Nobelpreis für Parasitologen und Malariaforscherin

Nobelpreis für Parasitologen und Malariaforscherin
Die diesjährigen Gewinner entwickelten neue Therapien gegen Parasiten-Infektionen.

Der diesjährige Nobelpreis für Physiologie und Medizin geht an insgesamt drei Forscher: Zur Hälfte an den US-Forscher William C. Campbell gemeinsam mit dem Japaner Satoshi Ōmura, sowie zur weiteren Hälfte an die Chinesin Youyou Tu für ihre Entdeckungen zu neuen Therapien gegen Infektionen, die durch Parasiten verursacht werden. Die diesjährigen Gewinner hätten Therapien entwickelt, die die Behandlung einiger der gefährlichsten Parasitenkrankheiten weltweit revolutioniert hätten, so die Begründung des Komitees.

Nobelpreis für Parasitologen und Malariaforscherin
Satoshi Omura, special honour professor of Kitazato University, is seen in this photo taken by Kyodo April 21, 2014. William Campbell, Satoshi Omura and Youyou Tu jointly won the 2015 Nobel prize for medicine or physiology for their work against parasitic diseases, the award-giving body said on October 5, 2015. Mandatory credit REUTERS/Kyodo ATTENTION EDITORS - THIS IMAGE HAS BEEN SUPPLIED BY A THIRD PARTY. FOR EDITORIAL USE ONLY. NOT FOR SALE FOR MARKETING OR ADVERTISING CAMPAIGNS. MANDATORY CREDIT. JAPAN OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN JAPAN.
Satoshi Ōmura, ein japanischer Mikrobiologe und Experte im Isolieren natürlicher Stoffe, von der Universität Kitasato in Tokio und der gebürtige IreWilliam C. Campbellvon der Drew University in New Jersey entwickelten mit Avermectin eine Therapie gegen Elephantiasis als Folge von lymphatischer Filariose und gegen die sogenannte Flussblindheit. "Die Flussblindheit ist das Endstadium der Wurmerkrankung Onchozerkose. Übertragen wird sie durch Kriebelmücken, die in den Wäldern an Flussläufen leben. Dort haben sich in Afrika wegen der Fruchtbarkeit der Regionen auch die Menschen natürlich vermehrt angesiedelt", sagte der Wiener Tropenmediziner Herwig Kollaritsch.

Medikament

Nobelpreis für Parasitologen und Malariaforscherin
William C. Campell
Ōmura untersuchte eine Gruppe von Bakterien, die Streptomyces, die im Boden leben und antibakterielle Stoffe produzieren. Aus einem Stamm hat man bereits das erste TBC-Medikament (Streptomycin) sowie weitere antibiotisch wirksame Substanzen gewonnen. Er selektierte aus tausenden verschiedenen Kulturen die 50 vielversprechendsten in der Absicht, dass sie schädliche Mikroorganismen beim Menschen zerstören könnten.

William C. Campbell, ein Experte in Parasitärer Biologie, arbeitete mit Ōmuras Streptomycen-Kulturen und erforschte ihre Effektivität. Er zeigte, dass eine Komponente der Kulturen bemerkenswert effektiv gegen Parasiten bei Tieren wirkte. Daraus entstand der Wirkstoff Avermectin, der später zu einer noch effektiveren Variante modifiziert wurde, dem Ivermectin. Dieses zerstört auch im menschlichen Körper Parasitenlarven. Die Entdeckungen von Ōmura und Campbell führten zur Entwicklung einer neuen Klasse von Medikamenten gegen parasitäre Erkrankungen.

Parasitäre Würmer

Die beiden Krankheiten, Flussblindheit und Elephantiasis, die damit behandelt werden können, werden durch parasitäre Würmer ausgelöst. Flussblindheit führt – wie der Name sagt – durch eine chronische Infektion der Hornhaut zu Blindheit. Bei Elephantiasis kommt es zu chronischen Schwellungen und dadurch bedingter lebenslanger Stigmatisierung. Die Krankheit wird auch Elefantenmann-Syndrom genannt. Es kommt zu abnormen Vergrößerungen von Körperteilen durch einen Lymphstau. Oft sind die Beine betroffen oder die äußeren Geschlechtsteile.

"Ich nehme den Preis dankbar an", sagte Ōmura am Montag der offiziellen Plattform des Nobelpreiskomitees "Nobelprize.org" und gab sich angesichts seines Beitrags bescheiden: "Es gab viele Forscher, die Wichtiges beigetragen haben, meine Forschung war gar nicht so entscheidend". Er habe einiges dazu beigetragen, zu zeigen, wie wichtig Mikroorganismen in der Natur sind. Den Mikroorganismus, der entscheidend für die Entwicklung des Medikaments Avermectin war, fand der leidenschaftliche Golfspieler damals "sehr nahe an einem Golfplatz", erklärte der neue Nobelpreisträger.

