Konjunkturprognose: Die Lage ist besser als die Stimmung
"Wir spüren noch kein Frühlingswinderl, sondern einen böigen, kalten Gegenwind.“ Mit diesem meteorologischen Vergleich erklärt Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo), die aktuelle Konjunkturlage im Land. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies wieder einmal eine Revision der Wachstumsprognose nach unten. Das Wifo sowie die Kollegen des Instituts für Höhere Studien (IHS) rechnen in ihrer am Freitag vorgestellten Prognose für 2024 mit einem realen Wirtschaftswachstum von nur noch 0,2 bzw. 0,5 Prozent. Im Dezember hatten sie noch ein Plus von 0,9 bzw. 0,8 Prozent vorausgesagt.
Der wesentliche Unterschied in den beiden Prognosen liegt laut IHS-Chef Holger Bonin darin, dass sein Institut bereits mit dem Anspringen der Konjunktur im Frühjahr rechnet, während das Wifo dies erst für den Sommer voraussagt. Die Gründe für die revidierten Prognosen sehen aber beiden Experten gleich: ein Tief beim Welthandel, die hohen Realzinsen, politische Unsicherheiten und ein geringes Verbrauchervertrauen, das nur langsam zurückkomme.
Das ist den beiden Experten in der Theorie unverständlich. „Die Nettoreallöhne steigen heuer um 5,2 Prozent. Das bleibt den Menschen zum Ausgeben“, sagt Felbermayr. Aber das Gegenteil geschehe, die Sparquote nehme zu. „Offenbar fehlt vielen das Vertrauen, dass sich ihre Situation verbessert hat. Wir haben die Vertrauenskrise unterschätzt. Die aktuell schwache Konjunktur hat viel mit Psychologie zu tun.“ Auch die Angst vor Arbeitslosigkeit nehme zu. Bonin ergänzt: „Die hohe Inflation hat ihre Spuren hinterlassen. Das Verbrauchervertrauen ist auf historisch niedrigem Niveau.“
Nicht von ungefähr nennt Felbermayr als größtes Risiko für die nächste Zeit die schwache Zuversicht. Dabei gebe es auch positive Aspekte, wie die rückläufige Inflation, die ab dem zweiten Halbjahr zu sinkenden Zinsen führen werde.
Unternehmen
Auch auf der Seite der Unternehmen überwiegt trotz teils guter Gewinne die schlechte Stimmung. Bonin macht dies mehr Sorgen als die Lage bei den Konsumenten. Er führt dies auf die Stimmung in Deutschland zurück, die auf Österreich übergreife.
„Der Pessimismus führt in allen Branchen zur Zurückhaltung von Investitionen“, sagt Felbermayr. Vor allem im Baugewerbe gebe es keine Stabilisierung. Hier ist die wirtschaftliche Lage allerdings auch in der Realität messbar rückläufig. Wenig Hoffnung macht der Wifo-Chef, was das Baupaket der Regierung betrifft. „Das wird erst 2025 wirken.“
Unsicherheiten würden steigende Lohnstückkosten (plus 10 Prozent im Vorjahr, plus 12 Prozent heuer) ebenso verursachen wie das Dauerthema Lohnnebenkosten. „Von 45 OECD-Ländern liegt hier Österreich an dritter Stelle“, sagt Felbermayr. Mit der -Steuer hätte man diese senken können, doch die Regierung hat sich für einen Klimabonus entschieden. „Dieser treibt die Inflation ein paar Zehntelpunkte nach oben“, kritisiert der Wirtschaftsforscher.
Reformen
Die Abschaffung der kalten Progression hingegen sei ein Meilenstein gewesen. Die Menschen würden das allerdings nicht verstehen und die Steuerersparnis gehe nicht in den Konsum. Derzeit gebe es das schlechteste aus beiden Welten: Hohe Lohnsteigerungen plus geringe Konsumation. Bonin hält ein größeres Konjunkturprogramm für nicht erforderlich, ein Bürokratieabbau würde genügen, auch als Ausgleich zum Lieferkettengesetz, das vielen Unternehmen schwer im Magen liege.
Die Konjunkturschwäche hinterlässt Spuren am heimischen Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit nimmt seit April 2023 im Vorjahresvergleich wieder zu. Die Arbeitslosenquote (nach nationaler Definition) lag im Vorjahr bei 6,4 Prozent und soll laut Prognose im Jahresdurchschnitt 2024 auf 6,7 Prozent (Wifo) bzw. 6,9 Prozent (IHS) ansteigen und 2025 wieder auf 6,5 bzw. 6,6 Prozent fallen.
Beim Budgetdefizit des Staates gehen die Prognosen von Wifo und IHS deutlich auseinander. Das Wirtschaftsforschungsinstitut rechnet für 2024 mit einem Finanzierungssaldo in Prozent des BIP von minus 2,9 Prozent, das Institut für Höhere Studien erwartet nur minus 2,2 Prozent. Im Vorjahr lag das Budgetsaldo bei minus 2,4 Prozent.
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