Alkoholverzicht: Was bringt das Trocken-Training für den Körper?

Alkoholverzicht: Was bringt das Trocken-Training für den Körper?
Ein Monat ohne Alkohol bringt jegliche Vorteile mit sich. Nicht nur die Laborwerte verbessern sich, sondern auch die mentale Gesundheit.

Von Andrea Krieger

"Von Sucht bin ich weit entfernt, aber mein Alkoholkonsum könnte schon geringer sein.“ Viele würden da wohl zustimmen, schließlich schaut jeder vierte Österreicher etwas tief ins Glas. Und so stellen sich auch hierzulande immer mehr Menschen der Herausforderung eines „Dry January“ (Trockener Jänner). Das Ziel der aus Großbritannien kommenden Initiative: Wein & Co diesen Monat links liegenzulassen. Die dazugehörige App „TRY DRY: The Dry January app“ ermöglicht sich gegenseitig zu unterstützen.  

Aber was bringt ein Trockener Jänner?

Ermutigende Belohnungen wirken umgehend

„Als erstes verbessert sich die Schlafqualität“, erzählt Lisa Brunner vom Institut für Suchtprävention der Sucht- und Drogenkoordination Wien, die auch die österreichische Initiative „Dialogwoche Alkohol“ koordiniert. Man schläft eher durch, was die allgemeine Regeneration verbessert. Die Folge ist ein Boost für das Immunsystem und neue Energie. Die Leber lebt auf. 

Gönnt man dem Entgiftungsorgan, das den Alkohol abbaut, eine Pause, geht es etwa der alkoholischen Fettleber an den Kragen. Diese entsteht unbemerkt, wenn angesichts größerer Alkoholmengen Fettsäuren nicht mehr abtransportiert werden sondern stattdessen die Funktionen der Leber stören. Je nach Größe der Fettleber bildet sich diese bereits nach drei bis vier Wochen vollständig zurück. Etwaige Magenbeschwerden schwinden mit der alkoholbedingten Entzündung ebenda und auch das Sodbrennen lässt nach, wenn nicht mehr so viel Magensäure gebildet wird. 

Das Herz kommt wieder in den Takt, weil die bei höherem Alkoholkonsum häufigen Herzrhythmusstörungen wegfallen, der Blutdruck kann binnen vier Wochen sinken. Positiv nicht nur auf den Blutdruck, sondern auch auf den Blutzuckerspiegel wirkt sich der niedrigere Cortisolspiegel aus. Hohe Cortisolwerte stehen für den schädlichen Langzeitstress.

Wellness für die Zelle

Fällt das Zellgift Alkohol weg, entarten zudem weniger Zellen. „Alkoholabbauprodukte lösen laufend Schäden in der Erbsubstanz aus“, sagt Krebsforscher Siegfried Knasmüller. Es entstehen entartete Zellen, die sich bestenfalls regenerieren oder absterben. Vermehren sie sich unkontrolliert, bedeutet das Krebs. „In dem Moment, wo man keinen Alkohol mehr trinkt, unterbricht man diesen Kreislauf also“, sagt Knasmüller. Die alkoholbedingte Krebsgefahr wird im Dry January daher angehalten, sie schrumpft dadurch aber nicht, da für die Krebsentstehung die lebenslang getrunkene Menge zählt. Ein Wermutstropfen. 

Nicht zuletzt helfen die psychischen Effekte beim Durchhalten: „Die Stimmung stabilisiert sich, Ängste und depressive Verstimmungen tauchen seltener auf“, so Suchtpräventions-Expertin Brunner. Das hängt damit zusammen, dass Alkohol verschiedene Botenstoffe beeinflusst, die der Informationsübertragung zwischen Nervenzellen im Gehirn dienen. Im Spiegelbild machen sich mit der Zeit nicht nur entspanntere Gesichtszüge bemerkbar. „Auch die Haut wird klarer und man nimmt etwas ab.“ 

Ende Jänner sind sich die Teilnehmer ihrer Trinkmuster besser bewusst. Sie haben eine Gewohnheit durchbrochen und können sich danach eher vorstellen weniger zu trinken, vielleicht sogar ganz damit aufzuhören.