Malaria-Wirkstoff

Nobelpreis für Parasitologen und Malariaforscherin
Pharmacologist Tu Youyou attends a award ceremony in Beijing, November 15, 2011. William Campbell, Satoshi Omura and Tu jointly won the 2015 Nobel prize for medicine or physiology for their work against parasitic diseases, the award-giving body said on October 5, 2015. Picture taken November 15, 2011. REUTERS/Stringer CHINA OUT. NO COMMERCIAL OR EDITORIAL SALES IN CHINA.
Die chinesische ForscherinYouyou Tuvon der Chinesischen Akademie für traditionelle chinesische Medizin entwickelte den Anti-Malaria-Wirkstoff Artemisinin aus der Beifußpflanze. Diese ist seit Jahrtausenden in China in Verwendung, auch als Malariamittel. Die erstmalige Möglichkeit, die biologische Substanz Artemisinin aus einer Pflanze herauszulösen bedeutete einen „Paradigmenwechsel“, so das Nobel-Komitee. „Das ermöglichte erst die Produktion in großem Stil.“ Zwar gebe es erste Resistenzen in Südostasien, die Substanz sei aber noch immer extrem wichtig in der Malaria-Bekämpfung.

Das Komitee betonte, dass nicht traditionelle chinesische Medizin ausgezeichnet wird, sondern Youyou Tu sei lediglich durch traditionelle Rezepte inspiriert worden. Youyou Tu wusste bis zur Verkündung noch nichts von ihrem Nobelpreises - das Komitee hatte sie vorher noch nicht erreicht.

Youyou Tu ist die elfte Frau, der der Medizin-Nobelpreis zuerkannt wurde. Bislang sind nur rund fünf Prozent der insgesamt 207 Preisträger dieses Fachgebiets weiblich. Die erste Frau, die damit ausgezeichnet wurde, war 1947 Gerty Cori (USA) für Arbeiten über Enzyme.

Doch Frauen holen auf bei dem Preis, den es seit 1901 gibt: Allein fünf ihrer Nobelpreise wurden in den vergangen 20 Jahren vergeben. Unter den Preisträgerinnen war 1995 auch die deutsche Forscherin Christiane Nüsslein-Volhard (Tübingen), die die genetische Kontrolle der frühen Embryonalentwicklung untersucht hat.

"Wirklich verdient"

Laut dem Nobelpreiskomitee profitieren 3,4 Milliarden Menschen von der Entdeckung der Medikamente der drei ausgezeichneten Forscher. 100 Nationen sind betroffen. Jährlich gebe es alleine 200 Millionen neue Infektionen von Flussblindheit und Elephantiasis. Die Entdeckungen der diesjährigen Gewinner hätten die Gesundheit der Menschheit maßgeblich verbessert und Leid weltweit reduziert. Die positiven Auswirkungen seien „unermesslich“, heißt es in der Aussendung des Komitees.

„Die drei Preisträger haben sich die Auszeichnung wirklich verdient, das ist eine tolle Sache und vollkommen gerechtfertigt“, sagt der Tropenmediziner Univ.-Prof. Herwig Kollaritsch von der MedUni Wien in einer ersten Stellungnahme. „Es gibt wenige Medikamente, die so einen entscheidenden Einfluss auf die Volksgesundheit in ressourcenarmen Ländern haben und gehabt haben wie diese beiden Entwicklungen.“

Beide Wirkstoffe haben die Behandlungsmöglichkeiten dieser Erkrankungen massiv positiv beeinflusst: „Avermectin hat fast zur Ausrottung der Flussblindheit geführt – davor war das eines der Hauptprobleme in Westafrika.“ Und Artemisinin sei nach wie vor die Standardtherapie gegen Malaria schlechthin: „Erste Resistenzen in Südostasien schmälern die Bedeutung überhaupt nicht, weil in Schwarzafrika, das von Malaria massiv betroffen ist, wirkt es nach wie vor problemlos.“

Der starke Rückgang bei den Malaria-Todeszahlen in den vergangenen Jahren sei zu einem großen Teil auf Artemisinin zurückzuführen. Weltweit sind nach WHO-Daten in diesem Jahr geschätzte 214 Millionen Menschen neu an Malaria erkrankt, im Jahr 2000 waren es 262 Millionen Neuerkrankungen.

Die Auszeichnung ist mit acht Millionen Schwedischen Kronen (848.000 Euro) dotiert.

