Wienerberger-Chef: „Bauten werden wieder kleiner werden“
Seit gut zwei Jahren leitet Johann Marchner die Geschicke von Wienerberger Österreich. Themen gab es in dieser Zeit genug: Fachkräftemangel, Pandemie, hohe Energiepreise, ein drohendes Gas-Embargo. Mit dem KURIER sprach Marchner über Lieferzeiten, Preiserhöhungen und die Arbeits- und Bauwelt der Zukunft.
KURIER: Ende 2021 musste man bis zu acht Wochen auf Wienerberger-Ziegel warten. Wie lange wartet man jetzt?
Marchner: An der Situation hat sich nichts geändert. Wir laufen 24 Stunden, 7 Tage die Woche, die Nachfrage ist gut. Wir werden unsere restriktivere Mengenvergabe aber jetzt wieder auflösen. Wir haben viel investiert und mehr Ware aus der Gruppe besorgt.
Haben Kunden Ware gehortet?
Natürlich gab es Versuche. Aber oft ist das Einlagern gar nicht möglich, auch beim Baustoffhandel. Da wurden in den vergangenen Jahren Lagermengen reduziert, und damit Flächen.
Und wie ist es mit dem Gerücht, dass sie selber Waren zurückhalten?
Warum sollten wir das denn tun?
Um den Preis angespannt zu halten.
Wenn ich heute die Preisvolatilität des Ziegels anschaue, so waren wir nicht an dieser Preisrallye beteiligt. Wir haben Preise aufgrund von Transportkosten anpassen müssen, das war auch vor der Ukraine-Krise so, ebenso wie die kollektivvertraglichen Erhöhungen. Wienerberger ist ein lokaler Anbieter, es wäre verrückt, mit dem Markt zu spielen.
Wie stark haben Sie die Preise heuer angehoben, und wie stark von Anfang 2020 bis Ende 2021?
Dieses Jahr war es im mittleren einstelligen Bereich, das deckt sich mit der Entwicklung seit Pandemie-Beginn. Gott sei Dank sind wir nicht von globalen Lieferketten abhängig. Ausnahme sind einzelne Artikel, wo wir es nicht kontrollieren konnten – bei der Mineralwolle.
Mitte des Vorjahres sind Sie davon ausgegangen, dass der Bauboom bis mindestens 2023 anhält. Sind Sie dieser Meinung noch immer?
Das war vor der Ukraine-Krise. Ich denke aber, dass es nach wie vor eine große Nachfrage gibt. Die Preisunsicherheit ist derzeit aber für viele ein Problem.
Anders gefragt: Wie lange können sich die Menschen das Bauen noch leisten? Die Höhe der Preise ist ja das größere Problem.
Ich glaube, das die Bauten wieder kleiner werden. Außerdem baut der eine oder andere in mehreren Phasen. Das Bauen wird nicht sterben, auch wenn es zugegebenermaßen nicht einfacher wird.
Sehen Sie für die Zukunft angesichts der Bodenversiegelungs-Thematik einen Sanierungsboom? Und bereiten Ihnen mehr Sanierungen Sorgen, weil man weniger Ziegel benötigt?
Nachdem wir auch Dachziegel verkaufen, sind wir schon stark im Sanierungsgeschäft. Gott sei Dank wird auch Altsubstanz revitalisiert. Was gleichzeitig passiert: Dort, wo vorher das Einfamilienhaus stand, kommt es zum Komplettrückbau, und an dieser Stelle wird ein Doppelhaus gebaut. Hier bräuchte es von der Politik bessere Konzepte und Fördermodelle, diesen Komplettrückbau stärker zu nutzen.
Wie sehr bereitet Ihnen die Unsicherheit bei der Gasversorgung Sorgen?
Dieses Thema wird über den Konzern kommuniziert. Wir tun alles, um uns bestmöglich auf dieses Thema vorzubereiten. Aber es ist endenwollend zu beherrschen.
Wo liegt Ihrer Meinung nach beim Fachkräftemangel das Problem? Zahlen die Unternehmen zu wenig, oder wollen immer weniger Menschen (Vollzeit) arbeiten?
Generell gibt es den Fachkräftemangel natürlich. Ich glaube, dass sich viele junge Menschen mit der Frage nach der Arbeit der Zukunft auseinandersetzen. Einerseits bei der Arbeitszeit, da muss man sich etwa intelligente Schichtmodelle anschauen. Andererseits ist die Arbeit am Bau harte Arbeit, die man vielleicht nicht ein Leben lang ausüben kann. Wir haben uns mit dem Thema Vorfertigung lange auseinandergesetzt und mit vergangener Woche ein Ziegel-Fertigteilwerk übernommen, um den Vorfertigungsgedanken zu implementieren.
Inwiefern?
Wir müssen den Bauprozess auf der Baustelle menschenunabhängiger machen, die schweren Arbeiten von den Menschen wegbekommen. Bauleiter etc. wird es immer brauchen. Aber nicht den Maurer, der bei 35 Grad Außentemperatur monolithisches Mauerwerk mauert.
Wie geht es Wienerberger in Österreich selbst mit den Fachkräften?
Grundsätzlich haben wir kein Problem. Aber insgesamt ist es eine Herausforderung, die Mitarbeiter zu halten und weiterzuentwickeln. Was ich für die Baustelle gesagt habe, gilt auch für die Produktion – es ist wichtig, es den Menschen einfacher zu machen.
Gibt es bei Ihnen Bemühungen in Richtung Modellen wie einer Vier-Tage-Woche?
Ja, das habe ich mit intelligenten Schichtmodellen gemeint. Wir haben da einen Piloten in einem unserer Dachziegelwerke laufen. Der scheint sich gut zu entwickeln. Ist das Feedback gut, wird das ausgerollt. Es kann in diesem Modell 12 Stunden mit entsprechenden Pausen, abgestimmt mit der Gewerkschaft, gearbeitet werden. Damit haben die Menschen dann vier Tage am Stück frei.
Macht der Fachkräftemangel die Arbeitswelt besser?
Knappe Ressourcen zwingen jeden, egal auf welcher Ebene, zu Innovationen. Menschen haben Bedürfnisse, die sich über Generationen verändern. Ich habe selbst zwei Töchter – die heutige Generation denkt anders.
Sie selbst wollten sich verstärkt dem Fassadengeschäft widmen, als Sie bei Wienerberger angetreten sind. Inwiefern hat das gefruchtet?
Wir sind dabei, auch neue Produkte zu entwickeln und das Sortiment zu erweitern. Da gibt es die ersten Piloten.
Welche konkreten Umsatzziele haben Sie hier?
Die gibt es, aber die verraten wir nicht. Anfang nächsten Jahres soll aber ein neuer Fassadenziegel auf den Markt kommen, der in Gleinstätten entwickelt wurde.
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