In der ersten Juni-Woche performte Österreichs Wirtschaft fast schon genauso stark wie 2019 vor der Krise, frohlockte die Regierung am Dienstag. Eineinhalb Jahre Corona-Depression liegen also hinter uns. Mit dem Impffortschritt und den erfreulich niedrigen Neuinfektionszahlen kehrt ein (Konsum-)Optimismus zurück, der bei manchen in regelrechte Euphorie umschlägt. Kommt jetzt das neue Wirtschaftswunder, fragt dieser Tage die Hamburger Zeit?
Bei den neuen Konjunktur-Prognosen wären manche geneigt, mit „Ja“ zu antworten. Halten die 3,9 Prozent, die die OeNB für heuer voraussagt, muss man in den Aufzeichnungen schon etliche Jahre zurückblättern, um ein ähnlich starkes Wirtschaftswachstum zu finden. Das letzte Mal wuchs das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2007 – also noch vor der Finanz- und Wirtschaftskrise ab Herbst 2008 – mit damals 3,7 Prozent ähnlich stark.
Noch kein Wirtschaftswunder
Also Wirtschaftswunder? Nicht ganz, sagen heimische Experten aus Banken, Wirtschaftsforschung und Politik, wie ein Rundruf des KURIER ergab. „Steiler Aufschwung“ mitsamt einem kräftigen, auch statistischen Rebound-Effekt trifft es eher.
Soll heißen: Nach der schwersten Rezession seit 1945 (minus 6,3 Prozent in 2020) ist es naturgemäß leichter zu wachsen, weil das Ausgangsniveau ein besonders niedriges ist. Außerdem schwingt vielfach noch die Sorge vor einer neuen Corona-Welle im kommenden Herbst mit. Die Pandemie sei eben noch nicht vollständig besiegt, mahnen die Vorsichtigeren.
„Aber die Menschen wollen wieder konsumieren, reisen, Essen gehen. Der Konsumhebel ist massiv, da ist ein großes Nachholbedürfnis da. Der wesentliche Konjunkturtreiber bleibt aber die Exportseite. Viele Unternehmen konnten ja voll weiter produzieren und sind in globalen Nischen erfolgreich unterwegs“, sagt Erste-Group-Chefanalyst Fritz Mostböck.
Viel Geld da
Der Aufschwung komme „schneller und stärker“ daher, als viele in der Wirtschaft noch vor Kurzem angenommen haben, pflichtet WIFO-Chef Christoph Badelt bei.
Neben der Industrie, holen jetzt auch Handel und Dienstleister wieder auf. „Die Österreicher haben sehr viel Geld auf der hohen Kante“, erinnert der Wirtschaftsforscher.
Ein gewisses Sorgenkind bleibe vorerst noch der stark von internationalen Gästen abhängige Städte- und Kongresstourismus sowie der Arbeitsmarkt. „Der hinkt einfach hinterher“, meint Badelt. Stimmt, aber selbst im arg gebeutelten Tourismus sind die Arbeitslosenzahlen schon fast wieder auf Vorkrisenniveau gesunken, zeigt die Statistik.
Die guten Neuigkeiten vernimmt man auch in der Regierung. Kommende Woche werden die neuen WIFO- und IHS-Prognosen präsentiert. „Die Talsohle ist definitiv durchschritten, wir können einen steilen Aufschwung erwarten. Vor zwei Monaten sind wir noch ganz anders dagestanden“, freut sich Arbeitsminister Martin Kocher. 2022, wenn die Staatshilfen ausgelaufen sind und Corona hoffentlich wirklich überwunden sein wird, dürfte das Wachstum über vier Prozent springen.
Das bringt frische Steuereinnahmen und ein Defizit von unter drei Prozent (2020 noch 8,9 %) zurück. So lassen sich Projekte von der Steuerentlastung bis zur Digitalisierung und Ökologisierung angehen. „Das Zurückführen des Defizits ist natürlich sinnvoll. Das schafft Spielraum für künftige Herausforderungen, wie dem Kampf gegen den Klimawandel“, sagt Kocher.
Inflation im Griff
Aktuell wird wieder darüber debattiert, wie kräftig die Inflation anzieht, wenn die Nachfrage anspringt. Apokalyptiker sprechen von der drohenden „Hyperinflation“ – mit der Realität dürfte das nicht viel zu tun haben.
Die Nationalbank erwartet eine Teuerung in diesem Jahr von zwei Prozent. Badelt: „Zweifellos wird die Inflation etwas anziehen. Das kommt vor allem von den Rohstoff- und Energiepreisen. Aber das bleibt keine dauerhafte Situation.“ Und Kocher ergänzt: „Um die Inflation mache ich mir keine Sorgen. Die Arbeitslosigkeit in Europa bleibt noch eine Zeit lang relativ hoch. Dadurch werden auch die Löhne trotz des Aufschwungs nicht so stark steigen und die Teuerung hält sich in Grenzen.“
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