Drei Eltern für das Wunschkind: Was ein Experte sagt
"Bis jetzt konnten wir nur die Auswahl der Embryonen verbessern. Aber jetzt eröffnet sich uns die Möglichkeit, Embryonen zu verbessern." So kommentiert Valery Zukin, Leiter der Nadiya Clinik in Kiew in der Ukraine, in der britischen Times die Geburt eines Babys mit drei genetischen Eltern: Es ist – nach der Geburt eines Kindes Anfang April in Mexiko – das zweite Kind weltweit, das Erbgut seiner leiblichen Eltern und das einer Eizellspenderin trägt.
Und doch gibt es einen großen Unterschied: Bei dem Kind in Mexiko war eine Erbkrankheit der Mutter Grund für den Eingriff. Jetzt ging es aber nur darum, die Chancen für eine erfolgreiche künstliche Befruchtung zu erhöhen. Dementsprechend heftig ist die Kritik.
Vier erfolglose Versuche
Die eigentlichen Eltern des Kindes wünschen sich seit zehn Jahren ein Kind – doch trotz vier Versuchen mit künstlicher Befruchtung blieben sie erfolglos.
Zukin entschied sich deshalb für eine umstrittene Methode: Sein Team befruchtete – wie bei allen bisherigen Versuchen – eine Eizelle der Mutter mit einer Samenzelle des Vaters. Bevor die beiden Zellkerne komplett miteinander verschmolzen, entnahmen sie diese und setzten sie in eine entkernte Zellhülle (alles, was den Zellkern umgibt) einer Eizelle einer anderen Frau ein.
In dieser Zellhülle befinden sich die Mitochondrien, die Kraftwerke der Zellen, die, wie Batterien, ihnen Energie zur Verfügung stellen.
Sehen Sie hier eine Infografik, wie die Methode funktioniert:
"Anti-Aging"
"Was man in der Ukraine gemacht hat, war letztlich eine reine Anti-Aging-Maßnahme", sagt Univ.-Prof. Andreas Obruca vom Kinderwunschzentrum Goldenes Kreuz in Wien. Denn höchstwahrscheinlich stammte die gespendete Eizelle von einer jüngeren Frau: "Die Hoffnung bei dieser Methode ist, dass jüngere Mitochondrien dem Embryo mehr Energie zur Verfügung stellen."
So könne es sein, dass die Zellteilung in einem Embryo aus einer älteren Ei- und Samenzelle zu langsam abläuft – und es dadurch zu keiner erfolgreichen Schwangerschaft kommt: "Es ist möglich, dass hier jüngere Mitochondrien einen Unterschied machen – aber erwiesen ist dieser Verjüngungseffekt überhaupt nicht. Es gibt keinen wissenschaftlichen Nachweis dafür."
Etwas anderes sei es, wenn diese Methode unter strengen Auflagen dafür eingesetzt werde, um Erbkrankheiten zu verhindern – und Mitochondrien, die eine Krankheit weitergeben, auszutauschen, betont Obruca.
"Alter kann man nicht zurückdrehen"
Bei einer 20-jährigen Frau sind rund 10 bis 20 Prozent der Eizellen genetisch beeinträchtigt – dadurch nistet sich der Embryo nicht ein oder geht frühzeitig ab. Bei einer 35-Jährigen sind es 50 Prozent, bei einer 40-Jährigen rund zwei Drittel und bei einer 44-Jährigen rund 90 Prozent der Eizellen. "Bei der künstlichen Befruchtung hat man die Möglichkeit, nur Embryonen auszuwählen, die genetisch einwandfrei sind. Dieses Problem kann man also lösen. Aber das Alter der Zellen kann man trotzdem nicht zurückdrehen."
Zwar befinden sich nur 0,1 Prozent der gesamten Erbsubstanz in den Mitochondrien – und diese haben auch keinen Einfluss auf äußere Merkmale wie etwa die Haarfarbe. "Es scheint zwar so zu sein, dass es keine Nachteile für die Kinder gibt – aber Langzeitdaten haben wir natürlich noch nicht."
Obruca: "Es ist nicht die Lösung, um jeden Preis alle Methoden anzuwenden. Schon gar nicht, wenn man nichts über mögliche Risiken und Nachteile weiß. Ich würde mit dem heutigen Stand des Wissens keinem Paar raten, dieses Verfahren nur deshalb anzuwenden, um überhaupt eine Schwangerschaft zu erzielen. "
Die rechtliche Lage
Großbritannien ist das erste Land, das die Erzeugung von Embryos mit dem Erbgut von drei Menschen unter bestimmten Auflagen ausdrücklich erlaubt – und regelt. Allerdings handelt es sich dabei nur „um den vorsichtigen Einsatz“ dieser Methoden bei „besonderen Umständen“. Dabei geht es immer darum, Mitochondrien der Mutter durch Mitochondrien einer Spenderin zu ersetzen – aber nur dann, wenn bestimmte Erkrankungen mit den Mitochondrien vererbt werden können. Trotzdem ist die Regelung sehr umstritten.
Der Unterschied zu Mexiko oder Ukraine ist, dass diese Länder diese Verfahren zwar nicht ausdrücklich erlauben, aber eben auch nicht verbieten.
Die Regelung in England bedeute, „dass Eltern, die ein hohes Risiko für ein Kind mit einer lebensbedrohlichen mitochondrialen Krankheit haben, bald die Chance auf ein gesundes leibliches Kind bekommen“, so eine Sprecherin der zuständigen Behörde HFEA. In Österreich sind solche Eingriffe verboten.
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