Wie Sie biologisch jung bleiben

Hundertjährige beim Tanz auf Okinawa:  Ein Leben lang aktiv.
Was wirklich Aussagen über das tatsächliche biologische Alter des Körpers ermöglicht: Blut- oder Urintests sind zu wenig. Entscheidende Faktoren sind Kraft und Sauerstoffaufnahme.

Was schätzen Sie: Wie alt ist der Mann auf dem unten stehenden Foto? 70? 80? Beides falsch. Zum Zeitpunkt der Aufnahme im Vorjahr war der Franzose Robert Marchand 105. Und er hat einen Rekord für die Kategorie der Über-105-Jährigen aufgestellt: Er hat auf einer Rennradbahn bei Paris 22,5 Kilometer in einer Stunde zurückgelegt. Sein Motto: "Wer rastet, ist verloren."

Wie Sie biologisch jung bleiben
French centenarian cyclist Robert Marchand, 106, receives flowers after performing a 4000 meters at the Saint-Quentin-en-Yvelines track cycling on February 11, 2018. / AFP PHOTO / Eric FEFERBERG

Marchand ist zwar laut Geburtsurkunde heute 106 Jahre alt – biologisch aber um viele Jahrzehnte jünger. "Ein trainierter 75-Jähriger kann leistungsfähiger sein als ein untrainierter 25-Jähriger", sagt der Sportmediziner Piero Lercher von der MedUni Wien. Und man kann 70 sein – biologisch gesehen aber erst 55. Mittlerweile werden im Internet unterschiedliche Tests angeboten, die dieses biologische Alter bestimmen sollen – etwa Gentests zur Bestimmung der Länge der Telomere (die Chromosomen-Enden, die sich im Alter verkürzen). Ihre Aussagekraft ist umstritten. Zuletzt haben chinesische Forscher aufhorchen lassen:Demnach soll eine spezielle Substanz im UrinHinweise auf das Ausmaß von Zellschäden geben.

Fünf entscheidende Faktoren

Doch bestätigt ist das noch lange nicht. Forscher betonen fünf Faktoren, mit deren Hilfe man tatsächlich Aussagen über das biologische Alter treffen kann:

  • Die Muskelkraft. "Wir messen sie z. B. mit einem Hand-Dynamometer", sagt Lercher. Dabei muss man z. B. an einem Griff ziehen oder zwei Griffe zusammendrücken. So hat auch eine US-Studie gezeigt: Die Stärke des Händedrucks sagt nicht nur etwas über die Lebenserwartung, sondern auch etwas über die Regenerationsfähigkeit nach Krankheiten aus. Wer mehr Kraft in den Händen hat, lebt auch länger.
  • Die Koordination. Auch Koordinationstests sind sehr aufschlussreich. Für zuhause hat Lercher den Tipp: "Versuchen Sie – immer gesichert von einer zweiten Person – für 60 Sekunden mit geschlossenen Augen auf einem Bein zu stehen." Ein geringes Sturzrisiko ist entscheidend für ein niedriges biologisches Alter.
  • Die Beweglichkeit. Wie groß sind der Bewegungsumfang und die Mobilität der einzelnen Gelenke? Welche Rotationen sind möglich? Wie stark kann man sich beugen und neigen?
  • Die Sauerstoffaufnahme. Ganz entscheidend ist die Sauerstoff-Aufnahmefähigkeit (über die Lunge und über das Blut, erkennbar am Hämoglobinwert) – in Kombination mit der Pumpfunktion des Herzens.
  • Die Herzfitness. "Goldstandard für die Bestimmung des biologischen Alters ist die Spiroergometrie", sagt Lercher. Während eines Belastungstests am Laufband oder Ergometer wird eine Atemgasanalyse durchgeführt. "Danach kann ich genau sagen, wie hoch Ihre Leistungsfähigkeit in Prozent des jeweiligen Altersdurchschnitts ist – ob Sie also über oder unter den Durchschnittswerten Ihrer Altersklasse liegen. Das ist extrem aussagekräftig für den körperlichen Gesamtzustand."

Extreme Unterschiede

In der neuseeländischen Stadt Dunedin wurden rund 1000 Menschen im kalendarischen Alter von 38 Jahren mit diesen und noch weiteren Tests gesundheitlich und psychologisch untersucht. Dann wurde das biologische Alter der Studienteilnehmer berechnet: Es lag zwischen 28 und 61 Jahren. Die Forscher hatten auch Daten aus dem 26. und 32. Lebensjahr der Teilnehmer – der Vergleich zeigte: Die mit den schlechtesten gesundheitlichen Werten alterten jedes chronologische Jahr um drei Jahre, während andere jünger blieben als ihr biologisches Alter.

Lercher bringt es auf eine einfache Formel: "Je schlechter Ihre Kraft, Ausdauer und Koordination sind – desto älter sind Sie biologisch gesehen. Und wenn Sie beim Stiegensteigen schon im ersten Stock außer Atem sind, ist das kein gutes Zeichen."

„Blue Zones“ nennt man sie – „blaue Zonen“: Jene Regionen der Erde mit einem überdurchschnittlich hohen Anteil von Menschen, die 100 Jahre und älter sind: Etwa Sardinien, die Insel Ikaria in Griechenland, Loma Linda in Kalifornien, die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica und die japanische Insel Okinawa.

Folgende Punkte sind den Menschen in all diesen Regionen gemeinsam: Sie sind zeit ihres Lebens geistig und körperlich aktiv, familiär und sozial überdurchschnittlich engagiert, rauchen nicht oder wenig, und die Mehrheit ihrer Nahrungsmittel kommt von Pflanzen. Beinahe alle männlichen Hundertjährigen sind schlank.

Doch der Lebensstil und das soziale Umfeld alleine sind es – bei aller Bedeutung – allerdings nicht ausschließlich: „Das Beste, was man für eine hohe Lebenserwartung tun kann, ist, sich die richtigen Eltern ‚auszusuchen‘“, formulierte es einmal ein Demograph. Denn mindestens die Hälfte aller Hundertjährigen hat nahe Verwandte (besonders Geschwister), die ebenfalls überdurchschnittlich alt werden – ein Hinweis, dass auch „Langlebigkeitsgene“ eine Rolle spielen.

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