Und sie drückt aufs Tempo: „Wir dürfen keine Zeit verlieren, darunter würden nur die Schwächsten leiden.“ Noch im Sommer hofft die deutsche Kanzlerin auf grünes Licht für den 750 Milliarden Euro schweren Wiederaufbaufonds. „Das wird von allen Seiten noch viel Kompromissbereitschaft fordern“, weiß die dienstälteste Regierungschefin eines EU-Staates.
Besonders die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark wehren sich gegen den hohen Anteil an Zuschüssen, die von den Empfängerländern nicht mehr zurückgezahlt werden müssen.
Stattdessen sollten Kredite vergeben werden. Und das Quartett beharrt auch der Forderung: Das Geld, mit dem den am schwersten von der Corona-Krise betroffenen Ländern geholfen werden soll, darf nur nach klaren Kriterien vergeben werden. Also etwa: Keine Milliarden, um Budgetlöcher zu stopfen oder marode Fluglinien zu retten, sondern nur in Investitionen in zukunftsträchtige Wirtschaftsbereiche oder Infrastruktur.
Italien wurde deshalb von der EU-Kommission aufgefordert, bis Oktober einen detaillierten Plan vorzulegen. Darin muss genau aufgelistet sein, wie viel EU-Fördergeld für welche Investitionen und Reformen bis wann eingesetzt werden sollen.
Sorgen, dass es sich bei dem gewaltigen Fonds um einen „Eingang in eine Schuldenunion“ handeln könnte, wies Merkel bei ihrem Besuch in Brüssel abermals zurück. Der Wiederaufbaufonds sei eine „außergewöhnliche und einmalige Kraftanstrengung“.
Beim ersten physischen Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs seit Ausbruch der Corona-Pandemie sollen Ende nächster Woche die größten Hürden Richtung Einigung genommen werden. Und angenommen werden muss auch der rund 1.100 Milliarden schwere, siebenjährige Haushalt der EU. Zeremonienmeister wäre dabei eigentlich EU-Ratspräsident Charles Michel.
Doch die meisten Hoffnungen, einen Kompromiss zustande zu bringen, liegen auf Angela Merkel. Als Regierungschefin des mit Abstand allergrößten Nettozahlerlandes sowie des aktuellen Vorsitzlandes bringt Merkel doppeltes Gewicht in die Gespräche. Mehr Verhandlungsgeschick als die routinierte Gipfelveteranin hat in Brüssel ohnehin niemand. Und so ist in den Institutionen der europäischen Hauptstadt allerorts zu hören: „Wer, wenn nicht Merkel, kann das schaffen?“
Dennoch könnten die noch immer tiefen Gräben zwischen den EU-Staaten im Streit um Kredite und Zuschüsse einen weiteren EU-Gipfel Ende Juli notwendig machen. Was Spaniens Premier Pedro Sanchez auf die Palme bringt: „Wir können nicht länger warten. Unsere Bürger würden das nicht begreifen und auch unsere Wirtschaft nicht.“
Die deutsche Kanzlerin erinnert derweil in Brüssel die EU-Abgeordneten, Europa habe schon viele Krisen überstanden. Und das liege auch daran, dass sich am Ende alle bewusst gewesen seien, was unverzichtbar sei: „die Grundrechte und der Zusammenhalt“.
„Wollen wir Europa?“, fragt sie. Und Merkel antwortet sogleich selbst: „Dann müssen wir Europa noch grüner, digitaler und innovativer gestalten.“
Als einen Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft sieht Merkel aber auch die Stärkung Europas in seiner Rolle als ein selbstbewusster Player in der Welt.
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