Causa Commerzialbank: Wie das Land dem Skandalbanker half
Der Fall der Commerzialbank Mattersburg und ihres langjährigen Chefs Martin Pucher ist in der heimischen Bankenszene einzigartig. Erfundene Spareinlagen, gefakte Kredite, fingierte Buchungen, Bilanzfälschung, Untreue, Konkurs. In Mattersburg passierte über Jahrzehnte so ziemlich alles, was das Strafgesetz bei einer Bank hergibt.
Dem KURIER vorliegende Dokumente bestätigen nun, dass Pucher ohne die Hilfe des Landes die Bank nie hätte führen können. Auch wenn SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil noch so sehr die Verantwortung des Landes zurückweist, für das Landhaus in Eisenstadt kann der Bankskandal teuer werden. Es drohen Amtshaftungsklagen von Anlegern, Einlagensicherung und Masseverwaltern.
Zurück in die 1990er Jahre. Pucher war Regionaldirektor von acht Raiffeisenbanken, angeführt von Schattendorf. Bereits 1992 habe es Fake-Kredite gegeben, gestand Pucher bei seiner Einvernahme.
Im Sommer 1994 kündigte sich die Raiffeisen-Revision in Schattendorf an. Deren Spezialisten sind im Gegensatz zu Wirtschaftsprüfern auf Unregelmäßigkeiten gedrillt, ihnen wären Puchers Malversationen aufgefallen.
Um seinen Kopf zu retten, inszenierte Pucher einen Streit, verweigerte die Revision und schied aus dem Raiffeisensektor aus.
Ohne Revision keine Konzession
Doch damit er die Bank fortführen konnte, brauchte er dringend eine Revision. Ohne Revision keine Konzession.
Das Land eilte zu Hilfe. In ihrer Sitzung am 11. Oktober 1994 beschloss die Landesregierung, die Revision der Genossenschaft, in deren Eigentum die Bank stand, ab dem Austritt aus der Raiffeisenlandesbank Burgenland zu übernehmen (siehe Faksimile oben). Eine Bestätigung darüber, gezeichnet vom damaligen SPÖ-Landeshauptmann Karl Stix, wurde der Bank übermittelt.
Da das Land erwiesenermaßen kein Personal für Bankrevisionen hat, wurde der SPÖ-nahe Wirtschaftsprüfer Gerhard Nidetzky damit beauftragt. Der bis dahin keine einzige Bank geprüft hatte. Als Nidetzky die Pension antrat, ging seine Kanzlei in der TPA auf, die bis zum Auffliegen des Skandals im Juli 2020 weiter prüfte. Laut Genossenschaftsgesetz müssen auch die Beteiligungen geprüft werden, also die Bank.
Die Zuständigkeit innerhalb des Landes wanderte bald vom Wirtschaftslandesrat zur Finanzabteilung, die dem jeweiligen Landeshauptmann untersteht.
Wie TPA – nicht – prüfte, ist hinlänglich bekannt.
Anfang 2015 versuchte das Land plötzlich, sich der Verantwortung für die Bank zu entledigen. Man könne mangels personeller Ressourcen die Revision künftig nicht mehr durchführen, teilte die Finanzabteilung in einem Schreiben vom 27. Jänner 2015 dem Anwalt der Bank mit (siehe Faksimile).
Entsprach übrigens nicht ganz den Tatsachen. Das Land hatte seine gesetzliche Verpflichtung de facto nie ausgeübt, denn es hatte ohnehin niemand die Kompetenz, die Angaben der TPA zu plausibilisieren.
Man versuchte zwar, den Revisionsverband der Volksbanken für die Prüfung der Genossenschaft zu gewinnen. Doch dieser winkte ab, der Sektor war mit eigenen Problemen gut beschäftigt. Also lief alles weiter wie gehabt.
Zufall oder nicht? 2015 ging die erste, schon sehr konkrete Anzeige eines Whistleblowers bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein. Es kam nie zu Ermittlungen. Heute gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen mit der Finanzmarktaufsicht.
Das Finanzministerium, zu dem die FMA als Behörde ressortiert, wollte jetzt von den Aufsehern wissen, wer wann, von wem über die Schließung der Bank informiert wurde.
Interessant ist, dass nicht die FMA Landeshauptmann Doskozil informierte, sondern die Burgenländer die Aufsicht. Am 14. Juli gegen 17.30 habe es eine schriftliche Information aus der Landesverwaltung gegeben, der Landeshauptmann sei über eine Selbstanzeige von Pucher informiert und werde sich an die FMA wenden (siehe Faksimile unten).
Nach 18.20 telefonierten dann Doskozil und FMA-Vorstand Helmut Ettl (SPÖ).
Um 22:59 stellte die FMA den Bescheid über die Bestellung eines Regierungskommissärs und die Schließung der Bank aus.
Das Ministerium fragte auch nach, wen die FMA denn in der Vergangenheit bei vergleichbaren Fällen informiert hatte. Offensichtlich wollte man bei Minister Gernot Blümel (ÖVP) in Erfahrung bringen, ob es bei der FMA üblich sei, Landeshauptleuten vorab die Schließung einer Bank mitzuteilen.
Der Fall sei nur bedingt vergleichbar, argumentieren die Aufseher in ihrem Antwortschreiben. Seit Bestehen der FMA sei es noch nicht vorgekommen, „dass ein Kreditinstitut von regionaler Bedeutung derart unerwartet zu schließen war und dadurch auch die Einlagensicherung ausgelöst wurde“.
Darüber hinaus sei die Bank auch aufgrund der Eigentümerstruktur ein Sonderfall, „als deren Eigentümerin als Genossenschaft der Aufsicht durch das Amt der Burgenländischen Landesregierung unterlag“.
Heißt, die FMA sieht das Land in der Verantwortung, was Munition für die Amtshaftungskläger wäre. Die Informationen an Doskozil wären völlig korrekte Amtshilfe gewesen.
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