Wizz-Air-Chef: "Wir sind zurück in der Profitabilität"
Andrea Hodoschek
13.05.24, 05:00Sechs Flughäfen in zwei Tagen, auf dem letzten Stop seiner Airport-Tour traf József Váradi den KURIER in Wien zum Interview.
KURIER: Etliche Jahre galt Wizz Air als am schnellsten wachsende Airline, als Überflieger in Europas Luftfahrt. Aber jetzt? Die Umsätze gesunken, hohe Verluste auch in den letzten drei Quartalen. Wizz ist anscheinend ... József Váradi: .. ein Low Flyer geworden, meinen Sie?
Sieht ganz so aus. Was sind die Gründe dafür? Diese Entwicklung müssen Sie schon im Kontext sehen.
Zuerst der Ukraine-Krieg. Wir hatten 10 Destinationen in Russland und 50 Routen aus der Ukraine. Wir mussten 13 Prozent unserer Gesamt-Kapazität herausnehmen. Der zweite Grund sind die Probleme mit den Triebwerken von Pratt & Whitney in den vergangenen beiden Sommern. Wir hatten 45 Flugzeuge am Boden und mehr als 20 Prozent Kapazität weniger. Und der dritte Grund ist der Ausbruch des Gaza-Krieges. Wir mussten im Oktober 2023 unsere Flüge nach Israel stoppen. Wir waren mit 25 Strecken der größte europäische Carrier nach Israel. Das betraf weitere neun Prozent unserer Gesamt-Kapazität. Diese Probleme hatten unsere Mitbewerber nicht.
Wie geht’s jetzt weiter, wie sieht Ihre Prognose aus?
Wir sind zurück in der Profitabilität. Unser Geschäftsjahr endet mit 31. März 2024, wir werden unsere Prognose in zwei Wochen veröffentlichen. Wir rechnen für 2023/24 mit 350 bis 360 Millionen Euro Nettogewinn und, soviel kann ich jetzt schon sagen, wir erwarten eine weitere Verbesserung unserer Profitabilität.
In der „Financial Times“ sagten Sie dieser Tage, Krisenmanagement bleibe eine Konstante. Der Ukraine-Krieg, der Krieg in Israel, die Triebwerksprobleme – das meinte ich mit dem Krisenmanagement. Die Krisen werden noch, schätze ich, zwei, drei Jahre andauern. Wir rechnen mit dem Turnaround Ende 2025. Wir verbessern uns, aber das geht langsam.
Ihre Mitbewerber im Low-Cost-Segment haben diese Probleme nicht?
Das betrifft Ryanair und easyJet nicht. Betroffen sind außer uns noch Turkish Airlines und die Lufthansa, wir sind die drei Airlines mit den meisten Pratt & Whitney-Triebwerken.
Wizz will die Flotte mehr als verdoppeln, auf 500 Flugzeuge bis 2030? Wie realistisch ist das aus heutiger Sicht? Wir haben derzeit 209 Flugzeuge, davon fliegen 45 wegen der Triebwerke nicht. Nächsten Sommer werden wir 240 Flugzeuge haben und für den Sommer 2026 erwarten wir 280 Flugzeuge, die alle fliegen werden. 500 Flugzeuge sollten wir im Sommer 2030 erreichen. Wir werden sehen, ob Airbus liefern kann, Die Nachfrage ist zu stark, Airbus hat Lieferverzögerungen. Wir rechnen aber spätestens mit Sommer 2032.
Wohin sollen diese 500 Maschinen denn fliegen? Nach Osteuropa, also Polen, Rumänien, Ungarn, Baltikum und den Balkan. Die Wirtschaft dort wächst. Wir werden 250 bis 300 Flugzeuge in Zentral- und Osteuropa stationieren. 100 bis 120 sind für den Mittleren Osten vorgesehen. Unsere drei wichtigsten Märkte in Westeuropa sind Italien, UK und Österreich.
Welche Pläne haben sie für Österreich?
Seit der Gründung unserer Präsenz in Österreich 2018 haben wir bemerkenswerte Erfolge erzielt, haben mehr als acht Millionen Passagiere befördert. Wir glauben fest an das Potenzial in Österreich. Derzeit sind wir mit sechs Flugzeugen und mehr als 260 Besatzungsmitgliedern in Österreich stationiert. Wien ist eine Hochburg in unserem Netzwerk. Wir planen, unsere Präsenz weiter auszubauen und die Zahl der Flugzeuge und Crew-Mitglieder innerhalb der nächsten vier bis fünf Jahre mindestens zu verdoppeln.
Wie werden sich die Ticketpreise in diesem Sommer entwickeln?
