Effekt läuft über Verstoffwechselung von Koffein
Für die aktuelle Analyse im Fachblatt Neuropsychopharmacology zapfte ein Team um die Neurobiologin Hayley H. A. Thorpe zwei Quellen an: Den Daten-Pool des US-amerikanischen Biotech-Konzerns 23andMe, das kommerzielle Gentests anbietet. Und die UK Biobank, eine große britische Gen-Datenbank. Neben genetischen Informationen enthalten die Sammlungen individuelle Angaben zum Kaffeekonsum.
Zentrales Ergebnis: Genetische Faktoren dürften wesentlich dazu beizutragen, wie viel Kaffee ein Mensch trinkt. Insbesondere die Gene CYP1A1 und CYP1A2 scheinen, je nach Variante, die Neigung zu lenken. Dafür gibt es plausible Erklärungsansätze: "Die besagten Gene beeinflussen, wie schnell der Organismus Koffein verstoffwechselt", beschreibt Verhaltensgenetiker Martin Fieder von der Universität Wien. Wird die Substanz rascher abgebaut, braucht der Mensch schneller Nachschub, um die anregende Wirkung zu genießen, so die Theorie – der Konsum schwillt an.
Genetisch gekoppelte Süchte
Das allein ist noch nicht bahnbrechend: Schon in den Sechzigern fand man erstmals Hinweise, dass die DNA Trinkgewohnheiten prägt. Immer wieder, zuletzt etwa 2016, brachte die Forschung auch spezifische Kaffee-Gene ins Spiel. Interessant ist eine andere Erkenntnis: Personen, die genetisch auf Kaffeeliebe programmiert waren, neigten in Thorpes Studie auch zum verstärkten Konsum von Zigaretten, Alkohol und Cannabis.
"Kaffee ist im Unterschied zu anderen suchtauslösenden Substanzen wie Alkohol oder Cannabis eine vergleichsweise harmlose 'Droge'", sagt Fieder. Der Blick ins Erbgut könnte präventive wie therapeutische Maßnahmen greifbar machen: "Es ist wichtig, den genetischen Anteil an Suchtkrankheiten besser zu verstehen. Wenn man weiß, dass jemand zu Suchtverhalten neigt, kann man früh intervenieren." Erwiesen sei inzwischen, dass Menschen mit angeborenem Suchtcharakter sich Umgebungen suchen, um ihr Suchtbedürfnis zu stillen. "In Zukunft wird es sicher auch medikamentöse Optionen geben, die den Wunsch, eine Sucht auszuleben, blockieren", ist Fieder überzeugt.
Gene, die mit Kaffeegenuss zusammenhängen, scheinen auch bei Übergewicht eine Rolle zu spielen. Dass Kaffee Übergewicht fördert, sei – zumindest nach derzeitigem Wissensstand – kein zulässiger Schluss, betont Fieder: "Das bedeutet nur, dass die Gene, die einen für mehr Kaffeekonsum prädisponieren, möglicherweise auch dazu führen, dass man Übergewicht entwickelt. Wie genau diese beiden Merkmale verschalten sind, wird zu prüfen sein."
Erbgut definiert den Menschen nicht gänzlich
In der Studie zeigte sich auch Widersprüchliches: So ging der via Erbgut verstärkte Konsum von Kaffee in den USA mit Angst-Symptomen einher. In Großbritannien waren Menschen mit Kaffee-Genen nicht nachweislich ängstlicher. Für Fieder kaum verwunderlich: So könne es je nach Kultur, Region und anderen Umweltfaktoren Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen geben.
"Es gibt kein menschliches Verhalten ohne genetische Grundlage", sagt der Verhaltensgenetiker. Allerdings, betont er, ist es nicht so, dass nur die Gene dominieren, es ist immer ein Wechselspiel zwischen Genen und Umwelt. Auch beim Kaffeekonsum sei anzunehmen, dass die Vorliebe auch durch das Erbgut definiert wird, aber die Umwelt ebenfalls eine wesentliche Rolle spielt. "Wie sich der Konsum letztlich ausgestaltet, hängt von sozialen Prägungen und der Kultur ab." Bei schweren Suchterkrankungen sei "der genetische Background" mit bis zu 70 Prozent jedenfalls stärker ausgeprägt.
"Wir sind unserer DNA nicht schutzlos ausgeliefert", präzisiert Fieder. Umwelt – die elterliche Erziehung, vielmehr aber noch die Umgebung außerhalb des Elternhauses (Schule, Freunde, gesellschaftliche Gegebenheiten) – und die Gene wirken immer zusammen, "sind untrennbar verbunden". Den Einfluss der Gene "zu leugnen, wäre daher ebenso falsch, wie jenen der Umwelt zu verneinen".
Kommentare