Das Corona-Jahr hat die Finanzmärkte vor große Herausforderungen gestellt. Als einen „großen Schock und große Betroffenheit“ fasst Frank Weingarts, der Vorsitzende des Zertifikate Forums Austria, die diesjährige Rally auf den Finanzmärkten zusammen. Es gab einen Crash in „nie da gewesener Form“, aber: „Bei vielen hat dann auch der gesunde Menschenverstand eingesetzt. Die haben gesagt, die niedrigen Kurse können ja auch Einstiegskurse sein.“ Anders als bei vorangegangenen Crashs waren heuer die Privatanleger deutlich aktiver. Viele hätten sich gesagt, ich gehe mit verschiedenen Anlagemöglichkeiten in den Markt hinein, so Weingarts.
Für das nächste Jahr („und darüber hinaus“) erwartet er, nicht zuletzt durch das 750-Milliarden-Euro-Hilfspaket der EU, dass Infrastruktur „eines der größten Themen“ in der Anlage sein wird. „Das hat einen sehr, sehr starken Einfluss auf das Wachstum und den Wiederaufschwung in der Breite, weil viele Unternehmen direkt beauftragt werden.“ Neben Infrastruktur sieht er die Themen Nachhaltigkeit, Wasser und Wasserstoff als zukunftsträchtig. Immer unter dem großen Mantel der Diversifizierung. „Wir haben als Zertifikateforum die Produktwelt wie ein Fußballfeld aufgeteilt. Es gibt konservative Produkte – den Torhüter –, mit vollem Kapitalschutz, da geht man auf Nummer sicher. Andere haben ein sehr hohes Risiko, keine Frage“ – ein Vorwurf, der ja Zertifikaten gern gemacht wird.
Impfung als Schlüssel
Optimismus für 2021 versprüht auch Franz Wenzel, Anlagestratege von Axa Investment Managers. Mitte des Jahres wird es durch den Einsatz der Corona-Impfstoffe zu einer konjunkturellen Erholung in den westlichen Industriestaaten kommen – Schwellenländer werden dieser Entwicklung aber hinterherhinken. Gestützt wird diese Entwicklung von monetären und fiskalischen Maßnahmen der Staaten.
Aber es ist, natürlich, ein beschwerlicher Weg: Der Konjunkturmotor wird erst ab der zweiten Jahreshälfte so richtig Fahrt aufnehmen. „Wir erwarten, dass 2021 ein recht ordentlicher konjunktureller Jahrgang werden wird – mit einem Wachstum von fünf Prozent weltweit“, so Wenzel. Die Eurozone werde hier Schlusslicht sein. Die Nase vorn habe weiterhin China mit rund acht Prozent Wachstum.
Ohne „massive konjunkturelle Stimuli“ werde es jedenfalls nicht gehen, denn die Investitionen lahmen, betont Wenzel. Das aber habe natürlich den weiteren Anstieg der Staatsverschuldung zur Folge. Die Zentralbanken hätten aber bereits gezeigt, dass auf sie Verlass sei: „Die Zinsen werden niedrig bleiben“, so Wenzels Prognose. Und das nicht nur in den nächsten Quartalen, sondern die nächsten Jahre über. In Europa werde sich das Wachstum analog zu jenem in den USA entwickeln.
Aber: Der AXA-Experte sieht ein Wachstum der zwei Geschwindigkeiten für die Eurozone. „In den deutschnahen Staaten geht es etwas langsamer, in den südlichen Ländern etwas schneller.“ Das habe den simplen Grund, dass die Sonne „im Süden eben ein Stückchen mehr scheint“ – und Urlaube und Restaurants somit hier schneller attraktiv werden.
Weiter volatil
Was das alles für die Anlagestrategie bedeutet? „Wir bleiben für 2021 im Risiko“, erklärt Wenzel. „Insbesondere auf der Aktien- wie auch auf der Unternehmensanleihenseite.“ Denn er sei der Überzeugung, dass Wachstum kommt. „Und damit werden sich auch die Unternehmensgewinne besser darstellen.“ Aber natürlich werde man weiter mit Covid leben müssen. „Das bedeutet auch Marktvolatilität. Die sollte ins Kalkül mit reingenommen werden.“
Auf der Unternehmensanleihenseite gehe er davon aus, dass sie „in der Breite durchaus weiter attraktiv sind, auch wenn die Margen natürlich jüngst sehr dünn geworden sind“. Was die US-Staatsanleihen angeht, kann er sich vorstellen, dass es hier wieder nach oben geht.
Ebenfalls „positiv gestimmt für 2021“ ist Gerold Permoser, Anlage-Chef der Erste Asset Management. Rezessionen könne man nach drei Ursachen kategorisieren: Wirtschaftliche Ungleichgewichte, Zinserhöhungen durch die Notenbank
oder externe Schocks. „Rezessionen aufgrund externer Schocks werden meist schnell überwunden, da die Wirtschaft gesund ist und nach dem Schock auf den Wachstumspfad zurückkommt.“ Zudem sollten die Impfstoffe zu einer deutlichen Entspannung der Lage führen. Die Pandemie bleibe für 2021 aber das Hauptrisiko, abhängig unter anderem davon, wie viele Menschen sich impfen lassen.
Impfverweigerer
„Sollte es etwa zu einer breiten Impfverweigerung kommen, wird man das an den Börsen sehen“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung, Heinz Bednar. Er sieht weiterhin bei Aktien mehr Potenzial als bei Anleihen (ausgenommen riskantere Hochzins- oder Emerging Markets-Anleihen), wobei die wirtschaftliche Erholung nun konjunkturabhängige Segmente (Zyklika) bevorzuge. „Dann wird auch die Wiener Börse profitieren.“ Auch bei Technotitel seien weiterhin positive Erträge zu erwarten. Nicht zuletzt seien auch Immobilien(-fonds) eine Option.
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