In der aktuellen Studie wurden insgesamt acht Patienten untersucht, die in ihrer Kindheit noch auf diese Weise behandelt wurden. Bei fünf von ihnen traten im Alter von 38 bis 55 Jahren Symptome auf, die diagnostische Kriterien für Alzheimer erfüllen. Blutuntersuchungen bestätigten bei zwei Diagnose. Eine der weiteren drei Personen zeigte Symptome einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, eine hatte nur subjektive kognitive Symptome, die dritte hatte keine Symptome.
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Jahrzehnte später kommt es zu einem Domino-Effekt
Für den österreichischen Neurologen und Alzheimer-Experten Peter Dal-Bianco ist die Untersuchung "eine wichtige Pilotstudie". Sie zeige, dass die fehlgefalteten Eiweiße, die sogenannten Amyloide, deren Ablagerung Alzheimer verursacht, übertragen werden und richtig gefaltete Amyloide zur Fehlfaltung animieren können. "Die Studie belegt eine Art Domino-Effekt. Diese Kaskade braucht aber dank der Neuroplastizität des Gehirns, also seiner Fähigkeit, sich anzupassen und zu verändern, eine Vorlaufzeit von 30 bis 40 Jahren bis sie biologisch sichtbare Schaden anrichtet", sagt Dal-Bianco.
Schon 2015 hatte das britische Forschungsteam Hinweise gefunden, dass eine Übertragung von Alzheimer bei dieser Art der Hormontherapie möglich sein könnte. Sie fanden in Gehirnproben verstorbener Patienten Amyloid-Proteine sowie in archivierten Chargen der damals verwendeten Hormonmedikamente messbare Mengen fehlgefalteter Amyloid- und Tau-Proteine. Beide zählen zur Gruppe der Prione – das sind krankheitserregende Eiweiße, die übertragen werden können. In Studien mit Mäusen konnten die Präparate immer noch Krankheiten auslösen.
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Nicht direkt über zwischenmenschlichen Kontakt übertragbar
Damit eine derartige Übertragung erfolgen kann, brauche es aber ein "direktes Einbringen im Gehirn", betont Dal-Bianco. "Alzheimer kann nicht durch normalen zwischenmenschlichen Kontakt übertragen werden."
Die aktuelle Studie ist zudem klein - sie beruht auf lediglich fünf Patienten, bei denen eine Demenz festgestellt wurde, wovon zwei seit ihrer Kindheit geistige Behinderungen hatten, die mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für das frühzeitige Auftreten einer Demenz einhergehen.
Weitere Studien sind notwending
Es wäre aber eine Übertragung durch medizinische Maßnahmen wie die Transplantation kontaminierter harter Hirnhaut, über kontaminierte und unzureichend aufbereitete neurochirurgische Instrumente oder EEG-Nadeln vorstellbar, meint Michael Beekes vom Robert-Koch-Institut Berlin, Leiter einer Prionen-Forschungsgruppe.
"Aus meiner Sicht erscheint es verfrüht, das klinische Syndrom der Patienten bereits aufgrund der aktuell berichteten Daten als durch ärztliche Behandlung verursachte Alzheimerkrankheit zu bezeichnen und Alzheimer als übertragbar anzusehen. Weitere Studien sind wünschenswert und erforderlich, um die Schlussfolgerungen zu überprüfen", sagt Beekes.
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