Windige Steueroase lockt viele Österreicher und die Finanz an

Malta.
Dem Finanzministerium und dem KURIER wurde eine umfangreiche Handelsregister-Datei der Mittelmeer-Insel zugespielt, in der 2553 Einträge zum Teil prominente Österreicher betreffen. Es wird geprüft, ob Steuervermeider darunter sind.

Was haben Jachtbesitzer, Glücksspielanbieter, Fondsfirmen und Internet-Unternehmer gemeinsam? Offenbar gute Gründe, sich mit Firmen auf der windträchtigen Mittelmeerinsel Malta anzusiedeln. Der kleinste Mitgliedstaat gilt als attraktivstes Niedrigsteuerland innerhalb der EU. Über eine Malta-Gesellschaft samt Leasing-Konstruktion kann man bei einem Yacht-Kauf die Umsatzsteuer erheblich runterdrücken, über gewiefte Holding-Konstruktionen kann man auch die Körperschaftssteuer massiv verringern und Glückspiellizenzen gibt es für ein Butterbrot. Und Finanzvermögen, das zum Beispiel Fonds im Ausland bunkern, wird nicht besteuert.

Kein Wunder also, dass sich die Finanz für Malta interessiert. Norbert Walter-Borjans, Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, hat den Datenträger mit 416.904 Einträgen bzw. 70.000 im maltesischen Handelsregister eingetragenen Gesellschaften, seinen Wuppertaler Steuerfahndern übergeben.

Österreicher, die der Finanz ihr Malta-Engagement nicht gemeldet haben, sollten auf der Hut sein. Dem Finanzministerium in Wien wurde die 2,63 Gigabyte große Datei zugespielt. Sie umfasst 2553 Einträge zu österreichischen Staatsbürgern samt Reisepassnummer und zum Stichtag 23. September 2016. Das heißt, die Datei ist aktuell.

Prüfung eingeleitet

"Dieser Datensatz wird von Steuerfahndern und Forensikern analysiert. Sie müssen die angeführten Personen mit bereits erfassten Steuerpflichtigen abgleichen", sagt Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzministeriums, zum KURIER. "Ziel ist festzustellen, ob überhaupt eine Steuerpflicht im Inland besteht. Die österreichische Staatsbürgerschaft allein löst keine Steuerpflicht aus und das Aufscheinen auf der Liste bedeutet nicht automatisch steuerunredliches Verhalten." Sollten aber Steuervermeidungspraktiken vorliegen, werde man diese aufdecken. Und er fügt hinzu: "Aufgrund der abgabenrechtlichen Geheimhaltungspflicht können wir zu Einzelfällen und Ermittlungen keine Auskunft geben."

Oh wie schön ist Malta

Vieles klingt auch auf Malta nach business as usual. Zum Teil haben die hier angeführten Firmen ihr Malta- Engagement aber offengelegt. So unterhalten die Austrian Airlines eine Gesellschaft für Leasing-Flugzeuge. Steuerliche Vorteile bringe das keine, behauptet ein AUA-Sprecher, neue Leasinggeschäfte werden aber keine mehr abgeschlossen.

Der Do&Co-Konzern von Attila Dogudan betreibt auf der Insel das Airlines-Catering "Sky Gourmet". Das ist kein Geheimnis. Was es mit den weiteren Firmen IBI Yachting und IBI Leasing auf sich hat, konnte mangels Stellungnahme nicht geklärt werden. Bei IBI sind Rita Dogudan und Firmenanwalt Haig Asenbauer eingetragen.

Der Schotter-Baron Anton Lasselsberger aus Pöchlarn, NÖ, hat bereits 1993 die erste von drei Malta-Gesellschaften gegründet, sein Bruder Josef 2001 ein weitere. Der KURIER ersuchte die Niederösterreicher um eine Stellungnahme, aber ohne Erfolg.

Und die Asamer Malta Real Estate Ltd.wurde von den gleichnamigen Schotterbaronen aus Ohlsdorf, OÖ, seinerzeit für ihr Libyen-Investments gegründet, sie gehört heute einem Gunskirchner Unternehmer.

Auch der steirische Anlagenbauer Johann Christof Group ist mit fünf Gesellschaften vertreten. In vier, darunter in der Malta Five Invest, ist Finanzvorstand Gernot Schieszler, besser bekannt als Kronzeuge im Telekom-Skandal, eingetragen. Sie seien für den Markteintritt in Libyen gegründet worden, die Kriegswirren hätten die Pläne bisher vereitelt, teilt Anwalt Stefan Prochaska mit.

Tiroler auf der Insel

Von den heimischen Banken ist nur noch die Sparkasse Schwaz mit der Sparkasse Bank Malta und einer dazugehörigen Holding vertreten. Der KURIER erreichte den Schwazer Bankdirektor Harald Wanke am Donnerstag telefonisch auf Malta.

