Budgetkrise: "Ab sofort 5 Milliarden jährlich zu kürzen wäre Irrsinn"


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Der Wirtschaftsprofessor an der Universität Duisburg-Essen erklärt, warum in der jetzigen Krise ein großes Sparpaket der falsche Weg wäre und was ihm an Österreich gefällt.
KURIER: Herr Professor, was ist schlimmer für Deutschland und auch für Österreich? Trump oder das Ampel-Aus?
Achim Truger: Schwer zu sagen: Wenn Trump radikale Zollerhöhungen umsetzt, dann spürt man das unmittelbar. Das wäre für die extrem wichtige Exportwirtschaft, die in Deutschland und Österreich schwächelt, ein echtes Problem. Die Koalition in Deutschland beziehungsweise die Neuwahl im Februar ist jetzt mindestens noch ein halbes Jahr ein Konjunkturrisiko oder bedeutet Stillstand, wenn sie so wollen. Und wenn Deutschland schwächelt, überträgt sich das auch auf Österreich.
Droht nicht mit Trumps Handelskrieg in Wahrheit das dritte Rezessionsjahr in Folge ...
Für Österreich will ich jetzt keinen konkreten Wert nennen. Für Deutschland nehmen wir ohnehin nur ein Wirtschaftswachstum für das Jahr 2025 von gerade mal 0,4 Prozent an. Da kommt man auch ganz leicht unter die Null, wenn Trump seine Ankündigungen wahr macht.
Die Wirtschaft in Österreich liegt am Boden, die Pleitewelle rollt – siehe KTM im Industriekernland Oberösterreich. Braucht es jetzt ein größeres Konjunkturpaket inklusive neue Schulden?
Tatsächlich sollte man sich jetzt um Schulden keine großen Sorgen machen. Das Wichtigste ist, dass die Konjunktur wieder anspringt, das bringt Steuereinnahmen, Arbeitsplätze etc. Man muss natürlich perspektivisch die Konsolidierung des Budgets hinbekommen, aber nur schrittweise und behutsam. Denn im Augenblick braucht es in beiden Ländern zunächst einen Anschub. Solange die Arbeitslosigkeit steigt und die Unternehmensinvestitionen nicht anspringen, ist es Wahnsinn, hektisch gegen die Nachfragerezession an zu kürzen. Damit vertieft man nur die Krise, bekommt am Ende das Defizit nicht in Griff und der Schuldenstand steigt. Das gilt aktuell noch stärker für Österreich als für Deutschland. Ab sofort jedes Jahr fünf Milliarden Euro zu kürzen, wäre Irrsinn und Gift für die Konjunktur.

Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler Achim Truger
Die Industrie leidet besonders. Sie fordert Steuer- und Lohnnebenkostensenkungen sowie Bürokratieabbau. Also salopp formuliert, alles billiger machen für die Industrie. Ist das der richtige Weg?
Ob eine Billigstrategie für eine hochwertige, qualitätsorientierte Industrie der richtige Ansatz ist, glaube ich nicht. Jetzt braucht es dennoch konkrete Ansagen. Bei den Energiepreisen gibt es ein Problem, da muss etwas getan werden. Und man sollte speziell die Investitionen anregen, über erleichterte Abschreibe-Möglichkeiten oder spezielle Investitionsprämien. Da wir ohnehin die grüne Transformation vor der Brust haben, macht es Sinn, hier spezifische Anreize zu setzen. Eine allgemeine Steuersenkung, zumal in der Krise, verpufft. Da erhoffe ich mir gar nichts.
Wie kann die Politik den Spagat schaffen zwischen konsolidieren und investieren? Gibt es da internationale Vorbilder?
Wenn man es schafft, die Konjunktur in Schwung zu bekommen, hilft das auf jeden Fall der Konsolidierung. Man muss aber darauf achten, dass mittelfristig die Ausgaben nicht aus dem Ruder laufen. Und man darf jetzt keine dauerhaften, nicht gegenfinanzierten Steuersenkungen mehr machen wie das Aus der kalten Progression.
War es ein Fehler, die kalte Progression abzuschaffen?
Das hat das Defizit stark steigen lassen und jetzt ist es deshalb auch so schwer, es wieder runter zu bringen, weil klarerweise die Einnahmen fehlen. Ich wäre durchaus dafür, dass man das Aus für die kalte Progression befristet für zwei Jahre aussetzt. Auch die Reform der Körperschaftssteuer hat ja vor allem die Staatskasse geleert, aber die Konjunktur eben nicht angekurbelt.
Was kann man sonst auf der Einnahmenseite machen?
Einnahmenseitige Maßnahmen sollten prinzipiell möglichst progressiv gestaltet sein, um die Gesellschaft nicht weiter zu spalten. Es gibt in Österreich Luft für eine Erbschaftssteuer, um perspektivisch die Einnahmenseite zu stärken.
Sie waren im Expertenpool von SPÖ-Chef Andreas Babler. Er tritt vehement für eine Erbschafts- und Millionärssteuer ein. Das hat hohe politische Kosten, bringt aber nur bescheidene Einnahmen. Lohnt es sich dennoch dafür zu kämpfen?
Das ist vor allem eine Gerechtigkeitsfrage. Das übersteigt jetzt die rein ökonomische Analyse. Aber wenn sich ökonomische Macht in wenigen Händen zu stark konzentriert, konzentriert sich auch die politische Macht und das gefährdet am Ende die Demokratie. Das sind Ideen, die auch international immer stärker Anklang finden – etwa in Frankreich.
Der deutsche Wirtschaftswissenschaftler ist Professor für Sozioökonomie mit Schwerpunkt Staatsfinanzen an der Universität Duisburg-Essen. Am 1. März 2019 wurde er durch die deutsche Bundesregierung auf Vorschlag der Gewerkschaften als Mitglied in den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Wirtschaftsweise“) berufen
Mit Österreich verbindet den Ökonomen einiges. So war er im Expertenpool von SPÖ-Chef Andreas Babler und berät auch den Wiener SPÖ-Stadtrat Peter Hanke.
Neue Einnahmen zu erfinden geht immer relativ leicht, schwieriger ist es in aller Regeln bei den Staatsausgaben zu sparen. Wo könnte man da ansetzen?
Etwa bei klimaschädlichen Subventionen wie dem Dieselprivileg. Schrittweise über ein paar Jahre solche Subventionen abzubauen, macht Sinn. Ansonsten muss man vor allem insgesamt das Ausgabenwachstum zu begrenzen versuchen, was – zugegeben – angesichts des demografischen Wandels keine leichte Übung ist, wenn man an Pflege, Pensionen oder Gesundheit denkt.
Sprechen Sie jetzt einer Pensionsreform das Wort?
Wir haben akute Probleme, eine Pensionsreform ist etwas, das maximal mittel- bis langfristig wirkt. Dafür haben die künftig Regierenden in Wien und Berlin also noch etwas Zeit.
Sie sind ein Fan von Österreich, haben sie einmal gesagt. Was gefällt Ihnen an dem Land?
Ich mag die Menschen, die Kultur und ganz besonders Wien. Außerdem hat Österreich viele deutsche Fehler in der Wirtschaftspolitik nicht gemacht. Zum Beispiel in Sachen Deregulierung oder beim Abbau der Sozialpartnerschaft. Österreich zeigt wie man auch als kleines Land trotz der Globalisierung wohlstandsorientiert voran kommt. Und vieles funktioniert in Österreich schlicht besser. Denken sie nur an die Bahn.

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