Importabhängige Branchen wie die Autoindustrie oder auch der Einzelhandel würden naturgemäß unter den Sanktionen leiden. Gleichzeitig laufe aber die Kriegsmaschinerie auf Hochtouren: Hohe Zuwachsraten gebe es in der Waffen- und Munitionsproduktion, aber etwa auch im Pharmabereich oder in der Herstellung von Elektromotoren, Generatoren und Transformatoren.
wiiw-Direktor Mario Holzner sagt: "Die Sanktionen wirken, aber langsam." Längerfristig werde die russische Wirtschaft den Mangel an westlicher Hochtechnologie – vom hochqualitativen Kugellager bis zum Computerchip – schmerzhaft zu spüren bekommen. China könne hier nicht überall einspringen.
Was zum relativ stabilen Gebaren der russischen Wirtschaft beiträgt, ist wohl auch der Umstand, dass viele ausländische Unternehmen dem Land eben nicht den Rücken gekehrt haben. Aus österreichischer Sicht handle es sich um insgesamt 39 von 62 Unternehmen. Weitere neun Firmen hätte ihre Aktivitäten teilweise reduziert. Österreich gehöre damit zu einer Gruppe von Ländern wie Slowenien, Deutschland, Ungarn oder Italien, aus denen mehr als 50 Prozent der Unternehmen in Russland geblieben sind. Von den seinerzeit in Russland engagierten US-Unternehmen sind hingegen nur 20 Prozent geblieben, sagt das wiiw.
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"Die boomende Kriegsindustrie, die Anpassung an die Sanktionen und die Neuausrichtung des Handels auf Asien verhindern heuer wohl eine Schrumpfung", sagt dazu wiiw-Russland-Experte Vasily Astrov. Dennoch sehe man die Steuerausfälle aus dem eingebrochenen Energiegeschäft beim Defizit im Staatshaushalt. "Nicht von ungefähr räumte Präsident Putin jetzt auch öffentlich ein, dass die Sanktionen wehtun und man sich auf schwierige Zeiten einstellen muss", sagt Astrov.
Bei neuen Sanktionen werde es nach immerhin zehn Paketen wohl nur noch ums Nachschärfen gehen, also um das Schließen von Schlupflöchern innerhalb des Sanktionsregimes.
Erstaunlich widerstandsfähig zeigt sich indes auch die Ukraine nach dem schweren ökonomischen Schock des Krieges. Im Vorjahr war die ukrainische Wirtschaft um 29,1 Prozent eingebrochen. Heuer erwartet das wiiw ein Wachstum um 1,6 Prozent – allerdings mit erheblichen Risiken.
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Sie reichen von einer Eskalation des Kriegsgeschehens (z. B. Einsatz taktischer Atomwaffen) bis hin zu einem möglichen Sieg der US-Republikaner 2024. Das würde das US-Engagement in der Ukraine absehbarerweise reduzieren und könnte in der gesamten Region Verunsicherung auslösen. Diese hätte den Kriegsschock "zum größten Teil verdaut". Die Wirtschaft Mittel- und Osteuropas soll heuer mit 1,2 Prozent doppelt so stark wie die Eurozone wachsen.
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