"Dass wir hier sind, ist ein Zufall. Wir haben eine Ausweitung unseres Wertpapiergeschäfts gesucht und vor 15 Jahren auf Malta gefunden," sagt Wanke. "Wir sind geblieben, weil wir ein anderes Geschäftsmodell haben. Wir haben fast keine österreichischen, sondern internationale Kunden." Nachsatz: "Natürlich gibt es auf Malta steuerliche Vorteile, das war aber nicht der Hauptfokus." Es sei aber richtig, dass man die steuerlichen Vorteile einer Holding-Konstruktion nutze.

Indes firmiert die frühere Bawag Malta heute als MFC Merchant Bank. Neben dem Ex-Bawag-Manager Otto Karasek sind heute die Österreicher Ferdinand Steinbauer und Friedrich Hondl im Firmenbuch als Bevollmächtigte und Aufsichtsräte eingetragen. Die börsennotierte MFC-Bancorp-Gruppe wirbt auf ihre Homepage mit der Wiener Oper, und ist mit Steuerparadiesen verbunden. Die Mutter sitzt auf den Cayman Islands.

Auch Ex-Meinl-Banker Peter Weinzierl scheint zwei Mal auf. Im Juni 2016 wurde er Aufsichtsrat der Balkan Acquisitions Ltd und bereits im Mai 2012 Repräsentant der Fulcrum Properties SE – einmal mit einer Wiener Adresse und einmal mit einem Moskauer Wohnsitz.

Der Welser Möbel-Tycoon Andreas Seifert (XXXLutz) hat noch eine Gesellschaft auf der Insel: die Sequin Ltd. Er will diese aber am 28. September 2016 rückwirkend zu einem früheren Datum nach Österreich transferiert haben.

Raiffeisen-Banker Herbert Stepic und Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer sind als Aufsichtsräte der Novia Management eingetragen. Laut Stepic wurden sie von zwei früheren Admiral-Sportwetten-Managern dazu gebeten worden, die ein neues Glückspiel-Projekt mit Investoren aufziehen wollten. Aus dem Projekt sei aber nichts geworden.

Ex-Ski-Rennläufer und Sport-Vermarkter Hartmann "Harti" Weirather scheint zwei Mal auf: mit seinen Firmen WWP Sports und der WWP Holding Ltd. Eintrag: 28. Juni 2011

Der Wiener Unternehmer Kari Kapsch hat in Malta privat angedockt. Da er sein Segelschiff aufgrund der Größe nicht in Österreich registrieren konnte, hat er das schöne Schiff mittels der Bellkara Ltd. in Malta registrieren lassen.

Weitere Namen

Auffällig ist der hohe Anteil an Österreichern, die Glücksspiel-Firmen von Malta aus betreiben – vor allem im Internet; und einige haben ihre Geschäfte ganz nach Malta verlagert. Fortsetzung folgt.

Erstaunlich, wie viele Schiffe unter maltesischer Flagge segeln. Warum bloß? Einen originellen Grund erwähnt Reiseanbieter TUI Cruises: "Dies erlaubt uns, rechtsgültige Trauungen an Bord zu schließen." Auf Kreuzfahrten okay, aber so viele heiratswütige Hobby-Kapitäne?

Schiff ahoi!

Hauptgrund sind natürlich niedrige Steuern. Schon seit 1988 ist Malta zum Schiffs-Hotspot geworden, vom Öltanker bis zur Superjacht. Weltweit liegt die Mittelmeerinsel bei den Registrierungen auf Platz sechs – übertroffen nur von Billigflaggen wie Bahamas, Bermuda oder Panama, allesamt bekannte Offshore-Destination. Allein 2016 kamen in Malta 837 Großschiffe dazu, obendrein sind 575 Superjachten verzeichnet. Standen einst billige Matrosen und lockere Arbeitsgesetze im Vordergrund, so locken jetzt günstige Leasingmodelle, die die Umsatzsteuer minimieren.

Großzügiger Fiskus

Wie jetzt, das soll eine Steueroase sein? Mit einem Steuersatz von nominell 35 Prozent auf Unternehmensgewinne liegt Malta an der EU-Spitze. Auf dem Papier. Denn wird der versteuerte Gewinn an eine Holding ausgeschüttet, werden 6/7 davon rückerstattet. Somit bleiben im Regelfall nur fünf Prozent effektive Steuer übrig. Ab 2007 blühte dieses Modell für Ausländer so richtig auf.

So ein Glück

Schlappe 2330 Euro kostet der Erstantrag für eine Glückspiellizenz. Kein Wunder, dass 270 Wettanbieter knapp 500 Lizenzen über Malta angemeldet haben. Die Insel hatte schon 2004 realisiert, wie viel Geld mit boomenden Online-Casinos, Internet-Wetten und Glücksspielen zu holen ist. Für die Aufsichtsbehörde MGA eine Gratwanderung: Schaut sie zu offenkundig weg, würde das den Ruf schädigen. Sie wird von Beratern als "nahbar" und "wirtschaftsfreundlich" beworben – nach sehr rigider Kontrolle klingt das jedenfalls nicht.

