Ein Flüchtlingskind als König Melchior

Koshid (3. v. li.) aus Afghanistan will Sonja genannt werden und stellt Melchior dar.
In der Innsbrucker Pfarre Mühlau ist es keine Frage der Religion, anderen zu helfen.

Melchior heißt eigentlich Khorshid, will aber von allen Sonja genannt werden. Für das siebenjährige Mädchen aus Afghanistan ist das die ideale Übersetzung ihres Namens, der auf Farsi „Sonne“ bedeutet. Nach ihrer Herkunft wurde sie dieser Tage wieder öfter gefragt als sonst. Mit drei anderen Mädchen besuchte sie als einer der „Heiligen Drei Könige“ (die wichtigsten Fragen und Antworten beantworten wir hier) im Rahmen der diesjährigen Dreikönigsaktion an drei Tagen etwa 90 Haushalte in der Innsbrucker Pfarre Mühlau, sang die traditionellen Sternsinger-Lieder mit und sammelte Spenden für Hilfsprojekte.

Vor einem Jahr erst angekommen

Vor einem Jahr war Sonjas Leben noch weit weniger geordnet. Sie kam am 30. Dezember 2015 mit ihrem Vater und ihrem kleinen Bruder in einer Notschlafstelle der Caritas in Innsbruck an. Nach drei Monaten übersiedelte die Familie in eine Wohnung, die von der Pfarre Mühlau betreut wird. Elisabeth Wieser kümmert sich um die drei und hilft im Alltag. Mit Sonja, die in diesem Jahr bereits gut Deutsch gelernt hat, übte sie die Texte und Lieder, die die Sternsinger aufsagen. „Den Text hat sie sich gleich aufgeschrieben, geübt und auswendig gelernt, das ging ruck-zuck. Das Lied zu lernen war etwas schwieriger. Aber damit haben sich auch unsere Kinder schwer getan“, erzählt sie im KURIER-Gespräch. Die anderen beiden „Königinnen“ der Gruppe und die Sternträgerin verstehen sich gut mit Sonja. „Kinder haben weniger Berührungsängste.“Die Rolle des Melchiors teilt sie sich mit der ebenfalls dunkleren Flora, die eine waschechte Tirolerin ist.

Keine Frage der Religion

Ein afghanisches Flüchtlingskind bei den katholischen Sternsingern ist in der Pfarre Mühlau ein Widerspruch – im Gegenteil. „Bei der Dreikönigsaktion ist die Religion egal. Es ist keine Frage der Konfession, anderen zu helfen“, betont Wieser. Der Grundgedanke der Aktion sei schließlich, anderen zu helfen. „Mich rührt, dass da ein Kind mitmacht, das vor einem Jahr ohne irgendetwas hier ankam und kein Wort Deutsch konnte – und jetzt etwas für andere tut, denen es noch schlechter geht.“

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