„Wo sind die Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer?“
Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, ortet im und um den zusammengebrochenen Immobilien-Konzern Signa einen „strukturellen Vertrauensmissbrauch“. Es seien „schlicht und ergreifend Regeln nicht beachtet worden“.
Die Einhaltung von Regeln sei allerdings Voraussetzung für einen funktionierenden Staat. Andernfalls hätten jene, die sich nicht an Regeln halten, Vorteile im Wettbewerb und Regeln würden nicht mehr ernst genommen.
Gift für die Wirtschaft
Missbrauch von Vertrauen sei Gift für die Wirtschaft, betont der oberste Anwalt der Republik. Bei Signa seien die Regeln in einem besonders sensiblen Bereich nicht eingehalten worden, nämlich an der Nahtstelle zwischen Immobilien- und Finanzwirtschaft.
Bei Signa müssten die Verantwortlichen Verantwortung übernehmen. Außer beim Schweizer Bankhaus Bär sei bei Signa noch wenig davon zu sehen, „wo sind die Vorstände, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer?“.
In der Verantwortung seien aber auch die Investoren, vor allem die bei Signa involvierten Banken und Versicherungen. Diese seien „anders zu beurteilen als ein Installateur oder Bau-Unternehmer“ und hätten als Teil des beaufsichtigten Finanzmarktes und Verwalter fremden Vermögens eine zentrale Funktion. Gerade für Banken und Versicherungen gelte ein besonderer Vertrauensbeweis. Wenn eine Bank ein Projekt finanziere, sei das schließlich ein positives Zeichen.
„Haben diese Gläubiger verstanden, was passierte. Wenn ja, warum haben sie so agiert?“, hinterfragt Peschorn im Klub der Wirtschaftspublizisten. Es gebe Banken, die hätten das Modell Signa verstanden und die Finger davon gelassen.
Auch ein Vertrauensthema: Bestimmte Investoren hätten mitten in der Signa-Krise ihre Put-Optionen (Recht, auszusteigen) gezogen hätten, was jetzt strafrechtlich untersucht werde. „Ich glaube, es war chic, die Rgeln nicht zu beachten“, vermutet Peschorn.
Mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes rechnet er noch vor Jahresende. Die Finanzprokuratur bekämpft, wie berichtet, die Signa-Treuhandsanierung und fordert ein Konkursverfahren. Was Peschorn ziemliche Kritik in Gläubigerkreisen eintrug. Die Argumente der Republik seien „sehr valide“. Dass die Immobilien in einem Treuhandverfahren besser verwertet werden könnten, entspreche nicht den Tatsachen. Auch im Konkursfall müssten die Immobilien „bestmöglich“ verwertet und nicht rasch und schlecht abverkauft werden.
Dem Treuhandverfahren würden zu positive Erwartungen zu Grunde gelegt. Eine 30-prozentige Quote sei selbst im best case nicht erreichbar und die Einschätzung, dass sich der Immoblienmarkt kurzfristig wieder erholen werden, sei nicht nachvollziehbar.
Die Justiz stehe jedenfalls vor sehr großen Herausforderungen "und wird an diesen auch gemessen". Es sei wichtig, Signa als Ganzes zu verstehen und zu prüfen, wer wie als Investor aufgetreten sei. Nicht auzuschließen sei, dass Geld wieder über Relais-Stationen im Ausland reinvestiert worden sei.
„Gelb-rote-Karten“
Zurück zum Thema Regeln. Peschorn nimmt dazu eine Anleihe beim Fußball. Unternehmen, die existenzielle Regeln brechen, sollten die gelbe Karte erhalten. Dadurch sollten Gesellschafter aufmerksam werden und der Markt kritischer. Beim nächsten Verstoß gebe es die rote Karte und somit den Verweis vom Spielfeld.
Derzeit müsse der Staat Leuten, die die Regeln nicht beachten, nachrennen und habe nur begrenzte Ressourcen. Auf der Gegenseite stehe eine Heerschar an Beratern, Anwälten und Wirtschaftsprüfern. Die Strafen seien so niedrig, dass sie ein solches Verhalten nicht verhindern würden, argumentiert Peschorn und nennt als Beispiel die Eintragung im Firmenbuch.
Zur Person:
Wolfgang Peschorn leitet seit 2006 als Präsident die Finanzprokuratur. Parallel zum Jus-Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Klarinettisten, der brillante Jurist spielt im Orchester der Wiener Akademischen Philharmonie. In der Übergangsregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein war der Jurist Innenminister.
Seine Funktion als oberster Anwalt der Republik läuft 2026 ab, er würde gerne in dieser Funktion bleiben, sagte er am Dienstag im Klub der Wirtschaftspublizisten auf die Frage nach politischen Ambitionen in einer neuen Regierung.
Die Finanzprokuratur beschäftigt 55 Juristen, die Ressourcen seien angespannt. Mit August wurden zusätzlich die Cofag-Verfahren übernommen, insgesamt mehr als 100 Gerichtsverfahren.
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