Bluttest zeigt, wie lange Krebs-Patienten leben

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Die Prognose soll Betroffenen und Ärzten helfen, über die Behandlung zu entscheiden.

Ob noch Wochen oder Monate Zeit sind, macht für Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium einen sehr großen Unterschied. "Wir sind planende Wesen. Uns ist wichtig, es zu wissen", erklärt Univ.-Prof. Herbert Watzke, Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin an der MedUni Wien.

Beim internationalen Krebskongress ESMO Asia in Singapur haben japanische Forscher nun eine Methode vorgestellt, die mit bis zu 80-prozentiger Genauigkeit sagen kann, ob ein Patient in den nächsten drei Monaten stirbt. Wissenschaftler der Kyoto University haben ihn mithilfe von sechs Modellen entwickelt, um die Lebenserwartung zu berechnen. Für die sogenannten Six Adaptable Prognostic (SAP) Models (sechs anpassbare Prognosemodelle) werden die regulär ohnehin erhobenen Werte von Albumin, Neutrophilen und Lactat-Dehydrogenase für die Berechnungen herangezogen. Die sechs Berechnungsmodelle wurden anhand von Daten von rund 5000 Krebspatienten mit Chemotherapie erstellt und können zu jedem Zeitpunkt der Behandlung angewandt werden. Damit konnten die Ärzte vorhersagen, ob der Patient innerhalb der nächsten sechs Monate sterben würde.

Entscheidungshilfe

In Folge wurde eine Studie mit Palliativ-Patienten im Endstadium gemacht, um noch genauere Prognosen abgeben zu können. Studienleiter Yu Uneno erklärt: "Die SAP Modelle könnten eine Entscheidungshilfe für die Behandler und die Patienten sein. Patienten mit fortgeschrittenem Krebs wollen ehrliche Prognosen. Diese helfen ihnen, Entscheidungen über ihre Behandlung zu treffen, wo sie ihr Lebensende verbringen und wann sie die palliative Chemotherapie beenden wollen." Manche Therapien hätten unangenehme Nebenwirkungen, andere Schmerztherapien wirken nur für eine gewisse Zeit. Uneno hofft, mit dem Prognose-Test Entscheidungshilfe geben zu können.

Für den Palliativmediziner Watzke ist die japanische Methode interessant, "die Trefferquote von bis zu 80 Prozent erreichen auch andere Verfahren." Am wichtigsten ist den Patienten seiner Erfahrung nach die Gewissheit. "Wenn ich weiß, ich werde sterben, ist das Gespräch viel Wert – dafür ist die Palliativmedizin da", sagt Watzke. "Und das sind oft schwierige Gespräche." Aber es werde erst in letzter Zeit begriffen wie wichtig das für den Patienten ist.

"Manche haben es sich schon gedacht"

Doch die Ärzte würden ihren Patienten keinesfalls eine Information über die Lebenserwartung aufdrängen. "Wir sagen es nicht von uns aus, aber wir nehmen Hinweise wahr und bieten das Gespräch darüber an." Etwa, wenn jemand darüber klagt, dass er Ostern wohl nicht mehr erleben wird. Schon im Studium werde gelehrt, sensibel mit solchen Situationen umzugehen. Bekommt der Patient die Information, dass er nicht mehr viele Monate haben wird, gebe es unterschiedliche Reaktionen. "Manche haben es sich schon gedacht, andere wechseln das Thema, und wieder andere wollen mehr darüber erfahren."

Was Watzke trotz der schwierigen Situation immer wieder beobachtet, ist: "Unglaubliche Dankbarkeit, dass man mit den Patienten darüber spricht. Jeder will in irgendeiner Form Gewissheit haben. Zu sagen, man zerstört damit die Hoffnung, ist grundfalsch. "Wir wollen es wissen, wenn wir in der Situation sind – nur die anderen wollen es nicht wahr haben."

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