Am häufigsten kommt es nach einem Bienen- oder Wespenstich zu einer anaphylaktischen Reaktion, aber sie kann auch nach dem Konsum bestimmter Lebensmittel (z. B. Erdnüsse) oder auch nach der Einnahme bestimmter Medikamente auftreten.
Wer einmal eine anaphylaktische Reaktion hatte, der hat in der Regel ein Notfallset bei sich, das ein Allergie-Präparat (Antihistaminikum) und ein Cortison-Präparat zur Linderung der Allergiesymptome und der Entzündung enthält, aber auch einen sogenannten "Autoinjektor", auch Pen genannt, zum Injizieren. Dabei handelt es sich um einen Stift mit einer Spritze. Der Pen enthält Epinephrin (es entspricht dem körpereigenen Adrenalin), verengt die Blutgefäße und verbessert dadurch die Durchblutung, erleichtert die Atmung und lässt Schwellungen abklingen.
Im Laufe des kommenden Jahres soll in Österreich eine Alternative dazu auf den Markt kommen: Ein Epinephrin-Nasenspray. Er soll vor allem für Menschen, die den Einsatz des Pen aus Angst vor der Injektion oder Unsicherheit bei der Anwendung vermeiden - sowohl Betroffene als auch Ersthelfer -, ein zusätzliches Angebot sein. Dieses Produkt der US-Firma ARS Pharmaceuticals erhielt kürzlich die Zulassung in der EU durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA. Und zwar für Erwachsene und Kinder mit einem Mindestgewicht von 30 Kilogramm. Die US-Herstellerfirma ARS Pharmaceuticals teilte auf KURIER-Anfrage mit, dass der Spray in der EU zuerst in Deutschland verfügbar sein wird, und zwar Ende 2024. In anderen EU-Staaten ist die Markteinführung im Laufe des Jahres 2025 geplant.
Bei 92 Prozent der Bevölkerung in Österreich führen Stiche von Wespen und Bienen nur zu einer kleinen juckenden Rötung und Schwellung rund um die Einstichstelle. "Vier Prozent haben große Lokalreaktionen, also etwa eine Rötung und ein Brennen eines gesamten Fußes", sagt die Immunologin und Allergologin Erika Jensen-Jarolim von der MedUni Wien, vormalige Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Allergologie und Immunologie. Und bei etwas mehr als drei Prozent kommt es zu schweren systemischen Reaktionen, das heißt: Nicht nur die Haut, auch andere Bereiche des Körpers sind betroffen. 75 Prozent der Insektengiftallergien werden von Wespengift ausgelöst, 25 Prozent von Bienengift.
"Wir wissen aus Studien, dass es im Notfall nur 58 Prozent der Patientinnen und Patienten, die einen Pen verschrieben bekommen haben, es auch schaffen, ihn rechtzeitig einzusetzen, 42 Prozent schaffen es nicht", sagt Jensen-Jarolim.
Dafür könne es mehrere Gründe geben: "Einerseits gibt es den Respekt vor der Nadel und oft auch ein zu langes Zögern, ob man den Pen schon einsetzen soll oder noch nicht. Betroffene und Ersthelfer können sich oft nicht dazu überwinden. Oder es kann zu einer Panikreaktion kommen die dazu führt, dass man den Pen zu spät oder gar nicht verwendet. Es kann bei Betroffenen eine Ohnmacht auftreten und die Umstehenden trauen sich nicht, den Pen anzuwenden, weil sie keine Erfahrung damit haben. Oder, was auch immer wieder vorkommt, der Pen ist nicht auffindbar." Sie begrüße die Möglichkeit einer Alternative zum Pen grundsätzlich, sagt Jensen-Jarolim: "Er kann sicher die Angst vor der Anwendung bzw. die Hemmschwelle reduzieren und den Einsatz erleichtern."
Das Epinephrin wird mit einem Hub in ein Nasenloch gesprüht. "Aber ein wichtiger Punkt gilt bei beiden Anwendungsformen: Man benötigt eine gute Einschulung, um das Produkt rechtzeitig und richtig anzuwenden", betont Jensen-Jarolim. Diese könne entweder beim Arzt oder auch mit Hilfe spezieller Trainingsvideos durchgeführt werden. "Wichtig ist, die Scheu vor der Anwendung zu verlieren und in beiden Fällen die Produkte auch richtig einzusetzen." Bei vielen Ärztinnen und Ärzten gibt es auch spezielle Trainings-Pens, mit denen man die richtige Handhabung üben kann.
Ein Adrenalin-Pen sollte spätestens eingesetzt werden, wenn zu Juckreiz, Hautausschlag, Quaddeln oder einem Brennen von Füßen und Händen (Schweregrad 1) noch andere Symptome hinzukommen. Wie hoher Puls, deutlicher Blutdruckabfall, der sich u. a. durch Schwindel bemerkbar macht oder etwa Übelkeit und Erbrechen (Schweregrad 2). Die Medikamente im Notfallset sollten bereits bei Schweregrad 1 eingenommen werden.
Die Allergologin Jensen-Jarolim betont aber auch: "Der Nasenspray wird den Pen ganz sicher nicht ablösen. Er ist ein zusätzliches Angebot, das seinen Platz in der Behandlung anaphylaktischer Reaktionen finden wird."
Das kalifornische Unternehmen ARS Pharmaceuticals testete das Medikament an 537 gesunden Menschen zwischen 19 und 55 Jahren. Dabei wurde die Wirkung des Nasensprays auf den Blutdruck, die Herzfrequenz sowie die Aufnahme und Ausscheidung mit der intramuskulären Injektion verglichen - laut EMA gab es dabei keine Unterschiede zur Wirkung des Pens.
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