Steiler Pass

Vom EU-Bürger bis zum Drittstaatler, vom Pensionisten bis zum Großinvestor: Malta schnürt für jeden, der dort heimisch werden möchte, das passende Paket. 300 Sonnentage pro Jahr sind ein Argument; die Einkommensteuer, die selbst für Superreiche nie über 35 Prozent klettert, ein anderes. Mit seinem Einbürgerungsprogramm saniert Malta das Budget, stellte die EU-Kommission fest. Das Programm trägt stolze 1,7 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Insel bei.

Steuerbefreiung

Apropos Vermögen: Ganze 642 Fonds waren 2016 auf Malta registriert, dazu kamen 71 Trusts, 24 Banken und 58 Versicherungsfirmen. Nicht schlecht für eine Mini-Insel mit 440.000 Einwohnern. Der Grund: Ist der Großteil des Vermögens außerhalb Maltas angelegt, winkt eine Steuerbefreiung.

In den Top Ten

Die Ludwig-Maximilians-Uni München reiht Malta auf Platz neun der attraktivsten Steuerdestinationen weltweit.

Insellösungen

Alles sei x-fach geprüft, EU-rechtskonform und von der OECD abgesegnet, betonen die Behörden stets. Aber warum geht das einfach so durch, mitten in Europa? Darauf erhält man in Malta und Brüssel zwei Antworten. Erstens, weil für Inseln andere Steuerregeln gelten. Bevor Briten nun auf falsche Ideen kommen: Damit sind kleine, ressourcenarme Eiländer in Randlage gemeint. So dürfen sich auch Madeira oder die Kanaren auf steuerliche Sonderregeln berufen.

Abgedreht

Das zweite Argument: Es gehe ohnehin immer weniger durch. Malta bleibt vom Kampf gegen Steuerverschieberei nämlich nicht verschont. Ein Beispiel: Jenes Muster, mit dem der Möbelhändler XXX Lutz im Jahr 2007 – damals war der heutige Finanzminister Schelling im Aufsichtsrat – seine Steuerlast über eine Verlagerung der Markenrechte minimierte, würde heute nicht mehr funktionieren. Diese Variante hat Schelling selbst (als Finanzminister) in Österreich abgedreht, noch bevor es von EU-Seite verunmöglicht worden wäre.

Sinnlos oder hochriskant

Was läuft dann heute noch? Wer echte Geschäfte auf Malta tätigt, Einnahmen aus Verkäufen sowie Personal vor Ort hat, kann von den Steuervorteilen profitieren. Wer diese über Briefkastenfirmen oder mit dem Verschieben von Wirtschaftsgütern ohne Substanz erwirken will, hat es schwer. Denn: Macht er alles korrekt, hat er praktisch keine Vorteile mehr. Die österreichische Finanz hat dieser Praxis 2014 einen Riegel vorgeschoben. Seither kann über Zins- oder Lizenzzahlungen in Richtung einer Steueroase der Gewinn in Österreich nicht mehr reduziert werden. Und wer Rechte für etablierte Marken übertragen will, wird vorab kräftig zur Kasse gebeten. Darauf zu hoffen, dass man unentdeckt bleiben wird, wäre mehrfach riskant – weil sich die Behörden über die Amtshilfe austauschen, weil immer wieder Daten unfreiwillig auftauchen und weil die Strafen massiv verschärft wurden.

Bock als Gärtner?

Pikanterweise hat Malta seit Anfang 2017 (bis Ende Juni) den EU-Ratsvorsitz inne. Wie glaubwürdig können die Bemühungen gegen Steuervermeider sein, wenn man selbst am Pranger stehe, wollte der KURIER von Finanzminister Edward Scicluna wissen. "Jede Rechtsordnung kann durch aggressive Steuerplanung manipuliert werden – manche sind verwundbarer als andere", antwortete er im Februar in Wien diplomatisch. Es sei wichtig, dass die EU Schlupflöcher geschlossen habe. Den Wettbewerb wolle man aber aufrechterhalten, deshalb sei Malta gegen einheitliche Steuersätze.

Panama-Kanäle

Die unvorteilhaften Vergleiche mit der mittelamerikanischen Steueroase haben Maltas Politiker übrigens selbst zu verantworten. So muss sich Premier Joseph Muscat mit Korruptions- und Geldwäscheverdacht herumschlagen, weil seine Frau eine Offshore-Firma besessen haben soll – der Sozialdemokrat dementiert. Davor waren Briefkastenfirmen aufgeflogen, die der Energieminister und der Kabinettschef in Panama besessen hatten. Muscat trat die Flucht nach vorne an, rief Neuwahlen aus. Am 3. Juni wird gewählt.

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