EM mit Schönheitsfehler: Eine Bühne für drei Autokraten
Vor neun Jahren zog der UEFA-Präsident nach Ende der EM 2012 in Polen und der Ukraine Resümee. Michel Platini hieß der UEFA-Boss damals, und der scherzte, dass er in den letzten Wochen doch etwas viel Wodka getrunken habe. Als er einen Ausblick auf die EM 2020 gab, dachten viele der anwesenden Journalisten an eine Schnapsidee. „Wie wäre es, wenn wir die Endrunde 2020 nicht in einem Land veranstalten oder in zwei Ländern, sondern in ganz Europa“, fragte er in die Runde.
Wegen der Folgen der Finanzkrise hatten damals viele Länder keine Lust auf ein teures Fußball-Großereignis. Zumal die Aufstockung von 16 auf 24 Teilnehmer die Kosten in die Höhe getrieben hatte. Aussichtsreichster Kandidat war die Türkei. Das war Platini politisch doch zu heiß, weshalb die UEFA die Europa-EM aus dem Hut zauberte.
Mit dem Konzept hatte man eine Erdoğan-EM abgewendet, doch holte sich die UEFA gleich drei zweifelhafte Potentaten ins Boot – obwohl zumindest Minsk nicht als Austragungsort gewählt wurde. Aber es bleibt St. Petersburg im Reich von Zar Putin. Es bleibt Budapest im Einflussgebiet von Autokrat Orbán.
Korruption in Baku
Und dann ist da noch Baku mit Präsident Ilham Alijew. Der 59-Jährige ist seit 2003 Präsident von Aserbaidschan. 2012 ernannte ihn das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ zum „korruptesten Mann des Jahres“. Er und etliche Mitglieder seiner Familie füllen auch Kapitel in den Panama Papers.
Der Konflikt mit Armenien um die Enklave Bergkarabach eskalierte letztes Jahr. Dabei ist es zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen gekommen.
Alijew nutzt den Sport schon seit Jahren für eine freundliche Außendarstellung. Die Olympischen Europa-Spiele fanden 2015 im Nationalstadion statt. Die Formel 1 gibt Gas in der malerischen Altstadt von Baku. 2019 fand das Finale der Europa League in Baku statt. Seit 2013 ist Socar, ein staatliches kontrolliertes Energieunternehmen, Sponsor der UEFA.
Auch Wladimir Putin war kein Großereignis zu teuer, um mit dem Sport Russland sympathisch erscheinen zu lassen. Es gab Olympische Spiele 2014 in Sotschi und die Fußball-WM 2018. In Russland sind die EM-Spiele das erste Großereignis, das stattfindet, seit der Internationale Sportgerichtshof CAS ein zweijähriges Veranstaltungsverbot ausgesprochen hat. Davon sind Weltmeisterschaften und Olympische Spiele betroffen. Die EM gilt als regionales Turnier.
Russischer Konflikt
Politisch brisant ist auch, dass Russland mit einem zweiten Teilnehmer – der Ukraine – im Konflikt ist. Schon bei der Auslosung hatte man erstmals verhindert, dass zwei Länder gegeneinander spielen. Und das bei der ersten EM, die in ganz Europa stattfindet.
Viktor Orbán investiert in Ungarn mehr Geld in den Fußball als in Bildung. 4,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts gibt seine Regierung für Bildung aus, 5 Prozent für die Entwicklung des Fußballs. Der 58-Jährige machte den Verteidiger seiner ehemaligen Uni-Mannschaft, László Kövér, zum Parlamentssprecher, Stürmer János Áder ist Staatspräsident.
Orbán will aber auch in den Nachbarländern Einfluss gewinnen durch Fußball, die Akademie in der serbischen Provinz Vojvodina eröffnete er im September 2018 selbst. In der Slowakei ist Dunajska Streda das Aushängeschild der ungarischen Minderheit. Der Unternehmer Oszkár Világi hat den Großteil der rund 40 Millionen Euro bezahlt, die in eine Akademie und ein neues Stadion gesteckt wurden. Zehn Millionen Euro soll die ungarische Regierung beigesteuert haben. Viktor Orbán ist auch deshalb ein gern gesehener Gast in der schmucken 13.000-Zuschauer-Arena.
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