Coronavirus: Wie eine "zweite Welle" vermieden werden soll
Damit es nach der Lockerung der Maßnahmen gegen das neuartige Coronavirus nicht zur unkontrollierten "zweiten Welle" kommt, setzen die österreichischen Behörden auf Clusteranalysen und Contact Tracing. Weil Infizierte schon vor dem Beginn von Symptomen andere anstecken können, ist die Zeitspanne, einen angesteckten Menschen zu finden, kurz.
"Ist das serielle Intervall - wie bei Covid-19 - kürzer als die mittlere Inkubationszeit, stecken Infizierte weitere Menschen schon vor dem Ausbruch der Symptome an. Diesen kurzen Zeitraum hat man also Zeit, den angesteckten Menschen zu finden und zu quarantänisieren, damit weitere Übertragungen verhindert werden können", erläuterte Daniela Schmid, Leiterin der Abteilung Infektionsepidemiologie der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit). "Wir nehmen zwei Tage vor Beginn der Symptome als Start der Suche nach Kontakten, da es nachgewiesen präsymptomatische Übertragungen gibt." Die Expertin wurde vom Science Media Center Germany (SMC) zu Clusteranalysen befragt. Das serielle Intervall meint die Zeit vom Beginn der Erkrankung einer Person bis zum Beginn der Erkrankung einer weiteren von ihr infizierten Person in einer Infektionskette.
"Ein Cluster ist nach Definition der WHO eine Häufung an Fällen nach Zeit oder Ort beziehungsweise eine Häufung von Fällen, die sich durch eine gemeinsame Exposition auszeichnen, beispielsweise eine gemeinsame Reise, der Besuch einer Party oder eines Kochkurses", erklärte Schmid weiter. Das Auffinden eines Clusters läuft so ab: "Durch rasche PCR-Tests können wir einen neuen Infektionsfall feststellen, von dem aus wir dann mit klassischem Case and Contact Tracing die weitere Analyse starten. Wir suchen also bis zu 14 Tage - der maximalen Inkubationszeit - rückwärts nach einem Kontakt, bei dem sich der Fall angesteckt haben kann, dem Primärfall. Vom Erkrankungsdatum des Indexfalls aus suchen wir dann auch wiederum zwei Tage rückwärts und bis zur Isolation des Falls nach weiteren Kontakten, die der identifizierte Fall angesteckt haben könnte. Das sind Menschen, die kumulativ mehr als 15 Minuten engen Kontakt hatten, die eine Tröpfchenübertragung möglich gemacht hätte."
Die Kürze des seriellen Intervalls bei SARS-CoV-2 mache das Virus so tückisch: "Ich habe einfach wenig Zeit, die Kontakte in den Folgegenerationen ausfindig zu machen, bevor sie selbst zum Fall und damit zum Spreader werden", so die Expertin laut SMC.
Beim Contact Tracing werden Fälle und Kontakte mithilfe eines standardisierten Fragebogens befragt, wann sie Symptome entwickelt haben und welche. Der Erkenntnisgewinn hängt dabei einerseits von der Erinnerung an das Erkrankungsdatum ab. "Andererseits haben sich aber auch im Zeitverlauf die abzufragenden Symptome verändert. Zu Beginn waren das vor allem trockener Husten und Fieber, mit der Zeit sind Geruchs- und Geschmackslosigkeit hinzugekommen, die vielleicht sogar früher auftreten. Somit haben wir zu Beginn die Dauer der Erkrankung unterschätzt und andere Kontaktpersonen verfehlt", berichtete Schmid. Schwer tun sich viele Menschen auch damit, sich zu erinnern, welchen Aktivitäten sie nachgegangen sind, wo Kontakte stattgefunden haben können. Vor dem Lockdown sei das noch ein viel größeres Problem gewesen.
"Hier in Österreich möchte die Regierung am liebsten, dass ab sofort jeder kleinste Ausschlag in den Fallzahlen erfasst wird und einer Transmissionskette zugeordnet wird", zitierte SMC die Epidemiologin. "Deutschland wird dabei ein bisschen als Vorbild angebracht mit seinen speziellen Scouts für das Contact Tracing. Ein solches Konzept ist in der hiesigen Struktur kaum möglich." Man müsse die lokalen Gesundheitsstrukturen "da stärker unterstützen", zudem werde man nie in der Lage sein, "jeden einzelnen Fall retrospektiv einer Häufung zuzuordnen". Je geringer das Niveau der aktuellen Fallzahlen wird, desto eher könne man aber Fälle auch kleinen Clustern zuordnen.
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