Arbeiten auf der Covid-Intensivstation: "Manche bereuen es"
Seit mehr als eineinhalb Jahren betreut Arschang Valipour als Lungenfacharzt Covid-19-Patienten auf Normal- und Intensivstationen der Klinik Floridsdorf. Der Leiter der Covid-Station beobachtet genau, wie sich die Infektionszahlen entwickeln, denn daraus lässt sich ableiten, wie sehr er und seine Kolleginnen und Kollegen aus Medizin und Pflege in der nächsten Zeit mit Covid-19 beschäftigt sein werden.
„In den letzten Wochen kam es zu einer relativ raschen Zunahme. Wir rechnen mit einer beträchtlichen Steigerung in den nächsten Wochen und Monaten“, sagt Intensivmediziner Valipour.
Derzeit ist in Wien jedes siebente Intensivbett mit Covid-Patienten belegt – österreichweit ist es jedes zehnte. Kritisch wird es ab einer Auslastung von jedem dritten Intensivbett – dann treten Covid-Patienten in Konkurrenz mit anderen Patienten. Bereits jetzt werden Eingriffe verschoben.
Unterschiede
Die Patienten der jetzigen Welle unterscheiden sich von früheren. „Erste Erfahrungen erwecken den Eindruck, dass diejenigen, die jetzt im Krankenhaus sind, schwerer krank sind als in der ersten und zweiten Welle. Das sind bisher aber nur erste Beobachtungen, Daten gibt es dazu noch nicht ausreichend“, so Valipour. Zudem sind die Patienten jünger, in der Klinik Floridsdorf sind die meisten laut Valipour zwischen 40 und 50 Jahre alt. Über alle Spitäler des Gesundheitsverbundes gerechnet, ist der Altersdurchschnitt der Intensivpatienten 52 Jahre.
Häufigster gemeinsamer Risikofaktor: die fehlende Impfung. „Dass die Impfungen stagnieren, bereitet mir Sorge. Wenn wir es nicht schaffen, mehr Menschen zu überzeugen, dass die Impfung gut und wichtig ist, hat das Auswirkungen auf OP-Termine, die Versorgung anderer Krankheiten, die Wartezeiten und die Besuchskapazitäten bis hin zur möglichen Auslastung der Intensivbetten“, betont Valipour.
Wenige Hardliner
Die Rückmeldungen der Patienten, warum sie nicht geimpft sind, seien sehr unterschiedlich. „Es sind wenige Hardliner, die mit voller Überzeugung und auch im Angesicht der Erkrankung nach wie vor gegen die Impfung sind. Manche bereuen es, andere nennen Gründe wie Terminprobleme oder dass sie noch weitere Entwicklungen abwarten wollten.“
Immer wieder nennen Frauen wie Männer eine Angst vor Unfruchtbarkeit nach der Impfung. „Es ist wissenschaftlich sehr gut belegt, dass die zugelassenen Impfungen keinen Einfluss auf die Fruchtbarkeit haben. Ich würde mir wünschen, dass kein Glaubenskrieg um die Impfung entsteht, sondern dass wir vielmehr an einem Strang ziehen“, sagt Valipour. Der Mediziner ärgert sich besonders, wenn politische Gruppierungen Fehlbehauptungen aufstellen. „Das sollte nichts mit Ideologie zu tun haben. Die Impfung ist notwendig, um das Gesundheitssystem zu erhalten – egal, welche politische Farbe jemand vertritt.“
Auch Stefan Käsmayer, Intensivkrankenpfleger in der Klinik Favoriten, wünscht sich, dass sich mehr Menschen impfen lassen. „Die Patienten, die zu uns kommen, sind wirklich schwer krank. Natürlich ist es für die Behandlung kein Thema, ob jemand geimpft ist. Wenn sich mehr Menschen impfen, ersparen wir uns aber vielleicht eine fünfte Welle.“
Körperlich belastend
Der Krankenpfleger wechselte zu Beginn der Pandemie, als mehr Personal gebraucht wurde, von der Neurologie auf die Covid-Station. „In den eineinhalb Jahren ist die Arbeit zur Routine geworden. Wir tragen die Masken den ganzen Tag, die gesamte Schutzausrüstung ist körperlich wirklich belastend. Es ist anstrengender als früher, vor allem jetzt, wo der Bettendruck höher ist.“
Zwar waren durchgängig Covid-Patienten in der Klinik Favoriten – sie ist die erste Anlaufstelle laut Plan des Gesundheitsverbunds –, im Sommer war jedoch deutlich weniger los. „Es gab Wochen, wo wir 2, 3 Patienten auf der Station hatten. Jetzt sind wir wieder in einer Welle, und die Betten füllen sich.“ Auch Käsmayers Patienten sind jünger und meist ungeimpft.
Trotz der belastenden Arbeit sei die Stimmung unter den Kolleginnen und Kollegen gut, ein eingespieltes Team. Einzelne hätten sich beruflich verändert, aber das sei auch vor Covid immer wieder der Fall gewesen. Käsmayer möchte jedenfalls weiterhin auf der Intensivstation arbeiten – das sei ihm durch die Pandemie klar geworden.
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