Konjunkturausblick: "2024 wird Jahr der Stagnation"
"Während die Nationalelf wettbewerbsfähig ist, kann man das über die Volkswirtschaft nicht behaupten", leitete Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) seine Konjunkturprognose für 2024 einen Tag nach dem Sieg des heimischen Teams gegen die Niederlande bei der Fußball-EM in Deutschland ein. "Der Aufschwung lässt auf sich warten. 2024 wird ein Jahr der Stagnation."
Etwas optimistischer ist das IHS, das von einem leichten Anstieg des Bruttoinlandsprodukts im laufenden Jahr um 0,3 Prozent ausgeht. IHS-Chef Holger Bonin spricht aber von einer “gewissen Schwankungsbreite” und ist ebenfalls um einen Fußballvergleich bemüht: "In der Eurogruppe ist Österreich damit nicht Gruppenerster."
Beide Institute revidierten ihre Jahresprognose für die heimische Konjunktur damit leicht nach unten. Verhaltene Erholung sehen sie erst 2025: Das Wifo rechnet im kommenden Jahr mit einem BIP-Plus von 1,5 Prozent, das IHS ist mit 1,6 Prozent nicht viel optimistischer.
Verunsicherung
Grund für die stagnierende Wirtschaft sei die hohe Verunsicherung im Land, sagt Felbermayr. Die ortet er sowohl bei privaten Konsumenten als auch bei den Unternehmen.
Der private Konsum sei zwar gestiegen. Die privaten Haushalte hätten aber den Inflationsschock noch nicht verdaut. Dazu komme eine messbare Verunsicherung auf dem Arbeitsmarkt: "Die stark steigenden Insolvenzzahlen schüren die Angst vor Arbeitslosigkeit", sagt der Wirtschaftsforscher. Auch die Politik trage dazu bei. Unsicherheit würden sowohl bei der Zukunft der Individualmobiltität - Stichwort Verbrenner oder Elektroauto - als auch bei der Energiewende im privaten Wohnbau bestehen.
Es sei nicht verwunderlich, dass die Haushalte ihr Geld zusammenhalten, meinte Felbermayr unter Verweis auf die überdurchschnittlich hohe Sparquote: "Das Geld ist da, es wird nur nicht ausgegeben." Die Haushalte seien aus den Schäden der multiplen Krisen der vergangenen Jahre klug geworden, meinte IHS-Chef Bonin.
Investitionsbereitschaft gedrückt
Bei den Unternehmen, bei denen Felbermayr einen Pessimismus auf Rekordniveau ortet, würden ebenfalls Energie- und Klimapolitik, aber auch handelspolitische Unsicherheiten, etwa durch Wahlen in den USA, die Verunsicherung befeuern. Dazu kommen neue, oft bürokratische Regulierungen und die hohen Lohnabschlüsse. "All das drückt auf die Investitionsbereitschaft, obwohl die Zinsen weiter zurückgehen werden", sagte Felbermayr.
Insgesamt sei es der private Konsum, der uns rette, sagte IHS-Chef Bonin: "Ohne ihn wären wären wir deutlich im negativen Bereich." Denn Industrie und Bauwirtschaft verharren in der Rezession.
Inflation geht zurück
Die Inflation sollte nach Einschätzung des IHS heuer auf 3,2 Prozent und im nächsten Jahr auf 2,7 Prozent sinken. Das Wifo erwartet heuer einen Rückgang auf 3,4 Prozent und im kommenden Jahr auf 2,5 Prozent. Unter der Annahme, dass ein erneuter Preisschock bei importierter Energie ausbleibt, wie es in einer Aussendung der Wirtschaftsforscher heißt.
Trister Budgetausblick
Die schwache Konjunktur und die Rekordinflationen der Vorjahre hinterlassen auch ihre Spuren im Budgetdefizit. Das wird laut den Prognosen der Wirtschaftsforscher steigen. Nach einem Minus von 2,6 Prozent im Vorjahr rechnet das Wifo für heuer mit einem Defizit von 3,2 Prozent und im kommenden Jahr von 3,1 Prozent und damit mit einem Überschreiten der Maastricht-Vorgabe. Das IHS geht von einem gesamtstaatlichen Defizit im laufenden Jahr von 3,0 Prozent und einem ähnlich hohen Defizit 2025 aus.
"Potemkinsche Dörfer"
Das Kernproblem der heimischen Volkswirtschaft liege darin, dass die Krisen der vergangenen Jahre Wohlstandsverluste gebracht haben, sagte Felbermayr. Man habe versucht, die realwirtschaftlichen Einbußen durch eine expansive Fiskalpolitik wegzukaschieren und durch Lohnverhandlungen auszugleichen.
"Das sind potemkinsche Dörfer. Man kann die Wohlstandsverluste nicht dauerhaft verstecken", sagte der Wirtschaftsforscher. Die Folgen seien ein zu hohes Budgetdefizit, eine dauerhaft hohe Inflation und eine zurückgehende Wettbewerbsfähigkeit.
"Rendezvous mit der Realität"
Österreich brauche ein "Rendezvous mit der Realität", sagte Felbermayr. Die nächste Regierung werde einen finanzpolitischen Konsolidierungskurs fahren müssen. An einem Sparpaket dürfte also kein Weg vorbeiführen.
Als kurzfristige Maßnahmen empfiehlt Felbermayr etwa Erhöhungen der Mineralölsteuer, die seit 2011 unverändert geblieben ist, und eine Kürzung klimaschädlicher Subventionen und Förderungen. Auch bei der Arbeitslosenversicherung könnten Potenziale gehoben werden, so der Wirtschaftsforscher.
Wichtiger als kurzfristige Maßnahmen seien aber längerfristige Weichenstellungen. Man müsse sich fragen, wie man die Ausgaben runter bekomme und das Steuersystem effizienter machen könne, sagte Felbermayr unter Verweis auf die hohe Belastung des Faktors Arbeit und die geringe Belastung von umweltschädlichen Elementen.
Ein Sparpaket werde Härten mit sich bringen, sagte IHS-Chef Bonin. Die Politik sollte offen damit umgehen und ihre Vorschläge noch vor den Wahlen aufs Tableau bringen.
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