Im Gesundheitsministerium sieht man das naturgemäß anders. Auf KURIER-Nachfrage heißt es, dass man sehr wohl Schritte gesetzt habe, um Menschen, die an Long Covid erkrankt sind, zu behandeln. Wobei zu den Spätfolgen einer Infektion weitaus mehr Symptome gehören als nur die chronische Müdigkeit: In der Literatur werden mehr als 200 Symptome beschrieben.
Das macht die Diagnose oft so schwierig. Diese soll dennoch von der Primärversorgung, allen voran den Hausärzten, gestellt werden. Als Unterstützung gibt es einen Leitfaden, wie Long Covid diagnostiziert und behandelt wird. Zusätzlich ist ein Online-Tool geplant, das die Mediziner bei ihren Diagnosen und Behandlungen unterstützt.
Derzeit arbeite man auch daran, „eine exakte Problemerfassung inklusive Lückenidentifizierung in der Versorgung von Long-Covid-Betroffenen aufzubereiten“, heißt es aus dem Büro von Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein. Dabei soll ein multidisziplinärer Ansatz verfolgt werden.
Die Frage der Daten
Doch daran, dass eine solche Problemerfassung überhaupt möglich ist, hat die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz so ihre Zweifel: „Gerade im niedergelassenen Bereich gibt es immer noch keine Diagnose-Codierung“, gibt sie zu bedenken. Heißt: Die Mediziner dokumentieren nirgends, wem sie welche Diagnose stellen. Bei Krankheiten wie Diabetes kann man Rückschlüsse aufgrund von Medikamenten ziehen. Bei Long Covid ist das schwierig, weil die Symptome und Behandlungen so vielfältig sind. „Deshalb müsste zuerst eine generelle Diagnose-Codierung eingeführt werden“, fordert Pilz.
„Aussagekräftige Daten sind nämlich die unverzichtbare Grundlage, damit man einen Plan für die Versorgung der Menschen machen kann“, sagt Pilz. Das gelte nicht nur für Long Covid, sondern auch für alle anderen Krankheiten. Man müsse wissen, welche Schwerpunkte welche Region braucht. Darauf kann man entsprechende Strukturen aufbauen. Bei Corona sind das auch Spezialisten, die interdisziplinär arbeiten.
Dabei gehe es nicht nur um Ärztinnen und Ärzte, sondern auch um Rehabilitationsplätze. Da gebe es in einigen Bereichen jetzt schon einen Mangel, kritisiert die Patientenanwältin, genauso wie in der medizinischen Versorgung. Das habe die Pandemie jedem deutlich gemacht.
Beispiel sei die Kindermedizin, insbesondere die psychotherapeutische und psychiatrische Betreuung. „Beides sind seit Jahren Stiefkinder in der Medizin“, ärgert sich Pilz und fordert: „Für die Behandlung von Long-Covid-Patienten muss eine entsprechende Versorgung endlich aufgebaut werden. Nicht nur für Privatpatientinnen und -patienten.“ Doch selbst für die gibt es nicht genügend Plätze, wie der Blick in Michael Stingls Praxis zeigt.
Kommentare