Die unbekannte Rolle des Partners

Sad woman is lying in bed with her arm on head and eyes. Young woman with long hair, wears pink underwear.
Der Einfluss der Beziehung auf Intensität und Häufigkeit der Attacken wird jetzt erforscht

Die Schlagzeile klingt aufs erste ganz gut: „Sex kann Kopfschmerz lindern“, berichteten verschiedene Medien dieser Tage – und beriefen sich auf eine Studie der Uni Münster. Doch die dortigen Neurologen relativieren solche Überschriften: Es handle sich um Einzelfälle – zwei Drittel der befragten Migränepatienten gaben von vornherein an, bei Kopfschmerzen auf Sex zu verzichten. Die Autoren selbst halten die Aussagekraft der Daten für eingeschränkt: Denn bei solchen Befragungen neigen viele dazu, Angaben zu beschönigen.

„Das Beispiel zeigt aber sehr gut, dass wir noch sehr wenig über die Zusammenhänge von Partnerschaft und Migräne wissen“, erklärt Univ.-Prof. Christian Wöber, Leiter des Spezialbereiches Kopfschmerz der MedUni Wien / AKH Wien. „Deshalb starten wir jetzt eine große Studie mit 100 Betroffenen, die mehr umfasst als nur Fragebögen.“ Drei Monate lang sollen die Teilnehmer – Interessenten können sich noch melden (siehe re.) – ein Tagebuch führen.

Keine Ausrede

„Es gibt viele Vorurteile“, sagt Wöber: „Sätze wie ,Schatz, nicht heute, ich habe Kopfschmerzen‘ kursieren als eine Art Migräne-Witz und gelten bei jenen, die diese Krankheit nicht kennen, als Ausrede.“ Doch die Realität sei eine ganz andere: „Gerade Migräne-Patienten sind sehr pflichtbewusste Menschen, die extrem selten Ausreden anwenden. Wenn sie z. B. sagen, sie können am Abend nichts in Theater gehen – dann können sie es wirklich nicht.“

Ob Partner die Attacken tatsächlich als Ausrede betrachten – oder auch das nur ein Vorurteil ist –, ist nicht bekannt. „Es gibt praktisch keine Studiendaten, wie sehr die Migräne die Partnerschaft belastet und umgekehrt die Partnerschaft sich auf die Migräne auswirkt.“ Mehr Wissen darüber könne auch für die Therapie bedeutend sein. Wie groß die Wechselwirkungen sein können, zeigt allerdings der Umstand, dass „nach einer Scheidung die Migräne-Symptome oft deutlich besser werden.“

Bezüglich der Therapie sei eine Kombination aus – den richtigen – Medikamenten und ergänzenden Maßnahmen – Akupunktur, Entspannungstechniken, Yoga – am erfolgreichsten. „Und den sehr individuellen Einfluss des Wetters darf man nicht als Ausrede nehmen, nichts an seinem Lebensstil zu ändern – etwa auf regelmäßige Mahlzeiten und regelmäßigen Schlaf zu achten.“

Bei den Attacken lautet das Therapieziel, innerhalb von zwei Stunden ein Abklingen der Schmerzsymptome zu erreichen: „Das gelingt auch bei zirka 70 Prozent der Patienten.“

Langfristig sei das Ziel, die Häufigkeit der Anfälle um die Hälfte zu reduzieren.

„In einer Beurteilung der weltweiten Belastung der Menschen durch 289 verschiedenen Krankheiten liegt Migräne an 7. Stelle“, sagt Wöber. „Wenn das Verständnis beim Partner oder den Kollegen fehlt, spielen die Betroffenen häufig die Erkrankung herunter – und fühlen sich unter Druck gesetzt. Damit wird alles noch schlimmer. Migräne ist mehr als nur ein wenig Kopfschmerz.“

100 Betroffene für große Studie gesucht

Drei Monate Tagebuch: Wer von Migräne betroffen ist und in einer Beziehung lebt, kann an der Studie der MedUni Wien über Einflüsse der Partnerschaft auf die Häufigkeit und Intensität der Kopfschmerzen teilnehmen. Nach einem Gespräch mit einem Studienmitarbeiter muss drei Monate lang ein Tagebuch geführt werden.

Anmeldung: Interessenten können sich unter der eMail-Adresse kopfschmerz[at]meduniwien.ac.at formlos anmelden und werden danach kontaktiert.

Wie viel Schmerz, konkret: Kopfschmerz, bereitet eine Partnerschaft? – Weil man über die Volkskrankheit Migräne noch viel zu wenig weiß, werden jetzt 100 Betroffene für eine Studie gesucht, die diesbezüglich Tagebuch führen. Dann wird man wissen, ob andere bereits vorliegende Studien stimmen. Etwa, dass Sex gegen Kopfschmerz hilft. Oder dass Migränepatienten nach der Scheidung einen schmerzfreien Kopf haben – was wieder auf zu wenig Sex vor der Scheidung hindeuten könnte.

Andererseits ist gerade viel Sex, außerehelicher, oft Scheidungsgrund. Dann dürft’s aber vorher kein Kopfweh geben, höchstens Kopfzerbrechen. – Alles sehr kompliziert also.

Aber vielleicht kommt am Ende ja tatsächlich raus, dass Sex hilft. Und dass daher Kopfweh als Ausrede (im schlüpfrigen Schüttelreim sagt sie zu ihm: „Mein Gott, ist dein Wedel schee, nur leider, ich hab’ Schädelweh“) ein Bumerang ist.

Wahrscheinlicher ist eher, dass solche Studien zur hämmernden Geißel Migräne ungefähr so hilfreich sind wie ein Aspirin.

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