Alles begann Mitte der 1960er-Jahren mit einer Erkältung: Im britischen Salisbury stieß ein gewisser Dr. David Tyrrell auf eine Nasenspülung, in der sich Viren befanden, die er nicht zuordnen konnte. Darum sandte er die Probe mit dem Namen B814 an eine Labortechnikerin namens June Almeida. Mit dem Elektronenmikroskop diagnostizierte die: Ähnelt den Grippeviren, aber doch nicht ganz. Weil sie die Form an eine Krone erinnerte, nannte Almeida ihre Entdeckung Coronavirus (lateinisch Krone).
Heute ist Corona der wohl meistgegoogelte Begriff weltweit, June Almeida aber vergessen. Ihr Weg zu einer der weltweit führenden Virologinnen war alles andere als gradlinig. 1930 in Glasgow als Tochter eines Busfahrers geboren, verließ sie mit 16 Jahren die Schule und war zum Zeitpunkt ihrer großen Entdeckung keine Ärztin, sondern eine geniale Laborantin – eine Technikerin und Tüftlerin.
Zehn Jahre Ausbildung
"Den Karriereweg gibt es nicht, weil die Virologie sehr interdisziplinär ist. Je nachdem, wo jemand arbeitet, werden bestimmte Fähigkeiten verlangt", sagt Franz X. Heinz, lange Jahre Leiter der Wiener Virologie. Egal, ob Human- oder Veterinär-Medizin, Biologie, Biochemie, Mikrobiologie oder Genetik. "Jedes der Studien ist möglich, später spezialisiert man sich." Da ist der angehende Virologe schon mal gut zehn Jahre mit Ausbildung beschäftigt.
Was man jedenfalls brauche, sei wissenschaftliche Neugier, meint Heinz. Und seine Nachfolgerin als leitende Virologin, Elisabeth Puchhammer-Stöckl, ergänzt: "Es braucht auch Optimismus und eine große Frustrationstoleranz. Oft funktionieren Versuche nicht, und es dauert lang, bis man zu einem Ergebnis kommt, das die Realität widerspiegelt."
Das Berufsbild sei überaus divers, sagt Heinz: "Da gibt es Leute, die sich mit den atomaren Strukturen eines Virus beschäftigen und rausfinden wollen, wo man angreifen kann. Das ist ganz etwas anderes als das, was ein Kliniker am Krankenbett macht." Dann gebe es noch die Vakzinologen (Virologen, die sich mit der Entwicklung von Impfstoffen beschäftigen), die Übergänge zu Immunologie und Epidemiologie seien sowieso fließend.
Dabei ist die "Schleimologie" (Virus: lateinisch für Schleim) eine sehr junge Disziplin: "Viren wurden erst vor gut 100 Jahren entdeckt", sagt Heinz. "Das erste war ein Pflanzenvirus – das Tabakmosaikvirus". Kurz darauf konnten Friedrich Loeffler und Paul Frosch das erste Virus nachweisen, das Tiere befällt: die Maul- und Klauenseuche. "Das erste humanpathogene Virus war dann das Gelbfiebervirus, 1900 vom US-Militärarzt Walter Reed entdeckt."
Unzählige Virusarten
Heute weiß man, dass es unzählige Virusarten gibt. Sie sind die häufigste biologische Form im Meerwasser – in 200 Litern tummeln sich 5.000 Arten. Manche sind harmlos, manche befallen nur Tiere, andere auch Menschen, manche sind lebensgefährlich. Anders als Bakterien haben sie keinen eigene Stoffwechsel, weshalb Antibiotika, die Stoffwechselvorgänge blockieren, gegen sie machtlos sind.
Medikamente gegen die Winzlinge, die unter anderem für Pocken, Gelbfieber, Kinderlähmung, HiV, Herpes, Influenza, und die verschiedenen Coronaerkrankungen verantwortlich sind, ist für Virologen also eine echte Herausforderung. Wobei: "Corona-Virologen spielten in der Humanmedizin eine geringe Rolle. Anders als in der Tiermedizin, denn in Farmen gab es eine Reihe von Infektionen. Doch dann kam 2002 die erste SARS-Pandemie (eines der Coronaviren), und sie standen im Mittelpunkt des Interesses", erinnert Heinz. "Alles, was sie davor im stillen Kämmerein geforscht hatten, war von überragender Bedeutung. Auf all dem baut die aktuelle Forschung auf."
Übrigens: Auch June Almeidas Methoden werden noch immer angewendet. Ende der 1980er-Jahren wurde sie aus dem Ruhestand geholt, um das HI-Virus zu visualisieren. Und erst unlängst hat China Almeidas Technik genutzt, um Covid-19 zu identifizieren.
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