"Wir brauchen Wissenschaft und Forschung, um in Krisensituationen rasch handeln zu können", betonte Faßmann und erinnerte beispielhaft an einige wissenschaftliche Höhepunkte: So gelang es sehr rasch, den genetischen Bauplan des Virus zu entschlüsseln: "Dadurch hatten wir eine erste Ahnung, worum es sich bei dieser Lungenkrankheit aus China überhaupt handelte."
Dann gab es die Diskussion, wie der Erreger am häufigsten übertragen wird: "Auch hier hat uns die Wissenschaft schnell geholfen zu sagen, dass die Tröpfcheninfektion der wesentliche Übertragungsweg ist." Der ÖAW-Präsident erinnerte auch an die anfängliche Diskussion, ob Masken wirklich etwas bringen: "Diese Diskussion hat die Wissenschaft entschieden: Sie sind wirkungsvoll."
Noch heute sei er der Wissenschaft dankbar, dass sie Schnelltests entwickelt habe: "Anfang des Jahres 2021 konnten wir dann die Schnelltests in den Schulen einsetzen." Sie brachten Eltern die Sicherheit, dass ihr Kind nicht neben einem infektiösen Mädchen oder Buben sitzt.
➤ Mehr lesen: Warum manche Menschen nie Covid-Symptome bekommen
Er selbst sei ja am Anfang skeptisch gewesen, ob es wirklich möglich sei, anhand von Abwasserproben die Infektionslage einer Gemeinde zu bestimmen: "Aber es ist möglich, einen kostengünstigen und flächenhaften Überblick über die Infektionslage zu bekommen." Und letztlich seien dann die Impfungen "der Gamechanger gewesen, der in wirklich kurzer Zeit eine Umkehr der ganzen Infektionslage mit sich brachte."
"Ordentlich an der Front" sei das IMBA (das Institut für Molekulare Biotechnologie der Akademie der Wissenschaften) gewesen, erinnerte Faßmann: Dieses habe den Gurgeltest mitentwickelt "und Ulrich Elling vom IMBA war der Wissenschafter, der so wie in einer Wetterprognose am Ende der Woche sagen konnte, welche Virusvariante die Überhand bekommen wird."
Wissenschaft und Forschung liefern überprüftes Wissen und seien selbst in der Lage, schnell neues Wissen zu generieren, wenn sich eine Problemsituation verändert habe.
"Kontakt zu mehr Viren durch den Klimawandel"
Jürgen Knoblich, wissenschaftlicher Leiter des IMBA erklärte, warum die Forschung an Viren auch nach der Pandemie unvermindert weitergehen müsse: "Durch den Klimawandel werden uns immer mehr neue Viren erreichen. Die Covid-Pandemie ist zwar vorbei, aber es werden neue Pandemien auftreten."
➤ Mehr lesen: Corona: Warum heuer anders als 2022 keine Sommerwelle in Sicht ist
Die Forschungsgruppe von Josef Penninger am IMBA arbeitet etwa an Fledermäusen: "Fledermäuse sind voll mit Viren. Das liegt daran, dass sie so dicht beisammen leben, dadurch haben sie keine Chance gegen sie." Das heißt: Startet irgendwo in einer Fledermauspopulation eine Infektionskette, "dann rauscht sie durch die gesamte Population hindurch." Deshalb haben Fledermäuse aufgegeben, sich gegen die Viren zu wehren, sagt Knoblich: "Das tun sie nicht. Dafür bauen sie diese Viren in ihr eigenes Erbmaterial ein, machen sie dadurch zu einem Teil ihrer selbst und leben mit diesen Viren."
Die neue Wissensstation im Deck 50 des Naturhistorischen Museums will die Geschichte von Viren und Menschen - vom Beginn der Evolution bis in die Gegenwart - ganzheitlich behandeln. "Unglaubliche 60 Prozent unserer gesamten menschlichen DNA (Erbsubstanz, Anm.) stammen ursprünglich von Viren", erläuterte Katrin Vohland, Generaldirektorin des Naturhistorischen Museums. Denn die Viren-DNA kann sich in die DNA anderer Lebewesen einbauen. In der Wissensschau im NHM werden sie als "Speicher" des Lebens bezeichnet, vergleichbar mit Daten, die auf DVDs oder USB-Sticks gespeichert sind. Für ihre Vermehrung benötigen Viren dann Zellen anderer Organismen. "Sobald das Genmaterial in einer Zelle ausgepackt wird, erwacht es zum Leben - wie etwa ein Computerprogramm am Computer, nachdem der USB-Stick eingesteckt wurde", heißt es in der Schau, die in einer Zusammenarbeit zwischen dem Naturhistorischen Museum, der MedUni Wien und dem IMBA entstand.
Das Modell des neuen Coronavirus ist zirka einen Meter groß. Ines Méhu-Blantar, Leiterin des Deck 50, zum Ausmaß dieser Vergrößerung: Eine Bakterienzelle genauso stark vergrößert wäre so groß wie das Deck 50, eine menschliche Schleimhautzelle so groß wie das gesamte Naturhistorische Museum, und wenn ein Mensch genauso stark vergrößert wird wie dieses Virus, wäre er größer als der Durchmesser der Erde."
Die Zapfen an der Oberfläche, die Spikes, sind Eiweißstoffe. "Im Mikroskop erinnern sie an eine kleine Krone", heißt es in der Wissens-Schau. So kam das Coronavirus auch zu seinem Namen. (Corona ist das lateinische Wort für Krone). Diese Spikes sind die Schlüssel, die das Virus braucht, um in eine Zelle einzudringen.
Entwickelt und gebaut wurde das Modell von Expertinnen und Experten des IMBA und des Naturhistorischen Museums. Neben dem Molekularbiologen Ulrich Elling waren daran Viola Winkler, Robert Illek, Tibor Kulcsar, Martin Colombini und Christina Rittmannsperger beteiligt. NHM-Direktorin Vohland: "Dieses Modell ist ein Eyecatcher."
Besucherinnen und Besucher können übrigens ihre persönlichen Eindrücke, Gefühle und Erinnerungen zum Virus und zur Pandemie hinterlassen - sie werden gesammelt und auch für die Aufarbeitung der Coronajahre verwendet.
Kommentare