Chemie-Nobelpreis: "Coole" Methode stellt das Leben dar
Der Nobelpreis in Chemie geht heuer an den Schweizer Jacques Dubochet, den in Deutschland geborenen US-Forscher Joachim Frank und den Briten Richard Henderson für ihre Beiträge zur Entwicklung der Kryoelektronenmikroskopie. Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Mittwoch in Stockholm bekannt. Die Methode eröffne neue Einsichten in die detaillierten Abläufe des Lebens - und macht dessen kleinste Bausteine sichtbar.
"Neue Ära"
Diese Technologie habe die Biochemie revolutioniert und "in eine neue Ära geführt", da sie die Darstellung von Vorgängen auf der kleinsten Ebene des Lebens - der atomaren Bausteine - nicht nur vereinfacht, sondern entscheidend verbessert hat, so die Nobelpreis-Jury in ihrer Begründung. Biomoleküle - Proteine oder Viren etwa - können jetzt im Detail sichtbar gemacht werden. Bei der Ankündigung des Nobelpreises wurde auch die Bezeichnung "Coole Methode für die Darstellung des Lebens" verwendet: Einerseits ist die Methode "cool", andererseits "kalt", weil sie besonders rasch abgekühltes Wasser verwendet - daher auch die Bezeichnung "Kryo". Molekülproben werden rasch tiefgefroren und dann mit einem Elektronenstrahl untersucht.
Die drei Forscher entwickelten die Elektronenmikroskopie entscheidend weiter, so dass erstmals ein ganz exakter Blick auf Strukturen auf Molekülebene möglich wurde. Mit der Methode können zum Beispiel Zellen eingefroren werden, während sie gerade aktiv sind. Die Auflösung ist so hoch, dass sogar eine Darstellung auf atomarer Ebene - Atome sind die Bausteine, aus denen alle festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffe bestehen - möglich ist. Die Anwendungen dieser Methode sind sehr praxisnah. Ein Beispiel: Als der erste Verdacht aufkam, dass das Zika-Virus Hirnschäden verursacht, wurde die Kryo-Elektronenmikroskopie verwendet, um die Virusstruktur exakt darzustellen:
- Der gebürtige Deutsche Joachim Frank entwickelte zwischen 1975 und 1986 eine Methode, mit der er die bisherigen zweidimensionalen Bilder in ein schärferes 3-D-Bild umwandeln konnte.
- Jacques Dubochet konnte die Technologie dann auch für Biomoleküle wie die Proteine nutzbar machen. Er kühlte in den frühen 1980er Jahren Wasser so rasch ab, dass die darin enthaltene biologische Probe in ihrer ursprünglichen Form bestehen blieb.
- Und Richard Henderson konnte 1990 erstmals ein dreidimensionales Bild eines Proteins mit einer extrem hohen Auflösung aufnehmen.
Reaktion aus Österreich
Mit der vom Nobelpreiskomitee mit dem Chemie-Nobelpreis gekürten Methode (Kryo-Elektronenmikroskopie) kann man erstmals große „Biomaschinen“ in den Zellen dreidimensional und mit großer Genauigkeit darstellen, erklärte der Wiener Strukturbiologe David Haselbach im Gespräch mit der APA. Davor war man auf die Analyse ihrer Einzelteile beschränkt.
Die Biomaschinen werden dazu in Eis eingebracht und quasi eine Vielzahl von Röntgenaufnahmen hergestellt, so Haselbach, der am Institut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien forscht. Dies geschieht von verschiedenen Blickwinkeln, und ein Computeralgorithmus rekonstruiert schließlich aus einer Vielzahl von Aufnahmen die dreidimensionale Struktur der Biomaschinen.
"Biomaschinen bei der Arbeit beobachten"
Während man mit anderen Methoden auf kleine Biomaschinen und die Einzelteile von großen Bio-Molekülen beschränkt war, kann man mit der Kryo-Elektronenmikroskopie erstmals sogar ganze Viren darstellen, die bis zu einem tausendstel Millimeter (ein Mikrometer) groß sind, sagte er. Auch große Biomaschinen in den Zellen wie etwa Ribosomen, wo die Erbinformation in Eiweißstoffe übersetzt wird, könne man damit „bei der Arbeit beobachten“.
Viele Makromoleküle haben nämlich bewegliche Teile, und die Kryo-Elektronenmikroskopie ermöglicht es, die verschiedenen Bewegungsstadien quasi im Zeitraffer zu betrachten, so Haselbach. Außerdem könne man die Biomoleküle „mit eigenen Augen“ sehen, und nicht nur über indirekte Darstellungen wie bei anderen Methoden.
Im vergangenen Jahr erhielten der Franzose Jean-Pierre Sauvage, der gebürtige Brite James Fraser Stoddart und der Niederländer Bernard Feringa den Chemie-Nobelpreis. Sie haben aus nur wenigen Molekülen unter anderem eine Art Lift, künstliche Muskeln und ein Mini-Auto hergestellt.
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