Brustkrebs: Streit um Vorsorge-Mammografie

Das Brustkrebs-Screening kann Leben retten, aber auch zu Therapien führen, die nicht notwendig wären
Neue Debatte in Deutschland: Wie groß sind Nutzen und Risiken tatsächlich?

Hin oder nicht? – So und ähnlich titeln derzeit deutsche Medien Artikel zum Brustkrebs-Screening. Seit sich Politiker und Gesundheitsexperten für eine Neubewertung des Programms zur Krebs-Früherkennung ausgesprochen haben, ist die Diskussion um Nutzen und Schaden neu aufgeflammt.

Kritiker, wie Peter Gøtsche vom dänischen Cochrane-Zentrum, zitieren Daten, wonach das Leben einer von 1000 Frauen über einen Screening-Zeitraum von zehn Jahren gerettet werde. Gleichzeitig werde aber bei fünf Frauen ein Krebs oder eine Krebsvorstufe behandelt, die – hätte man sie nicht entdeckt – nie lebensbedrohlich geworden wären. Beim 2005 gestarteten deutschen Mammografie-Programm verweist man hingegen auf Studien, die eine deutlich stärkere Reduktion der Todesfälle zeigen – bei weniger unerwünschten Überdiagnosen (siehe Grafik).

Klarheit erst 2018

Durch das Screening würden vorwiegend mehr Tumore im Frühstadium gefunden, die nie ein Problem gemacht hätten oder eine gute Prognose für eine Heilung haben, sagt die österreichische Gesundheitswissenschafterin Ingrid Mühlhauser von der Uni Hamburg. Dadurch sinke zwar der prozentuelle Anteil von im Spätstadium entdeckten Tumoren: "Aber dass sie wirklich weniger werden, das konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Einige Frauen haben sicher einen Nutzen von dem Screening, aber die Frage ist: Wie vielen Frauen darf man schaden?"

"Es gibt aber erste Anzeichen, dass durch das Screening tatsächlich auch die Zahl der großen, spät entdeckten Tumore zurückgeht", entgegnet Vanessa Kääb-Sanyal vom Deutschen Programm. "Die Vorteile überwiegen." Moderne Therapien wären nicht so erfolgreich, würden nicht mehr Tumore im Frühstadium gefunden werden.

Das Grundproblem: Viele der Studien sind nicht exakt vergleichbar und werden unterschiedlich interpretiert. 2018 wird es in Deutschland mehr Klarheit geben: Dann soll eine Studie der Uni Münster vorliegen, die zeigt, ob und wie stark die Brustkrebs-Todesfälle tatsächlich zurückgegangen sind. Kääb-Sanyal: "Das deutsche Programm war ab 2008/2009 flächendeckend. Um einen Effekt nachzuweisen, dauert es mindestens zehn Jahre." Daten aus Österreich wird es deshalb erst nach 2020 geben.

Zumindest die Niederländer, die seit 25 Jahren organisiert Mammografien durchführen, sind vom Nutzen überzeugt: Laut niederländischem Gesundheitsrat rettet das Programm 775 Frauen jährlich das Leben.

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"Angesichts unserer strengen Qualitätskriterien bin ich davon überzeugt, dass auch bei uns der Nutzen das Risiko einer Überdiagnose überwiegt und vielen Frauen das Leben gerettet werden kann", sagt die Onkologin Marianne Bernhart vom Österreichischen Brustkrebs-Früherkennungsprogramm. Nach Anlaufschwierigkeiten hätten im Juni bereits 45 Prozent der eingeladenen Frauen eine Vorsorge-Mammografie durchführen lassen.

Mühlhauser fordert, dass Frauen anhand der vorliegenden Daten besser über Nutzen und Risiken aufgeklärt werden. "Mehrere Erhebungen haben gezeigt: Gibt man in den Unterlagen keine konkreten Zahlen an, wird das Risiko für Brustkrebs ebenso überschätzt wie der Nutzen des Screenings – der mögliche Schaden hingegen wird unterschätzt. Nur mit detaillierter Information können die Frauen fundiert entscheiden."

Bernhart ist skeptisch: "Solche Prozentsätze kann man im Gespräch nennen, aber in den Aufklärungsunterlagen würden sie die Frauen noch mehr verwirren. Und ich glaube, dass alle Zahlen, die wir heute kennen, morgen wieder überholt sind."

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