Corona-Pandemie: Virologe Drosten besorgt über geringen Impffortschritt

Österreichs Bundeskanzler Kurz trifft Virologen Drosten
Im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur zeichnet der Virologe angesichts der aktuellen Impfraten ein düsteres Bild vom Winter.

Gerade erst hat die Europäische Arzneimittelbehörde EMA den Corona-Impfstoff des US-Herstellers Moderna auch für Teenager über zwölf Jahren zugelassen. Eine gute Nachricht, sind es derzeit doch vor allem junge Ungeimpfte, die sich mit SARS-CoV-2 anstecken.

Der deutsche Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité zeigt sich im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur jedenfalls enttäuscht vom derzeitigen Impffortschritt  und besorgt, was das Infektionsgeschehen im kommenden Herbst und Winter betrifft.

Derzeit steigen die Infektionszahlen vielerorts wieder. In Österreich rechnen viele Experten inzwischen mit einer vierten Welle im Herbst. Wie so viele Menschen wünsche auch er sich keine erneuten Lockdown-Maßnahmen im Herbst, erklärt Drosten im Interview: "Ich bin aber zunehmend besorgt über den Impffortschritt. Hier kommen wir nicht schnell genug voran, obwohl genug Impfstoff zur Verfügung steht."

Lockdown verhindern

Zu viele Menschen würden sich angesichts einer noch niedrigen Inzidenz in falscher Sicherheit wiegen. Drosten: "Es ist wichtig, jetzt sehr viel mehr Informationsarbeit zu leisten  auch im privaten Umfeld, damit die Impfquote schneller ansteigt. Dadurch sinkt die Wahrscheinlichkeit von erneuten schmerzhaften Eingriffen im Winter."

In Österreich haben aktuell 5.202.260 Menschen und damit 65,84 Prozent der impfbaren Bevölkerung mindestens eine Corona-Schutzimpfung erhalten. 4.235.655 Menschen (53,61 Prozent) verfügen bereits über einen vollständigen Impfschutz. In Deutschland haben etwas über 60 Prozent der Menschen bereits eine oder beide Dosen erhalten. Drosten zufolge sei das viel zu wenig: "Die bisherige Impfquote reicht sicherlich nicht aus. Wenn die Impfquote nicht signifikant erhöht wird, ist eine schwere Winterwelle zu erwarten. Bei 75 Prozent voll Geimpften über 60 Jahren ist ein Viertel dieser besonders gefährdeten Altersgruppe ohne Schutz. Wenn das so bliebe, könnten wir stark vereinfacht gesagt  nur etwa viermal mehr Infektionen zulassen als noch vor der Impfkampagne. Diese Vervierfachung wäre bei einer Verdopplungszeit von vielleicht 10 bis 14 Tagen in weniger als einem Monat erreicht."

Zeit gewinnen

Das Ziel müsse sein "durch die Impfung nicht nur einen Monat Zeit gewinnen: Wir wollen über den ganzen Herbst und Winter kommen, ohne dass es wieder zu erheblichen Belastungen der Krankenhäuser und zu Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens kommt."

Drosten fordert Verbesserungen bei der Impf-Kommunikation: "Wir müssen möglichst viele Menschen informieren und dazu bewegen, sich impfen zu lassen. Jeder Erwachsene kann durch Impfung seinen Beitrag leisten, dass Gesellschaft, Kultur und Wirtschaft im Winterhalbjahr nicht erneut eingeschränkt werden müssen."

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