Corona-Medikamente gibt es genug, nur an der Verteilung hapert's
Mit einem monoklonalen Antikörper (Sotrovimab) zur Infusion und zwei in Tablettenform einnehmbaren Medikamenten (Molnupiravir und Nirmatrelvier/Ritonavir) stehen zusätzlich zu Remdesivir derzeit bereits mehrere Medikamente zur Verfügung, die bei Covid-19-Risikopersonen schwere Krankheitsverläufe und Todesfälle verhindern können. Doch das Versorgungsnetz damit ist erst im Aufbau begriffen, hieß es Montag bei einem Hintergrundgespräch (online) der Hausarztinitiative AM Plus.
"Wir Hausärzte und Hausärztinnen haben den Vorteil, dass wir unsere Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen sehr gut kennen. Wir sind sehr gut abgestimmt mit den Gemeinden und Gesundheitsbehörden. (...) Im ländlichen Bereich haben wir noch keinen Weg für den Zugang zu diesen Medikamenten", beklagte AM Plus-Präsident Erwin Rebhandl, seit Jahrzehnten Hausarzt und Co-Gründer eines Primärversorgungszentrums in Haslach in Oberösterreich.
Pilotphase
"Wir sind in einer Pilotphase. Da klemmt's noch ordentlich. Da müssen wir besser werden. Es ist ein evolutionärer Prozess, in dem wir uns befinden", fügte der Wiener Infektiologe Christoph Wenisch (Klinik Favoriten) hinzu.
Darum geht es: Laut Wenisch spaltet sich eine Covid-19-Erkrankung in zwei völlig unterschiedliche Phasen. Am Beginn steht eine starke Vermehrung von SARS-CoV-2. Danach kann es eine den gesamten Körper umfassende Entzündungsreaktion mit schwersten Komplikationen (Intensivpflichtigkeit, hohe Sterblichkeit) geben. Die neuen Arzneimittel als monoklonale Antikörper, Proteasehemmer oder Hemmstoffe der Erbgutsynthese der Covid-19-Erreger wirken allerdings ausschließlich in der ersten "viralen" Phase und müssten möglichst sofort nach einem positiven PCR-Test eingenommen werden.
Risikopatienten
Am besten wirksam sind die Arzneimittel bei Risikopatienten, zum Beispiel Diabetiker, Adipöse und sonst mehrfach chronisch Kranke. Sie müssten bei einem positiven PCR-Test identifiziert werden. Die Arzneimittel stehen noch nicht über bloßes Kassenrezept und öffentliche Apotheken wie sonst in der Routine der Arzneimittelversorgung zur Verfügung. Der österreichische Staat kauft sie an, jeweils eine Spitalsapotheke in einem Bundesland organisiert die weitere Verteilung. Ein österreichweit geordnetes Prozedere für die niedergelassene Praxis gibt es nicht.
Dabei wären die Medikamente an sich hoch effektiv: Molnupiravir zeigte eine 30-prozentige Reduktion der Häufigkeit von Spitalsaufnahmen und Todesfällen bei Covid-19-Patienten mit anfänglich mildem bis moderatem Krankheitsverlauf und zumindest einem Risikofaktor (Alter über 60, Adipositas, chronische Nierenerkrankung, Diabetes, Krebs etc.). Nirmatrelvir/Ritonavir hat nach den bisher vorliegenden Daten die Potenz zu einer gar 89-prozentigen Risikoreduktion (schwerer Verlauf, Todesfälle). Ähnlich hoch ist auch die Wirksamkeit des monoklonalen Antikörpers.
Noch nicht optimal
Doch ein System zur optimalen Versorgung muss in Österreich erst etabliert werden. Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Thomas Szekeres: "Entscheidend ist die Möglichkeit, nach einem positiven Test jene Patienten zu identifizieren, die ein Risiko haben." Deshalb müsse es doch möglich werden, dass Hausärzte von einem positiven SARS-CoV-2-Test informiert würden. Dem ist nicht der Fall. "Das hat aus datenschutzrechtlichen Gründen bisher nicht geklappt. Das Testergebnis bekommen die Gesundheitsbehörden bis zum Bürgermeister, nicht der behandelnde Arzt. Die Hausärztinnen und Hausärzte sollten aber möglichst eingebunden werden."
Bisher gibt es die Medikamente vor allem über Spitalsambulanzen. An sich wäre der Bedarf, so Gunda Gittla, Leiterin der Anstaltsapotheke der Barmherzigen Brüder in Linz, soweit gedeckt. Doch für die breite Anwendung in ganz Österreich - in Stadt und Land - wären wohl entsprechende Vorkehrungen zu treffen, so die Experten: Klare Richtlinien zur Identifizierung von Risikopatienten, schnelle Möglichkeit zur Lieferung der Arzneimittel an die Betroffenen und Sicherstellung der adäquaten Einnahme. Die oral einnehmbaren Medikamente haben nämlich potenziell erhebliche Neben- und Wechselwirkungen, über welche die Patienten intensiv aufgeklärt werden müssen. Die Einnahme muss auf jeden Fall vollständig erfolgen.
Impfung nicht ersetzen
"Die neuen Medikamente können die Impfung nicht ersetzen", sagte Rebhandl. Und für das sprichwörtliche "Nachtkastl" auf Vorrat eigneten sie sich auch nicht, betonte der Wiener Infektiologe Florian Thalhammer (MedUni Wien/AKH). Das hätte schon ehemals mit dem gezielt einsetzbaren Influenza-Medikament Oseltamivir nicht geklappt.
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