Wir sehen eine starke Nachfrage nach unseren Sommerflügen. Wizz Air und andere Kunden von Pratt & Whitney sind von den Triebwerksinspektionen betroffen, Boeing-Kunden von der geringeren Produktionsrate. Das führte zu einem Engpass auf der Angebotsseite. Diesen Sommer werden wir, wie ich schon erwähnte, eine flache Kapazität haben und auch andere Airlines können nicht wachsen. Wir gleichen den Inflationsdruck durch Flugzeug-Erneuerungen aus. Unser Preissystem ist dynamisch, die Preise können sich auf Grund mehrer Faktoren ändern. Unsere niedrigen Kosten ermöglichen es uns, viele der gestiegenen Kosten in der Branche zu kompensieren, was andere Fluggesellschaften nicht können. Wir bieten daher sehr wettbewerbsfähig, günstige Tarife an. Wir haben die niedrigsten Kosten pro Flugkilometer (ASK) in der Branche.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Flughafen Wien?
Wir haben eine tolle Partnerschaft und stehen in kontinuierlichem Dialog mit dem Managementteam. Ihr Engagement für Effizienz und Service steht im Einklang mit unseren Standards, verbessert das Reiseerlebnis für unsere Passagiere und schafft Raum für weitere Entwicklungen.
Haben Sie als Konkurrent vom Streik bei der AUA profitiert? Sind Passagiere zu Wizz gewechselt?
Das weiß ich nicht. Aber wir haben eine Auslastung von 90 bis 95 Prozent, wie sollen wir da von einem AUA-Streik profitieren? Wir sehen Österreich als langfristiges Investment, unabhängig von anderen Airlines.
Warum haben ihre Crews noch nie gestreikt?
Wir fliegen mit einer Auslastung von über 90 Prozent, wir bieten gute Konditionen und bei uns können die Mitarbeiter mehr verdienen als zum Beispiel bei der Lufthansa.
Mehr als bei der Lufthansa - schwer zu glauben.
Doch, unsere Piloten können sehr gut verdienen. Bei uns beträgt die Jahresarbeitszeit 850 Stunden, 900 sind erlaubt und bei Lufthansa sind es 600 bis 650 Stunden. Wenn wir so schlecht bezahlen würden, würden die Mitarbeiter gehen. Bei uns kann ein Pilot innerhalb von sieben bis acht Jahren Kapitän werden, weil wir wachsen. Bei Lufthansa braucht er 20 Jahre. Wachstum schafft attraktive Karriere-Chancen.
Wie schwierig ist es derzeit, Piloten zu rekrutieren?
Die Nachfrage ist groß, der Markt ist gut für Piloten. Flugbegleiter sind leichter zu rekrutieren.
Wizz bekommt 2025 den ersten Airbus 321XLR. Damit könnten Sie Langstrecke fliegen, werden Sie damit starten und welche Strecken? USA?
Wir werden zwar nicht in die USA fliegen, aber dieses innovative Flugzeug öffnet die Türen für einen kostengünstigen Betrieb auf 7 bis 8-Stunden-Strecken und markiert einen transformativen Wandel in diesem Marktsegment. Wir werden 47 dieser Flugzeuge haben, daher bin ich sicher, dass Wien einer der Stützpunkte sein wird. Die genauen Details und Zeitpläne werden wir zu gegebener Zeit bekanntgeben.
Fakten
Airline
Die Wizz Air Group ist drittgrößte Billigflug-Gesellschaft in Europa und die Nummer 1 in Zentral- und Osteuropa. 2003 in Budapest gegründet, heute 209 Flugzeuge, 62 Millionen Passagiere, 8200 Mitarbeiter, angeflogen werden 200 Destinationen in 54 Ländern. Sitz Budapest, Börsenotierung in London. In den ersten drei Quartalen 2023/24 operativer Verlust von 180 Millionen Euro. Fürs Gesamtjahr wieder ein Gewinn.
Karriere
Der ungarische Geschäftsmann József Váradi gründete mit 38 Jahren Wizz Air, die noch billiger als Ryanair sein sollte. Zu Beginn soll er laut Manager Magazin noch selbst an der Victoria Station in London Werbezettel verteilt haben, um polnische Landsleute zum Umstieg vom Fernbus aufs Flugzeug zu bewegen. Der ehemalige Karate-Kämpfer im Jugend-Nationalteam arbeitete sich als Handelsvertreter bei Procter & Gamble hoch und wechselte als CEO zur defizitären ungarischen Staats-Airline Malev. Bei einem Regierungswechsel nach zwei Jahren entlassen, gründete er mit Hilfe eines US-Investors Wizz.
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