Bei einer genauen Untersuchung fiel uns dann ein bläulicher Fleck über dem Sprunggelenk auf, der an ein frühes Kaposi-Sarkom erinnerte. Die histologische Untersuchung bestätigte diesen Verdacht. Der Patient erzählte uns dann, dass er regelmäßig nach New York flog und dort auf Partys Sex mit Männern hatte.
Er entwickelte dann tatsächlich die Vollsymptome von AIDS und verstarb an dieser Krankheit. Wir haben 1982 an der 1. Univ.-Hautklinik im alten AKH eine AIDS-Beratungsstelle aufgebaut und im Jahre 1986 schließlich die erste AIDS-Station Österreichs.
Wie wurden diese ersten Patienten behandelt?
Anfänglich hatten wir keine antiviralen Medikamente und all unser Bemühen war darauf ausgerichtet, die schweren Infektionen sowie das Kaposi-Sarkom zu bekämpfen. Trotz vorübergehender Erfolge war die Bilanz letztlich eine traurige: die überwiegende Mehrzahl aller Patienten ist der Erkrankung zum Opfer gefallen.
Wie haben Sie die 80er-Jahre als Mediziner erlebt?
Als Achterbahn der Eindrücke und Gefühle. Beeindruckt darüber, dass schon nach wenigen Jahren, nämlich 1983, das auslösende Virus (HIV=humanes Immundefizienz-Virus) identifiziert und seine Struktur aufgeklärt wurde. Diese wissenschaftliche Großtat, die auch mit dem Nobel-Preis für Medizin gewürdigt wurde, war die Voraussetzung für die Erstellung der korrekten Diagnose und für die Entwicklung von Medikamenten.
Gleichzeitig aber, wie schon gesagt, verzagt bzw. enttäuscht über unser meist vergebliches therapeutisches Bemühen und natürlich deprimiert durch das uns umgebende Leid.
Wann entstanden die ersten Medikamente?
Das erste Medikament, Zidovudine (Retrovir), hatte Kult-Charakter. Es stellt sich zwar bald heraus, dass es alleine nur kurzzeitig wirksam war, aber dann, 1995, gelang es durch die gleichzeitige Gabe dreier Medikamente, die jedes für sich das Virus an einer unterschiedlichen Phase seines Lebenszyklus angreifen, die Virusvermehrung im Körper zu stoppen. Nach nur wenigen Wochen konnte so die Viruslast unter die Wahrnehmbarkeitsgrenze gesenkt werden. Das war schon dramatisch.
Durch unsere guten Kontakte zu AIDS-Forschern weltweit, vor allem in den U.S.A., konnten wir an den klinischen Prüfungen dieser anti-HIV-Medikamente teilnehmen. Da gab es unter den Betroffenen, aber auch in den sozialen Medien zunächst Ängste über deren vermeintliche Toxizität, was dazu führte, dass wir Probleme hatten, Teilnehmer an diesen klinischen Prüfungen zu rekrutieren. Glücklicherweise hat dieser Zustand nicht lange angehalten.
Heute werden manchmal Parallelen zwischen Aids und der Covid-Pandemie gezogen. Zu Recht?
HIV ist weit weniger ansteckend als SARS-Cov-2. Bei HIV braucht man wirklich sehr engen (Sexual)kontakt, um sich über Körperflüssigkeiten (Blut, Sperma, Sekrete) zu infizieren. Ein besonders Problem sind auch wiederholt verwendete kontaminierte Spritzen intravenös Drogenabhängiger.
Noch Eines: Bei HIV wird der Schaden/die Krankheit vom Virus direkt verursacht, da es genau jene Zellen befällt, die man benötigt, um eine schützende Immunantwort aufzubauen. Bei einer Sars-Cov-2-Infektion ist es die Reaktion des Immunsystems auf das Virus, die zumindest mitverantwortlich für den akuten und evtl. auch chronischen (Long-Covid) Organschaden ist.
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