Zukunftsforscher: "Den ersten unsterblichen Menschen gibt es schon"

Ewiges Leben ist ein Menschheitstraum. Und zurzeit noch eine Frage des Geldes. Tech-Milliardäre wie Google-Mitbegründer Larry Page oder Paypal-Investor Peter Thiel pumpen Millionen in die Forschung. Auch Amazon-Gründer Jeff Bezos und Investor Yuri Milner wollen dem Ziel, den Alterungsprozess zu stoppen, näherkommen und investieren Millionen in ein Biotechnologie-Start-up namens Altos Labs.
Auch Corona-Lockdown-Guru Tomas Pueyo glaubt: „Wir sind entweder die letzte Generation, die stirbt, oder die erste, die ewig lebt.“
Wissenschafter weltweit forschen daran, wie die komplexen Gesetze des biologischen Alterns verändert werden können. Altersforscher schätzen, dass die Lebenserwartung in den nächsten Jahren dank neuer Technologien steigt.
Ein Alter von 122 Jahren wie es der bisher älteste Mensch der Welt, die Französin Jeanne Calment erreichte, soll dann keine Seltenheit mehr sein. Aber wollen wir das überhaupt?
Über 110-Jährige betonen stets Fluch und Segen ihres Alters. Grund dafür sind körperliche Beschwerden und alterstypische Krankheiten wie Demenz und Krebs. Gleichzeitig wirft ein langes Leben viele Fragen auf: Wie mit den begrenzten Ressourcen des Planeten umgehen? Wie unsere Tage gestalten? Schließlich treibt uns die Angst vor dem eigenen Ende an wie ein Motor, meint etwa der US-Philosoph John Martin Fischer.
Glaubt man dem deutschen Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky, wird es bereits in den nächsten 10 bis 15 Jahren gelingen, Krankheiten zu reduzieren. Bald schon könnten Ersatzorgane aus dem 3-D-Drucker und Eingriffe in unsere Gene massentauglich sein. Wie selbst die Grenzen des menschlichen Körpers eines Tages überschritten werden könnten, erklärt Gábor Jánszky im Interview mit dem KURIER.
KURIER: Herr Jánszky, Sie sagen, dass wir uns bald von Medical Food aus dem 3-D-Drucker ernähren. Was ist das, was haben wir davon?
Jánsky: Gedrucktes Essen gibt es bereits und Studien beziffern, dass im Jahr 2040 etwa 60 Prozent der Weltnahrungsproduktion auf diese Weise passieren. Der 3-D-Drucker sorgt für eine günstige Produktion von Nahrungsmitteln. Gleichzeitig treibt die Technologie die Entwicklung von Medical Food voran, das sind Nahrungsmittel, in die genau die Stoffe hineingedruckt sind, die jemand braucht. Wir werden aus verschiedenen Quellen Echtzeitdaten aus dem menschlichen Körper haben. Ich denke zum Beispiel an eine smarte Toilette, wo Sensoren den Bakterienmix messen. Verbinde ich diese Daten mit einer Genomanalyse (Anm.: Analyse des Erbgutes), weiß ich, wie das ideale Mikrobiom aussehen muss. Die einfachste Konsequenz: In mein Rührei werden genau die Wirkstoffe hineingedruckt, die fehlen.

Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky.
Und wer ein Organ braucht, bekommt es ebenfalls aus dem 3-D-Drucker?
Herzen werden schon länger gedruckt, allerdings noch nicht perfekt. Wir gehen in den Prognosen davon aus, dass es noch 10 bis 15 Jahre bis zum Massenmarkt dauert. Allerdings wird ein Herz nicht in einer halben Stunde gedruckt, das Gewebe muss zusammenwachsen. Menschen werden sich Stammzellen entnehmen und sie einfrieren lassen. Später können Ersatzorgane gedruckt und eingefroren werden. US-Forscher wollen noch in diesem Jahr die erste interkontinentale Transplantation durchführen. Sie wollen eine Niere in den USA entnehmen, einfrieren und in Europa wieder einsetzen. Die Vision ist, dass große Krankenhäuser in ihren Kellern riesige Kältekammern mit gedruckten Organen haben, die bei Bedarf eingesetzt werden.
Thinktank Sven Gábor Jánszky, geboren 1973 in Sachsen, ist deutscher Zukunftsforscher und Geschäftsführer des 2b Ahead Thinktanks in Leipzig. Die Prognosen des Politikwissenschafters basieren auf Tiefeninterviews mit Strategiechefs großer Unternehmen.
