Warum ist die Besorgnis so groß?
„Weil man weiß, dass Coronaviren aus dem Tierreich, die auf einmal die Artenbarriere überwinden, gefährlich für die neue Art – den Menschen – sein können, weil er daran noch nicht angepasst ist“, sagt die Virologin Elisabeth Puchhammer-Stöckl von der MedUni Wien. „Das ist ein Erfahrungswert. Das SARS-Virus, das 2002/2003 seinen Weg ebenfalls in
China begann, verursachte bei den Betroffenen schwere Lungenentzündungen. Ebenso das seit 2012 bekannte MERS-Coronavirus auf der arabischen Halbinsel. Trotzdem muss man jetzt abwarten. Für große Sorgen sehe ich derzeit keinen Grund.“
Wie viele Mensch-zu-Mensch-Übertragungen gibt es bereits?
Zumindest zwei der bisher infizierten Personen waren zuvor nicht in der Stadt Wuhan gewesen und leben Hunderte Kilometer entfernt. Sie hatten aber Kontakt mit Angehörigen, die sich in Wuhan aufgehalten hatten. Gleichzeitig gibt es auch Berichte, dass 15 Krankenhausmitarbeiter in Wuhan erkrankt sind.
Nach dem Ausbruch der Lungenkrankheit in China ist am Dienstagabend auch in den USA ein erster Fall bestätigt worden. Bei einem Patienten in Seattle wurde das neue Coronavirus diagnostiziert, berichtete ein Sprecher der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC. Es handle sich auch hier um einen Reisenden aus China.
Derzeit gilt das neue Virus aber als etwas weniger gefährlich?
Puchhammer-Stöckl: „Auch wenn es offenbar bereits einige Mensch-zu-Mensch-Infektionen gegeben hat: Derzeit spricht vieles dafür, dass das Virus nur schwer von Mensch zu Mensch übertragbar ist. Hochinfektiös scheint es nicht zu sein. Für eine abschließende Beurteilung ist es jedoch zu früh.“ Es ist auch noch nicht erwiesen, wie die Mensch-zu-Mensch-Übertragungen stattfanden.
Ein deutscher Virologe rechnet mit Fällen auch in Europa?
Christian Drosten von der Berliner Charité geht von Erkrankungsfällen auch in Deutschland aus – aber von Einzelfällen. Ähnlich sieht das der Virologe Christoph Steininger, MedUni / AKH Wien: „Es gibt seit ganz kurzer Zeit überhaupt erst Hinweise, dass sich das Coronavirus von Mensch zu Mensch überträgt. Dass sich der Virus so verbreitet ist zwar grundsätzlich besorgniserregend, aber die Übertragungsraten scheinen derzeit sehr gering zu sein. Daher gibt es aktuell keinen Grund zur Sorge, dass sich das Coronavirus rasch zu einer Pandemie entwickelt. Eine sorgfältige Beobachtung des Virus ist natürlich jedenfalls notwendig.“
Ist Österreich gut vorbereitet?
Ja. Puchhammer-Stöckl: „Sollte es einen Verdachtsfall geben, stehen an unserem Institut bereits Testverfahren zur Verfügung: Innerhalb eines Tages hätten wir das Ergebnis. Im Krankenhaus wird der Patient isoliert, alle seine Kontaktpersonen werden untersucht, ihr Gesundheitszustand wird überwacht.“
Kann man davon ausgehen, dass die chinesischen Behörden offen kommunizieren?
Die Offenheit scheint nach Ansicht vieler Experten diesmal größer zu sein als bei der SARS-Pandemie 2003. Damals hatte China über mehrere Wochen hindurch den Krankheitsausbruch geheim gehalten. Diesmal hat China bereits Ende Dezember die Weltgesundheitsorganisation über das Auftreten eines neuen Virus informiert und ihr auch rasch den genetischen Bauplan des Virus zur Verfügung gestellt. Ob aber das gesamte Ausmaß der Erkrankungswelle kommuniziert wird, ist unklar. Unumstritten ist, dass China viel Erfahrung in der Kontrolle solcher Ausbrüche hat.
Wann wird das Bild klarer sein?
„Ich denke, bereits nach dem kommenden Wochenende. Angesichts der starken Reiseaktivität in China anlässlich des Neujahrsfestes wird man sehen, wie stark sich das Virus tatsächlich ausbreiten kann“, betont Virologin Puchhammer-Stöckl.
Und: „Der aktuelle Ausbruch zeigt nicht nur, wie rasch neue Virusinfektionen den Menschen bedrohen können. Er zeigt auch eindrucksvoll, wie unglaublich schnell und effizient Forscherinnen und Forscher sowie Gesundheitsbehörden heute bei einem Verdacht auf neue Infektionserkrankungen reagieren. Diese internationale Vernetzung hilft bei der Begrenzung von Epidemien. Deshalb bin ich zuversichtlich.“
Was macht jetzt die Weltgesundheitsorganisation (WHO)?
Sie wird am Mitwoch darüber beraten, ob sie einen "Internationalen Gesundheitsnotstand" ausrufen soll. Damit würde sie schärfere Kontrollmaßnahmen empfehlen wie etwa Grenzkontrollen.
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