Wie Millionen zwischen OMV, Zenit St. Petersburg, Gazprom und Austria Wien fließen
Finanzströme werden im Fußball ungern offengelegt. Ganz besonders, wenn hohe Summen im Spiel sind. So auch bei zwei grenzüberschreitenden jeweils um die 24 Millionen Euro teuren Sponsorings zwischen Österreich und Russland.
Dass die Financiers, die teilstaatliche OMV, Österreichs größtes Industrieunternehmen, und der russische, ebenfalls teilstaatliche Energie-Gigant Gazprom über die Details und Hintergründe beharrlich schweigen, war zu erwarten. Das macht die Sache umso spannender.
Angeschlagen
Die Spieler sind Zenit St. Petersburg, der Lieblingsklub von Russlands Präsident Wladimir Putin, und die finanziell schwer angeschlagene Wiener Austria.
Seit dem Herbst 2018 sponsert die OMV über einen Fünf-Jahres-Vertrag im Volumen von 24 Millionen Euro Zenit. Das Investigativ-Portal Dossier berichtete darüber im Vorjahr, Noch-OMV-Chef Rainer Seele präzisierte allerdings erst kürzlich gegenüber dem KURIER Zeitpunkt und Summe.
Auffallend: Beinahe zur selben Zeit schloss Gazprom, größter internationaler Partner der OMV, einen Sponsor-Vertrag mit der Wiener Austria. Ebenfalls auf fünf Jahre, ebenfalls über rund 5 Millionen Euro jährlich. Bis 2018 sponserte noch die OMV die Austria, freilich in ungleich kleineren Dimensionen.
Derselbe Zeitpunkt, dieselben Summen – alles nur ein Zufall? Das glaubt in diesem Business niemand.
"Freundschaft"
Handelt es sich womöglich gar nicht um zwei Geschäftsfälle, sondern de facto nur um einen einzigen Deal, zwischen zwei eng kooperierenden Geschäftspartnern? Nein, beide Sponsorings seien völlig unabhängig voneinander, beteuert OMV-Sprecher Andreas Rinofner. Gazprom schickte auf die Anfrage des KURIER einen belanglosen Satz, auf Russisch.
2018, als die Sponsorings begannen, feierten OMV und Gazprom in Wien aufwendig 50 Jahre Gasliefervertrag zwischen Österreich und Russland. Und Putin ließ Seele den „Orden der Freundschaft“ umhängen. Aus Russland kommen 100.000 Barrel pro Tag, ein Fünftel der weltweiten Produktion der OMV.
Mit Alexander Medvedev, dem Präsidenten von Zenit, verbindet Seele auch eine persönliche Freundschaft. Beide saßen zusammen jahrelang in der Wingas, damals eine gemeinsame Handelstochter von Gazprom und der deutschen Wintershall. Später stieg Seele zum Wintershall-Chef auf, Medvedev wurde Vize-CEO der Gazprom (bis 2019).
Gegenleistung?
Trotz der beachtlichen Summen scheinen auf den Dressen der Kampfmannschaften bei Zenit weder OMV noch Gazprom bei der Austria auf. Beide Sponsorings betreffen nur die Jugendarbeit. Um sich abzusichern, ließ die OMV ein Gutachten erstellen, mit dem Ergebnis, der Gegenwert ihres Zenit-Sponsorings sei marktüblich. „Ein wesentlicher Teil unseres Geschäftes findet in Russland statt. Daher hat die OMV ein Interesse an einem positiven Unternehmensimage in Russland. Dieses wird durch das Zenit-Sponsoring unterstützt“, argumentiert Rinofner. Das Image in der russischen Öffentlichkeit kann allerdings kaum gemeint sein, die OMV betreibt keine Tankstellen in Russland.
Financial Fair Play
Insider vermuten vielmehr, die OMV habe Gazprom womöglich bei der Lösung eines lästigen Problems geholfen, das mit den Regeln des Financial Fair Play (FFP) zu tun hat. Dieses soll verhindern, dass Sponsoren, die mit dem Eigentümer eines Klubs verbunden sind, marktübliche Preise bezahlen und nicht unbegrenzt Geld in die Vereine fließt.
Als sich Zenit 2013 für die Champions League qualifizierte, musste der Verein seine Sponsoren offenlegen. Hauptsponsor ist (nach wie vor) Gazprom. Es stellte sich aber heraus, dass der weltweit größte Gaskonzern nicht nur direkt, sondern auch verdeckt über Tochterfirmen und Auslandsniederlassungen wie Gazprom Germania Zenit mit Geld überschüttete. In Größenordnungen von weit mehr als 100 Millionen Euro. Der Spiegel zitierte entsprechende Dokumente von Football-Leaks. Gazprom kam damals billig mit einer Geldstrafe von sechs Millionen Euro davon.
"Verlässlicher Partner"
Könnte dieses Fair-Play der Grund sein, dass die OMV für die Gazprom, die den Sponsoring-Plafonds schon erreicht hat, bei Zenit einsprang. Und Gazprom dafür im Gegenzug in derselben Höhe die Austria unterstützt?
Die Violetten sind eigentlich die großen Nutznießer des Deals. Noch-Austria-Manager Markus Kraetschmer schickte seinen Sprecher vor. Dieser bestätigte gegenüber dem KURIER nur die Existenz eines Sponsor-Vertrages, schwärmte von der Freundschaft und Partnerschaft mit Zenit und betonte, „Gazprom Export ist ein sehr starker und verlässlicher Partner“. Den wird die Austria auch dringend brauchen. In der letzten Bilanz klafft ein Verlust von 18,8 Millionen Euro, Gazprom dürfte inzwischen der größte Sponsor sein.
Insider vermuten noch einen Nebeneffekt. Könnte sein, dass Gewerkschaft und SPÖ mit dem Austria-Sponsoring quasi ruhig gestellt wurden. In SPÖ-Kreisen gab es zuvor heftige Proteste gegen den Teilverkauf des heimischen Gasnetzes (GCA) an die Allianz.
Vorhabensbericht an Oberstaatsanwaltschaft
Fragt sich nur, ob die OMV-Aktionäre auch zu den Gewinnern gehören. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ging der Spur des Geldes schon zum zweiten Mal nach. Eine erste Anzeige wurde wegen informativer Dürftigkeit eingestellt. Diesmal flatterte eine anonyme Sachverhaltsdarstellung über das Whistleblower-System herein, die Vorwürfe gehen in Richtung Untreue.
Angesichts der Prominenz der Beteiligten ist der Fall berichtspflichtig. Man habe vor wenigen Tagen den Vorhabensbericht an die Oberstaatsanwaltschaft geschickt, bestätigt WKStA-Sprecherin Elisabeth Täubl. Sie äußerte sich nicht dazu, ob die Causa weiter verfolgt oder eingestellt wird.
Konkurrent Rapid, von der OMV mit rund einer Million im Jahr bedacht, wurde übrigens schon auf die Hälfte reduziert, ab Herbst wird der OMV-Geldhahn dann komplett zugedreht.
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