Trendstudien Regelmäßig veröffentlicht Jánszky Trendstudien, die sich im Fünf-Jahres-Rhythmus der Zukunft unterschiedlicher Lebensbereiche widmen. Zuletzt erschien sein Buch „2030: Wie viel Mensch verträgt die Zukunft“
Sie gehen auch davon aus, dass Genomanalysen massentauglich werden.
Der Preis dafür sinkt ständig und die Analyse des eigenen Genoms wird schon in den nächsten fünf bis zehn Jahren völlig normal werden. Man erhält derzeit nicht alles, was möglich ist – noch haben wir in Europa Restriktionen. Medizinischen Daten dürfen nur weitergegeben werden, wenn es eine Prädisposition für eine genetische Krankheit gibt. Künftig wird es einen Genome based Lifestyle geben, das heißt, was ich esse, wie ich mich bewege, alles, was mit dem Körper zu tun hat, basiert auf den eigenen Genen.
Heißt das in einem weiteren Schritt, dass die Gene verändert werden? Wie weit darf man in die DNA eingreifen?
Schon heute gibt es Genscheretherapien, mithilfe derer genetisch angelegte Krankheiten, also Mutationen, die zu Krankheiten führen können, „herausgeschnitten“ werden können. Es dauert aber noch um die 30 Jahre, bis das für die Mehrheit genetisch angelegte Krankheiten verfügbar und so günstig ist, dass es wirklich massentauglich ist. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass unterschiedliche Regionen in der Welt unterschiedlich mit dieser Frage umgehen. Das größte Genetikinstitut der Welt, das Beijing Genomics Institute, ist in China. In meinem Buch „2030“ ist ganz bewusst ein ansteigender Tourismus nach Singapur beschrieben. Klar, ethisch ist es umstritten. Natürlich müssen wir darüber reden, es gibt Menschen, die wollen das nicht. Nach unserer Prognose sieht die Mehrzahl aber einen Nutzen.
Wird Kranksein ein Auslaufmodell?
Nicht alle Krankheiten werden verschwinden und auch Unfälle wird es weiter geben. Heute wird Krankheit aber oft als bedauernswerter Schicksalsschlag wahrgenommen. Wenn diese Technologien tatsächlich auf dem Massenmarkt verfügbar sind, ist Krankheit aber kein Schicksalsschlag mehr, sondern die Dummheit einer Person, die es besser wusste, aber nicht entsprechend gehandelt hat. Diese Technologien führen dazu, dass wir unsere Einstellung zu Krankheit verändern.
Wenn wir die Gene beeinflussen, Organe lagern, kaum krank werden – rückt das ewige Leben näher?
Wir haben in den letzten 200 Jahren das Lebensalter der Menschen verdoppelt – von 40 auf 80 Jahre, was eine wahnsinnige Leistung der Medizin ist. Jetzt werden wir es weiter erhöhen, nicht verdoppeln, aber vielleicht von 80 auf 120. Natürlich führt das zu der Frage, wie man mit so vielen Menschen auf der Welt umgeht. Es wird Länder geben, die werden das quotieren, z. B. in einer Familie darf nur ein Mensch entstehen, wenn ein Mensch geht. In unserem Kulturkreis, wo wir sehr auf die Selbstverantwortung setzen, wird nach heutiger Prognose eher eine Kulturtechnik einziehen, dass man z. B. zu seinem 100. Geburtstag in eine Klinik geht und entscheidet, ob es weitergehen soll. Soll es weitergehen, dann lasse ich mir Ersatzteilorgane einsetzen, oder es könnte digital weitergehen.
Digital?
Da schwingt die Prognose mit, dass wir in den nächsten 50 bis 100 Jahren es schaffen, das Gehirn in einem Computer nachzubilden und zu kopieren. Vor dem Tod gibt es dann einen Brainupload und es geht auf eine Weise digital weiter, die ich noch nicht abschätzen kann, aber es werden Milliarden hineininvestiert. Wenn das Durchschnittsalter für die Generation unserer heutigen Kinder tatsächlich auf 120 steigt, sage ich provokant: Den ersten unsterblichen Menschen gibt es schon. Mein Sohn ist sieben Jahre alt. Die Wahrscheinlichkeit, dass, wenn er 120 Jahre alt ist, dieser Upload möglich ist, ist relativ hoch.
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