Wirtschaftsnobelpreis an David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens

Wirtschaftsnobelpreis an David Card, Joshua Angrist und Guido Imbens
Für ihren Forschungsbeitrag darüber, dass eine Anhebung des Mindestlohns nicht unbedingt zu sinkender Beschäftigung führt.

Der diesjährige Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften geht in diesem Jahr an drei Forscher. Der Kanadische Ökonom David Card (University of California in Berkeley), der US-Amerikaner Joshua D. Angrist (Massachusetts Institute of Technology) und der gebürtige Niederländer Guido W. Imbens (Stanford University) wurden von der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm am Montag ausgezeichnet.

Card erhält den Preis für seine empirischen Beiträge zur Arbeitsökonomie, die beiden anderen erhalten die zweite Hälfte des Preises für ihre methodischen Beiträge zur Analyse von den untersuchten Kausalzusammenhängen.

Über Nacht zum Nobelpreisträger

„Ich war absolut fassungslos, als ich den Telefonanruf bekam“, sagte Imbens, der die Nachricht aufgrund der Zeitverschiebung mitten in der Nacht erhalten hatte. Er freue sich sehr, den Preis mit zwei guten Freunden zu teilen. Angrist war sogar sein Trauzeuge. Die Akademie begründet die Auszeichnung damit, dass die Forscher gezeigt haben, welche Schlussfolgerungen über Zusammenhänge am Arbeitsmarkt aus natürlichen Experimenten gezogen werden können.

Projekt Mindestlohnerhöhung

Die Erkenntnisse hätten die empirische Forschung revolutioniert, heißt es von der Akademie. Viele der großen Fragen in den Sozialwissenschaften drehen sich um Ursache und Wirkung – etwa die Frage, wie sich Einwanderung auf das Lohn- und Beschäftigungsniveau auswirkt. Diese Fragen seien schwer zu beantworten, weil man nicht wisse, was passiert wäre, wenn es weniger Zuwanderung gegeben hätte, so die Akademie.

Die Preisträger hätten aber durch ihre Forschung gezeigt, dass es möglich sei, solche und ähnliche Fragen mit sogenannten natürlichen Experimenten zu beantworten. Grundlage bildet eine im Jahr 1993 veröffentlichte Forschungsarbeit von Card gemeinsam mit dem 2019 verstorbenen Alan Krueger zu Mindestlöhnen und Beschäftigung, die von anderen Wissenschaftern bisher über 4.000-mal zitiert wurde und die damalige Standardannahme in Frage stellte.

Widerlegung damaliger Standardannahmen

Analysiert wurde folgende Auswirkung: 1992 wurde im US-Bundesstaat New Jersey des Mindestlohn von 4,25 Dollar auf 5,05 Dollar angehoben. Um die Auswirkung der Maßnahme zu bewerten, untersuchten die beiden Forscher 410 Fast-Food-Restaurants in New Jersey und im Bundesstaat Pennsylvania, wo der Lohn bei 4,25 Dollar pro Stunde blieb. Die Menschen in Pennsylvania stellten also die Vergleichsgruppe dar.

Die Forscher verglichen Veränderungen bei Löhnen, Beschäftigung und Preisen in Geschäften in New Jersey und in Pennsylvania. Damals war die Annahme, dass eine Mindestlohnerhöhung zu einer Beschäftigungsminderung führt. Ihr Experiment aber zeigte, dass das genau nicht der Fall ist. Noch heute beschäftigt die Frage nach dem Mindestlohn die Ökonomen und führt zu Diskussionen.

In einem anderen Experiment widerlegten die Ergebnisse auch die damals populäre Annahme, dass Einwanderung einheimische Löhne drücken würde. Dazu wurden kurzzeitige Einwanderungswellen aus Kuba in verschiedenen Regionen Floridas untersucht. Ebenso eine Studie, die heute noch für hitzige Debatten und für Gegenstudien von anderen Forschern sorgt.

Zusammenhang ist nicht gleich Zusammenhang

Die methodischen Grundlagen für die Forschung von Card haben die beiden Ökonometriker Joshua Angrist und Guido Imbens geschaffen. Sie haben Bedingungen definiert, die gegeben sein müssen, damit man tatsächlich aus Beobachtungen auch Zusammenhänge ableiten kann. Denn gerade bei natürlichen Experimenten hat der Forschende wenig Kontrolle über zufällige Einflüsse, die vielleicht gar nichts mit dem zu erforschenden Gegenstand zu tun haben.

Genau aus diesem Grund braucht es klare Grundsätze, die deutlich machen, dass Maßnahme A zu Ergebnis B führt. Dazu kombinierten Angrist und Imbens Verfahren aus der Ökonomik und Statistik.

"Wesentlich für heutige Arbeitsmarktforschung"

Die Erkenntnisse seien extrem relevant für die Praxis und wesentlich für die heutige Arbeitsmarktforschung. Card habe gezeigt, wie man mit natürlichen Experimenten kausale Zusammenhänge identifizieren könne, sagt die stellvertretende Direktorin des WIFO, Ulrike Famira-Mühlberger. Der Nobelpreis im Fach Wirtschaftswissenschaften wird seit 1968 verliehen. Er wird von der schwedischen Notenbank gestiftet und ist mit zehn Millionen Kronen (rund 960.000 Euro) dotiert.

Nobelpreis mit Sonderstellung

Der seit Ende der 60er Jahre vergebene Wirtschaftsnobelpreis ist der einzige, der nicht auf das Testament von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht. Er wurde von der schwedischen Zentralbank gestiftet und gilt somit streng genommen nicht als klassischer Nobelpreis. Dennoch wird er gemeinsam mit den anderen Preisen an Nobels Todestag, dem 10. Dezember, überreicht.

Im vergangenen Jahr erhielten die US-Wissenschaftler Paul Milgrom und Robert Wilson die Auszeichnung. Beide forschen auf dem Gebiet der sogenannten Auktionstheorie. Unter den Wirtschaftsnobelpreisträgern ist bislang erst ein Österreicher gewesen: Der Ökonom Friedrich August von Hayek, der 1974 gemeinsam mit dem Schweden Gunnar Myrdal ausgezeichnet wurde. Hayek nahm allerdings 1938 die britische Staatsbürgerschaft an, ist aber gebürtiger Wiener. Auch aus Deutschland gab es erst einen Preisträger: Der Bonner Wissenschaftler Reinhard Selten erhielt ihn 1994 gemeinsam mit John Nash und John Harsanyi für ihre wegweisenden Beiträge zur nichtkooperativen Spieltheorie. Traditionsgemäß zählen Wissenschaftler aus den USA zu den Favoriten auf die Auszeichnung.

Bereits in der vergangenen Woche waren die Nobelpreisträger in den Kategorien Medizin, Physik, Chemie, Literatur und Frieden verkündet worden. Unter den Auserwählten waren auch zwei Deutsche, der Meteorologe Klaus Hasselmann in Physik sowie der Chemiker Benjamin List.

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