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Die Auszeichnung für Therapieansätze gegen Parasiten-Krankheiten wie Malaria und Flussblindheit hat nach Einschätzung des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin auch eine politische Botschaft. „Beide Wirkstoffe sind aus biologischen Materialien gewonnen worden“, sagte der Parasitologe Egbert Tannich in Hamburg. „Darum ist es wichtig, die biologische Vielfalt zu erhalten, damit wir auch in Zukunft solche Wirkstoffe isolieren können. Außerdem geht es in beiden Fällen um Krankheiten, die besonders in armen Ländern viele Menschen betreffen.“

Die Entdeckung des Malaria-Wirkstoff Artemisinin sei wichtig gewesen, weil ständig neue Resistenzen entstünden, so der Professor. „Darum brauchen wir immer wieder neue Medikamente. Und es hatte sich kein neues abgezeichnet. Da waren wir froh, dass dieses neue Medikament dazugekommen ist, denn wir hatten zunehmend Probleme, die schweren Verlaufsformen der Malaria zu behandeln. Leider ist es inzwischen so, dass sich auch gegen Artemisinin Resistenzen entwickeln.“ Damit sei zu befürchten, dass auch diese „Waffe“ stumpf werden könnte.

Der Wirkstoff Avermectin sei eigentlich als antiparasitäres Mittel für Tiere entwickelt worden, sagte der Leiter der Sektion Parasitologie am Institut. Es wirke aber auch bei Wurmerkrankungen des Menschen. „Beide Wirkstoffe sind zwar patentgeschützt, werden den armen Ländern aber kostenlos zur Verfügung gestellt.“

Der Medizin-Nobelpreis wird seit 1901 verliehen. Die erste Auszeichnung ging damals an den deutschen Bakteriologen Emil Adolf von Behring für die Entdeckung der Serumtherapie gegen Diphtherie. Die Preisträger der vergangenen zehn Jahre waren:

2014: Das norwegische Ehepaar May-Britt und Edvard Moser sowie John O'Keefe (USA/Großbritannien) für die Entdeckung eines Navis im Hirn: Sie fanden grundlegende Strukturen unseres Orientierungssinns.

2013: Thomas Südhof (gebürtig in Deutschland) sowie James Rothman (USA) und Randy Schekman (USA) für die Entdeckung von wesentlichen Transportmechanismen in Zellen.

2012: Der Brite John Gurdon und der Japaner Shinya Yamanaka für die Rückprogrammierung erwachsener Körperzellen in den embryonalen Zustand.

2011: Bruce Beutler (USA) und Jules Hoffmann (Frankreich) für Arbeiten zur Alarmierung des angeborenen Abwehrsystems. Ralph Steinman aus Kanada entdeckte Zellen, die das erworbene Immunsystem aktivieren. Er war kurz vor der Verkündung gestorben und bekam den Preis posthum.

2010: Der Brite Robert Edwards für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung.

2009: Elizabeth Blackburn, Carol Greider und Jack Szostak (alle USA) für die Erforschung der Zellalterung.

2008: Harald zur Hausen (Deutschland) für die Entdeckung der Papilloma-Viren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen, sowie die Franzosen Françoise Barré-Sinoussi und Luc Montagnier für die Entdeckung des Aidserregers HIV.

2007: Mario R. Capecchi, Oliver Smithies (beide USA) und Sir Martin J. Evans (Großbritannien) für eine genetische Technik, um Versuchsmäuse mit menschlichen Krankheiten zu schaffen.

2006: Die US-Forscher Andrew Z. Fire und Craig C. Mello für eine Technik, mit der sich Gene gezielt stumm schalten lassen.

2005: Barry J. Marshall und J. Robin Warren (beide Australien) für die Entdeckung des Magenkeims Helicobacter pylori und dessen Rolle bei der Entstehung von Magengeschwüren.

Die Bekanntgabe des Nobelpreises für Medizin bildete den Auftakt der alljährlichen Preisverleihung. Dienstag und Mittwoch folgen die Auszeichnungen für Physik und Chemie, am Donnerstag der Nobelpreis für Literatur. Der Friedensnobelpreis-Gewinner folgt am Freitag, den 9. Oktober. Seit 1969 gibt es den von der schwedischen Nationalbank gestifteten Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften, der am 12. Oktober verkündet wird. Verliehen werden die Auszeichnungen am Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, dem 10. Dezember, in Stockholm und Oslo.

Die Verkündung des Physik-Gewinners gibt es am 6.10. ab 11.45 Uhr im Stream:

Chemie folgt am 7.10. ab 11.45 Uhr:

Der Gewinner des Friedensnobelpreis wird am 9.10. ab 11 Uhr bekannt gegeben:

An wen der Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht, ist am 12.10 ab 13 Uhr hier zu sehen:

Der genaue Termin für Literatur steht noch nicht fest:

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