorragende Dienste beim Heer: Das Militärhundezentrum in Kaisersteinbruch sorgte mit seinem prestigeträchtigen Projekt für Aufsehen über die Landesgrenze hinaus.
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