Erste Studie: Auch Dampfen schadet der Lunge
300.000 Millionen Lungenbläschen besitzt ein gesunder Mensch. Diese Fortsätze der Bronchien sind die kleinsten Verästelungen unserer Atemwege – hier findet zwischen Atemluft und Blut der Austausch von Sauerstoff und Kohlendioxid statt. Verfangen sich an ihrer Oberfläche etwa Staubpartikel, Bakterien oder Allergene, werden Fresszellen aktiv: Sie umschließen die Fremdkörper, die die Atmung behindern können, und bauen sie ab.
Britische Forscher konnten jetzt erstmals zeigen: Werden solche Fresszellen im Labor dem Kondensat von E-Zigaretten ausgesetzt, sterben viele von ihnen ab – mehr, als wenn sie nur dem Liquid (der aromatisierten Flüssigkeit) oder gar keiner Substanz ausgesetzt werden. Enthielt das Kondensat Nikotin (was häufig der Fall ist), verstärkte sich der Effekt. Und Entzündungsstoffe bildeten sich. Beides kann zur Schädigung von Lungengewebe führen (siehe untenstehendes Interview mit Lungenfacharzt Bernd Lamprecht). Die Studie ist im Fachmagazin Thorax erschienen.
„Die Veränderungen, die wir sahen, waren ähnlich jenen, wie wir sie auch bei Rauchern und COPD-Patienten sehen“, schreiben die Studienautoren der Universität von Birmingham.
„Kleineres Übel“
Die Funktionsweise von E-Zigaretten unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Tabakzigaretten. Anders als bei der Tabakzigarette findet beim Dampfen kein Verbrennungsprozess bei 1.000 Grad statt. Die sogenannten Liquids verdampfen bei rund 260 Grad. Die Liquids sind eine flüssige Mischung aus Propylenglykol, Glyzerin, Wasser, Lebensmittelaromen und wahlweise Nikotin.
„Diese Studie ist insofern Neuland, als man sich bisher nur die Inhaltsstoffe von E-Zigarettendampf und Zigarettenrauch angesehen hat“, sagt Lungenfacharzt Bernd Lamprecht. „Weil es beim Dampfen im Gegensatz zum Rauchen zu keinen Verbrennungsprozessen kommt, wird es als das kleinere Übel gesehen.“ Denn im Zigarettenrauch sind 4000 chemische Substanzen enthalten, mindestens 70 davon sind krebserregend.
Zwar enthalten auch die Liquids der E-Zigaretten Substanzen, „die als potenziell krebserregend gelten“. Das Gesundheitsrisiko wird aber als deutlich geringer eingestuft.
Die Autoren hinterfragen aber die verbreitete Ansicht, E-Zigaretten seien sichere Produkte. Lamprecht: „Viele E-Zigaretten enthalten Nikotin, das alleine erhöht das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten. Und die Langzeitfolgen der Aromastoffe und der Trägersubstanz Propylenglykol im Liquid sind nicht geklärt. Und jetzt kommen noch die möglichen Risiken des Dampfens an sich dazu.“ Für Menschen, die mit dem Rauchen aufhören wollen und das nicht schaffen, „sind E-Zigaretten eine – aus meiner Sicht nur vorübergehende – Alternative. Aber harmlos sind sie nicht.“
Nachgefragt: „Unsere Bronchien sind dafür nicht geschaffen“
Bernd Lamprecht ist Vorstand der Klinik für Lungenheilkunde des Kepler Universitätsklinikum Linz. Er sieht Indizien, dass Dampfen das Risiko für das Lungenleiden COPD erhöht.
KURIER: Hat Sie das Ergebnis der Studie – die negativen Auswirkung regelmäßigen Dampfens auf Abwehrzellen und Lungengewebe – überrascht?
Bernd Lamprecht: Nicht wirklich. Natürlich ist diese eine Studie noch kein endgültiger Beweis, weitere Untersuchungen sind notwendig. Aber sie ist ein Indiz dafür, dass neben Tabakrauch auch andere regelmäßige Inhalationen potenziell Schaden an Atemwegen und Lunge verursachen können. Und es ist klar, dass auch das regelmäßige Inhalieren von E-Zigaretten-Dampf kein natürlicher Vorgang ist. Unsere Bronchien sind dafür nicht geschaffen.
Was passiert durch den Dampf genau in der Lunge?
Offenbar kann – so wie auch durch Zigarettenrauch – ein Entzündungsprozess ausgelöst werden, eine Abwehrreaktion der Lunge: Entzündungszellen wandern in das Lungengewebe ein, es schwillt an, rötet und erwärmt sich. Gleichzeitig sterben vermehrt jene Abwehrzellen ab, die eine Schutzfunktion vor Schadstoffen haben. Eine kontinuierliche Entzündung führt zu Gewebeschäden, die der Körper aber nur unzureichend reparieren kann. Auch Lungenbläschen gehen zugrunde, Narbengewebe bleibt zurück. Das bezeichnen wir heute als COPD, als chronisch-entzündliche Atemwegserkrankung.
Die neue Studie ist ein Hinweis darauf, dass auch der E-Zigarettendampf Auslöser von COPD sein könnte. 20 bis 25 Prozent der COPD-Patienten haben nie Zigaretten geraucht – es können auch andere Faktoren eine Rolle spielen.
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