Wifo-Chef Gabriel Felbermayr: "Dieser Krieg macht uns alle ärmer"
Nächsten Freitag werden Wifo-Chef Gabriel Felbermayr und das Institut für Höhere Studien ihre aktuellen Wirtschaftsprognosen für Österreich präsentieren. Genaue Zahlen kann Felbermayr noch nicht verraten, im KURIER gibt er vorab jedoch eine generelle Einschätzung zur Lage ab.
KURIER: Wie sehr wirken die Sanktionen gegen Russland?
Felbermayr: Die Sanktionen sind umfassend. Aber solange Erdöl, Gas, Metalle und Seltene Erden aus Russland importiert werden, sind das zwar harte Sanktionen, aber nicht solche, die maximalen Druck erzeugen.
Aber ein Öl-Gas-Stopp würde doch uns mehr schaden, oder?
Das ist die Krux. Beim Öl gibt es schnellere Alternativen. Aber nicht beim Gas. Die Sorge, dass der nächste Winter ein harter werden würde, ist berechtigt. Bis hin zu Engpässen beim Heizen zuhause.
Und wir hätten eine Rezession.
Ein Gas-Embargo würde ganz klar eine Rezession verursachen. In Deutschland geht man in diesem Fall von einem Minus von drei bis fünf Prozent aus.
Droht nicht auch so schon eine Rezession?
In der Industrie sehe ich das, ja. Für die gesamte Volkswirtschaft aber nicht. Wir müssen freilich die bisherigen Wachstumsprognosen stark nach unten revidieren. Das Institut für Weltwirtschaft hat die Wachstumsprognose für Deutschland diese Woche von bisher vier Prozent auf 2,1 Prozent halbiert.
Soll die EZB gerade jetzt die Zinsen erhöhen?
Die EZB ist in einer sehr schwierigen Lage. Was wir durch eine Zinserhöhung nicht brauchen, ist eine neue Euro-Schuldenkrise. Eine solche droht bekanntlich, wenn hoch verschuldete Länder wie Italien, Spanien, Portugal plötzlich sehr hohe Zinsaufschläge bezahlen müssen. Aber wegen der Inflation muss die EZB den Kurs verschärfen.
Warum?
Wir müssen jetzt sehr aufpassen, dass die hohe Inflation nicht über mehrere Jahre anhält und sozusagen selbsttragend wird. Das ist der Fall, wenn die Lohnspirale in Gang kommt. Die Unternehmen werden ihre Kosten weitergeben müssen. Gerade dort, wo der Deckungsbeitrag sehr niedrig ist.
Für die Endverbraucher wären höhere Löhne also ein Nullsummenspiel.
Ich sage es nur ungern: Aber dieser Krieg mit all seinen Konsequenzen macht uns alle ärmer. Und wir können wenig dagegen tun.
Soll man die Co2- Steuer verschieben?
Nein. Die Co2- Steuer ist für die Haushalte ja eine Netto-Entlastung, weil sie mit dem Klimabonus kombiniert ist. Die Konsumenten zahlen zwar höhere Preise an der Zapfsäule, aber die werden überkompensiert.
Für die Wirtschaft sieht es anders aus.
Für energieintensive Branchen muss und wird es einen Ausgleich geben. Wir müssen generell aber auch sagen: Die Bundesregierung hat ein 1,7 Milliarden Euro schweres Paket geschnürt, um die steigenden Energiepreise abzufedern. Nur die wirken halt noch nicht. Weil Administration und Auszahlung nachhinken. Wieder einmal. Das ist unschön. Aber das Geld wird fließen.
Haben Sie sonst eine Idee für die Endverbraucher?
Meine Idee wäre, die beschlossenen Hilfspakete wie etwa den Energiekostenausgleich zu verdoppeln. Das ist auch eine sozialpolitische Notwendigkeit. Die hohen Energiekosten treffen alle. Aber die sozial Schwachen besonders.
Sie würden auch den Klimabonus erhöhen?
Ja. Das würde den Pendlern helfen.
Sehen Sie noch andere Möglichkeiten.?
Eine Strompreiskompensation wie in Deutschland. Die stellt eine Beihilfe für die indirekten Co2-Kosten von stromintensiven Unternehmen dar. Und auch die Elektrizitätsabgabe könnte man sich ansehen. Die ist in Österreich 30-mal höher als es EU-rechtlich sein müsste. Damit könnte man Wirtschat und Verbraucher entlasten
Was halten Sie von einer Preisdeckelung?
Na ja, wenig. Das ist eine ökonomische Brechstange.
Wenn der Öl-Preis steigt, schnellt er an der Tankstelle sofort hoch. Wenn er sinkt, bleibt er an der Tankstelle hoch. Wie geht das?
Das versuche ich auch gerade zu verstehen. Faktum ist: der Spritpreis ist extrem intransparent - und hoch. In Europa. Auch in den USA. Und die Amerikaner sind weit weg von russischen Raffinerien. Bei uns ist das ein Fall für die Wettbewerbsbehörde.
Themenwechsel: Wir haben noch immer die Pandemie.
Da droht aus China neues Ungemach. Dort kommt die Omikron-Variante erst jetzt so richtig an. Das kann die Lieferkettenproblematik erneut verschärfen. Weil China sofort immer alles abdreht. Schon jetzt ist der Handel mit China gestört. Weil die Handelswege zu Land über Russland führen.
Könnte China Putins Krieg abdrehen?
Wenn sich China von Russland distanzieren würde, käme Putin in größte Schwierigkeiten. Für China ist Russland ein Schlaraffenland die Rohstoffe betreffend. Aber als Absatzmarkt ist es für China völlig vernachlässigbar. Und China fürchtet wohl auch Sanktionen des Westens, wenn es Putin unterstützt. Aber was die Führung in Peking wirklich denkt, weiß in Wahrheit niemand.
Kommentare