Wirecard: Immer mehr Ungereimtheiten

Wirecard: Immer mehr Ungereimtheiten
Österreich-Tochter mit Sitz in Graz schlittert in die Pleite, 152 Mitarbeiter sind betroffen.

Beim insolventen Zahlungsdienstleister Wirecard bleibt kein Stein auf dem anderen. Nachdem am Donnerstag fünf deutsche Tochterfirmen Insolvenz anmeldeten, musste nun auch die Grazer Enkelfirma Wirecard Central Eastern Europe GmbH (WDCEE) mit 152 Mitarbeitern den Weg zum Konkursgericht antreten. Sie erbringt „technische Dienstleistungen im Bereich Zahlungsverkehr für Kunden in Österreich“. Dem Unternehmen mit Standorten in Graz und Wien ist das Geld ausgegangen, weil die insolventen Konzerngesellschaften Wirecard AG und Wirecard Technologies GmbH offene Rechnungen nicht beglichen haben.

„Auf mehrmaliges Urgieren der Geschäftsführung gab es seitens des Wirecard-Konzerns keine Zusage für den erforderlichen Mittelzufluss“, hießt es im Insolvenzantrag.

Die Verbindlichkeiten der Grazer WDCEE werden laut AKV und Creditreform mit rund 2,3 Millionen Euro beziffert, die Aktiva mit 1,7 Millionen Euro.

Obwohl vom deutschen Mutterkonzern Wirecard AG noch keine Angaben zu den Passiva vorliegen, wird die Österreich-Pleite eher als Nebensächlichkeit eingestuft werden. Denn: Laut einem streng vertraulichen Sonderuntersuchungsbericht des Wirtschaftsprüfers KPMG klafft im Wirecard-Konzern aufgrund von mutmaßlichen Malversationen eine Lücke in Höhe von zumindest einer Milliarde Euro.

Künstlich aufgebläht

Laut Angaben der Süddeutschen Zeitung soll sich „die Wirecard-Führungsriege bereits im Jahr 2014 entschlossen haben, mit vorgetäuschten, also erfundenen Einnahmen die Umsätze und Erlöse künstlich aufzublähen“. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt gegen Ex-Wirecard-Boss Markus Braun, Ex-Vorstand Jan Marsalek und weitere Manager wegen des Verdachts der Marktmanipulation, der Bilanzfälschung, Veruntreuung und des Betruges. Dem Vernehmen nach werden die Vorwürfe bestritten.

So sollen die Ermittler auch dem Verdacht nachgehen, dass bereits der Jahresabschluss 2015 mit falschen Zahlen gespickt ist. Bisher war lediglich bekannt, dass der Jahresabschlussprüfer EY die vorgelegten Angaben über Treuhandkonten für die Jahre 2018 und 2019 als „falsch“ einstuft. Immerhin geht es im Jahr 2018 um einen Betrag in Höhe von 976 Millionen Euro und im Jahr 2019 um 1,94 Milliarden Euro.

Drehscheibe Citadelle

Indes dreht Wirecard bei der Vorfinanzierung von Kreditkartenzahlungen das ganz große Rad. Für die Bevorschussung dieser Händler-Geschäfte streift Wirecard eine Provision ein. Mehr als die Hälfte dieser Umsatzerlöse in Asien erzielt Wirecard mit drei Haupt-Dienstleistern, die Citadelle Corporate Services in Singapur verwaltete als Treuhänder bis zum vierten Quartal 2019 die Gelder. Die Sonderprüfer von KPMG stießen bei Citadelle aber auf verschlossene Türen. Citadelle war „zu keinem Gespräch bereit“. „Die für den Untersuchungszeitraum benötigen Kontoauszüge und Bankbestätigungen wurden uns von Wirecard nicht vorgelegt“, halten die Prüfer im Bericht fest. „Als Ersatz wurde uns ein Gespräch mit dem neuen Treuhänder angeboten.“ Doch die Treuhand-Konten des (neuen) philippinischen Treuhänders entpuppten sich am Ende sogar als „Luftschlösser“.

Indes haben die Behörden in Singapur am Freitag angekündigt, dass sie ihre Ermittlungen auf die Citadelle Corporate Services ausweiten.

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