"Unser Angebot richtet sich an Personen, die schon Nahrungsergänzung einnehmen, aber auch Gesundheitsinteressierte, die eine genetische 'Bedienungsanleitung' für ihre Gesundheit haben wollen", fasst es Daniel Wallerstorfer, Molekularbiologe und Biotechnologe, der mit seinem Unternehmen NovoDaily personalisierte Nahrungsergänzungsmittel vertreibt, zusammen.
Kein Benefit für breite Bevölkerung
Neben genetischen Informationen erhebt man bei NovoDaily auch Blutwerte und Informationen zum Lebensstil der Kundinnen und Kunden. In diesen Bereichen würden sich Menschen teils drastisch unterscheiden, weswegen "Breitband-Supplemente" oft mehr schaden als nutzen. "Statistisch gesehen ist es so, dass von 20 Nährstoffen, die man im Supermarkt kaufen kann, einer schädlich ist, zwei sind wirkungslos und der Rest für mich falsch dosiert", präzisiert Wallerstorfer. Dass Produkte im Handel oft zu hoch dosiert seien und langfristig gesundheitsschädigend wirken können, bestätigt Experte Kühn.
Den Personalisierungsgedanken sieht er dennoch kritisch: "Die allermeisten Menschen brauchen keine personalisierten Nährstoffe", sagt er. Es stimme zwar, dass jeder über eine individuelle Biologie verfüge. "Aber es ist nicht nachgewiesen, dass gezielt auf die Genetik zugeschnittene Supplemente einen Nutzen bringen." Grund sei, dass Menschen in unseren Breiten mit den meisten Nährstoffen ausreichend versorgt sind. "Wenn man sich annähernd ausgewogen ernährt, besteht kein Bedarf, sie zu ergänzen." Womit sich die Popularität der Nahrungsergänzung erklären lässt: "Es ist leichter, ein Pulver einzunehmen, als das zu machen, was die Medizin zur Gesundheitsförderung vorschlägt: gesunde Ernährung, Verzicht aufs Rauchen, Alkohol in Maßen und ausreichend Bewegung." Die Krux: Der Umkehrschluss – dass Supplemente einen ungesunden Lebensstil ausgleichen – "ist nicht zulässig".
Dem widerspricht Molekularbiologe Wallerstorfer: Es gebe sehr viele wissenschaftliche Nachweise über die gesundheitliche Wirkung von Nahrungsergänzung. "Praktisch jede schwangere Frau bekommt vom Gynäkologen Folsäure empfohlen, weil es Geburtsfehler verhindern kann. Jede Person mit angehender Osteoporose bekommt Kalzium und Vitamin D3 empfohlen, um die Knochen zu schützen."
Bestimmte Supplemente für bestimmte Gruppen "sind sehr sinnvoll", sagt auch Kühn. "Nur braucht es dafür keinen Gentest." Dass das Erbgut Einfluss auf die Gesundheit des Menschen habe, bestreitet er nicht. "Aber es ist nicht so, dass das, was im Erbgut codiert ist, eins zu eins auf unsere Gesundheit übertragbar ist." Zwischen den Genen und dem, was der Körper damit macht, gebe es viele Einflussfaktoren. Für die genetischen Tests werden bei den diversen Herstellern zwischen 60 und 100 Genvarianten ausgewertet. Auch das beschränke die Aussagekraft: "Jeder Mensch besitzt Zehntausende Genvarianten. Zudem gibt es nährstoffrelevante Stoffwechselprozesse, die nicht nur von einem Gen abhängen, sondern von einem komplexen Zusammenspiel genetischer und nicht-genetischer Einflussfaktoren."
Wallerstorfer sieht wiederum manche Mitbewerber am Markt kritisch. Bei vielen handle es sich um Marketingkonzerne, die "versuchen, Wissenschaft zu interpretieren". Man selbst verfüge über "hauseigene Labors und Nahrungsergänzungsmittel-Technologien". Auch beim Individualisierungsgrad – wie präzise die Nährstoffe dosiert werden – gebe es Unterschiede.
Selbstoptimierung über Pulver und Pillen
"Ich sage nicht, dass die Idee nicht interessant ist", erklärt Kühn. "Allerdings kann man aus der Erfassung der Gene und ihrer Mutationen alleine oft nicht rückschließen, wie viele Mineralien und Vitamine der Mensch braucht. Da bräuchte es noch andere Werte aus Blut und Urin, beispielsweise." Die ergänzende Blutanalyse, wie NovoDaily sie etwa anbietet, sei in dieser Hinsicht sinnvoll. "Bluttests sind ein etabliertes Mittel, um Fragen des Nährstoffbedarfs zu klären." Insbesondere Menschen mit Mangelrisiken, etwa ältere oder vegan lebende Menschen, könnten davon profitieren. "In der großen Breite der gesunden Erwachsenen halte ich regelmäßige Tests dennoch für übertrieben."
Der Trend zur maßgeschneiderten Nahrungsergänzung kann auch als Auswuchs einer immer stärker auf Personalisierung ausgerichteten Medizin verstanden werden. "Man hat sich immer die Frage gestellt, warum manche Medikamente bei manchen Patienten sehr gut, und bei andern gar nicht wirken, trotz gleicher Erkrankung", sagt Kühn. Antworten habe man vielfach in den Genen gefunden. "Heute kann man etwa Tumore auf ihr genetisches Profil ausgerichtet therapieren."
Im Feld der präventiven Medizin seien derart bahnbrechende Erfolge bislang ausgeblieben. "Man kann sich davon noch nicht versprechen, länger gesund zu bleiben."
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