  • Haut: Die Haut wird klarer und reiner
  • Gehirn: Besseres Ein- und  Durchschlafen, neuer Elan, Stimmungsverbesserung
  • Blut: Die Entzündungswerte sinken
  • Herz: Herzrhythmusstörungen gehen zurück, der Blutdruck sinkt
  • Leber: Die Werte verbessern sich, eine etwaige Fettleber bildet sich zurück, der Cholesterinspiegel sinkt
  • Magen: Entlasteter Magen durch weniger Magensäure-Produktion, die Magenschleimhaut erholt sich, Sodbrennen bessert sich, die Kilos purzeln
  • Bauchspeicheldrüse: Der Blutzuckerspiegel normalisiert sich
  • Niere: Der schädliche Langzeitstress-Wert Cortisol, der vermehrt ausgeschüttet wird, normalisiert sich

Etwa 2.000 von  40.000  Neuerkrankungen jährlich gehen auf das Konto von Alkohol, insgesamt ist Alkohol an sieben Krebsarten beteiligt. „Das Alkohol-Stoffwechselprodukt Acetaldehyd schädigt die Erbsubstanz der Zellen. Selbst  geringe Mengen stellen ein Risiko dar,“ sagt Siegfried Knasmüller vom Zentrum für Krebsforschung der MedUni Wien. Als Hauptentgiftungsorgan ist die Leber besonders betroffen, wenn es um die Verstoffwechselung  geht. Frauen sind im Nachteil: Eine vergleichbare Alkoholmenge wirkt bei ihnen länger und ist toxischer. Ab  vier großen Gläsern Wein pro Tag verdoppelt sich das Leberkrebsrisiko bei Frauen im Vergleich zu Männern.  Acht von 100 Brustkrebsfällen dürften alkoholbedingt sein. Denn Alkohol  stört den Hormonhaushalt, insbesondere den von Östrogen. Bei Dickdarmkrebs wird vermutet, dass „durch Alkohol bestimmte Vitamine, die der Darm braucht, weniger gut aufgenommen werden können: die Folsäure und das Vitamin A.“ Bei Kehlkopf- und Speiseröhrenkrebs multipliziert sich das Risiko auf das 20- bis 40-Fache, wenn zusätzlich geraucht wird. 

Neue Einordnung von Alkoholkonsum

Expertin Brunner gibt jedenfalls zu bedenken: „Man unterscheidet nicht mehr zwischen bedenklichen und unbedenklichen Alkoholkonsum, sondern nur mehr zwischen risikoärmeren und problematischem Trinken.“ Als risikoärmer gelten täglich 0,6 Liter Bier und 0,3 Liter Wein bei Männern und 0,4 Liter Bier bzw. 0,2 Liter Wein bei Frauen, wobei zwei Tage wöchentlich alkoholfrei sein sollten. 

Problematisch ist ein Konsum von drei Krügel Bier oder ¾ Liter Wein bei Männern und zwei Krügel Bier bzw. ½ Liter Wein täglich bei Frauen. Die Zeiten, in denen das tägliche Glas Rotwein als gesund fürs Herz gepriesen wurde, sind vorbei. „Das ist ein Mythos“, sagt Brunner. „Heute weiß man, dass der Schaden überwiegt.“ Eine im renommierten Fachjournal Lancet erschienene Metastudie fasst 83 Studien zusammen. Es zeigte sich, dass bereits das Überschreiten von 1/8 Liter Wein pro Tag mit einem Gesundheitsrisiko verbunden ist. So steigt die Gefahr für Bluthochdruck und Schlaganfall, aber auch Krebserkrankungen (siehe Kasten) schon bei kleinen Dosen. „Alkohol wird mit 200 Krankheiten in Verbindung gebracht“, warnt Brunner.

Meist nachhaltig

Immerhin: Sechs Monate nach dem Dry January trinken noch immer sieben von zehn Personen weniger, wie eine Studie der Universität Sussex bestätigt. Teilnehmer, die danach umso tiefer ins Glas schauen, weil sie nach dem Dry January beruhigt sind nicht abhängig zu sein, gibt es wohl. Es handelt sich aber lediglich um eine keine Minderheit. 

Alkoholabhängigkeit ist eine Krankheit und nicht nur eine Frage der Menge. Die Betroffenen –  in Österreich 2,5 Prozent der Frauen und 7,5 Prozent der Männer – können nicht kontrolliert trinken, auch wenn schon negative Konsequenzen wie  Jobverlust und familiäre Probleme auftreten. Um ein  und dieselbe Wirkung zu erzielen, sind  immer höhere Mengen nötig. Fehlt der Nachschub, kommt es zu körperlichen Entzugserscheinungen, u.a. Kopf- und Gliederschmerzen, Schwitzen und Zittern oder Magen-Darm-Störungen.

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