Ärzte alarmiert: "Super-Keim droht"

Ärzte warnen vor resistenten Bakterien
Warnung vor nicht mehr behandelbaren Erregern in England. Auch in Österreich resistente Keime.

Selbst im Normalfall kann eine Gonorrhoe sehr unangenehm und schmerzhaft sein. Umso schlimmer, wenn sich herausstellt, dass die herkömmlichen Antibiotika kaum funktionieren bzw. überhaupt darin versagen, die Erreger dieser sexuell übertragbaren Krankheit zu bekämpfen.

Britische und deutsche Medien schreiben gar von der "Super-Gonorrhoe", die auf uns zukommen könnte: "Es besteht die Gefahr, dass Gonorrhoe zu einer unbehandelbaren Krankheit wird", schrieb die Leiterin der britischen Gesundheitsbehörde, Sally Davies, in einem Brief an alle niedergelassenen Mediziner und an alle Apotheken in Großbritannien. "Britische Ärzte warnen vor Monster-Tripper in Europa", titelte daraufhin die deutsche Bild-Zeitung.

Ärzte alarmiert: "Super-Keim droht"
Gonokokken

Auslöser der Aufregung: Der Nachweis von Stämmen von Gonokokken (jene Bakterien, die eine Gonorrhoe auslösen), die gegen das Antibiotikum Azithromycin resistent (widerstandsfähig) sind. Und Azithromycin ist eines der wichtigsten Antibiotika zur Therapie von Gonorrhoe. Sally Davies mahnte einen verantwortungsvollen und wohl überlegten Einsatz der Antibiotika ein – in der richtigen Dosierung und richtigen Kombination.

Der "Super-Bug"

"Es droht tatsächlich die Gefahr eines ,Super-Bugs‘, eines Super-Keims", sagt die Spezialistin für Geschlechtskrankheiten, Univ. Prof. Angelika Stary, ärztliche Leiterin der Pilzambulatorien in Wien und derzeit auch Präsidentin der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV).

Stary hat in den vergangenen fünf Jahren eine große Studie gemeinsam mit der ÖGDV und der Gesellschaft für sexuell übertragbare Erkrankungen koordiniert. Fast 3600 Proben von Gonokokken aus ganz Österreich wurden bisher auf Antibiotika-Resistenzen untersucht.

Ergebnis: Bis zum Vorjahr war ein Prozent der Bakterien-Isolate gegen Azithromycin resistent. Im Vorjahr stieg der Wert auf 3,2 Prozent – "und es ist ein weiterer Anstieg zu befürchten."

Der Grund: Die Standardbehandlung bei niedergelassenen Ärzten ist eine Kombinationstherapie mit zwei Antibiotika (Azithromycin und Cefixim). "Im vergangenen Jahr war Cefixim aber nicht lieferbar, deshalb wurden höhere Dosen von Azithromycin eingesetzt – was die Entwicklung von Resistenzen beschleunigt hat."

Chefarztpflichtig

Noch keine Resistenzen gibt es in Österreich gegen ein weiteres Antibiotikum (Ceftriaxon), das injiziert werden muss: "Durch diese Verabreichungsform ist die Gefahr, dass die Bakterien gegen das Mittel unempfindlich werden, deutlich geringer als bei der Verabreichung von Tabletten. Aber es kann in Österreich von niedergelassenen Hautärzten nicht verschrieben werden, obwohl es die beste Behandlungsform wäre." Der Grund: Das Präparat ist chefarztpflichtig und nur in Zehnerpackungen erhältlich. "Da aber eine Spritze ausreicht, wird diese Therapie außerhalb von Spitälern mit höherem Verbrauch praktisch nicht durchgeführt – schließlich müssten bis zu neun Spritzen unbenützt weggeworfen werden."

Problematisch sei auch, dass vor der Verabreichung eines Antibiotikums von den Ärzten oft nicht geprüft werde, ob das verordnete Präparat überhaupt wirkt: "Dazu müsste der Arzt eine Bakterienkultur anlegen und anschließend einen Resistenztest durchführen. Das ist aber ein gewisser Aufwand."

Starker Anstieg

Die Zahl der diagnostizierten Geschlechtskrankheiten wie Gonorrhoe oder Syphilis hat seit dem Jahr 2000 deutlich zugenommen (siehe Grafik) – die tatsächliche Zahl der Erkrankungen sei aber noch viel höher, betont Stary: "Die besseren Behandlungsmöglichkeiten von Infektionen mit dem Aids-Erreger HIV haben dazu geführt, dass generell die Vorsicht, was Geschlechtskrankheiten betrifft, zurückgegangen ist. Die Menschen haben nicht mehr den drohenden Tod vor Augen." Da auch die Ansteckung mit Gonorrhoe aber fast ausschließlich beim Geschlechtsverkehr erfolgt, kann bei wechselnden Partnern eine Übertragung von Erregern nur durch das konsequente Benutzen von Kondomen verhindert werden.

www.pilzambulatorium.at

www.gesundheit.gv.at

Infografik zum Thema Geschlechtskrankheiten:

Ärzte alarmiert: "Super-Keim droht"

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